Unbezahlter Sonderurlaub – wann ist das sinnvoll und wann möglich?

 

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Beim Stichwort „Urlaub“ denkt wohl jeder zuerst an den Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG). Hier bleibt die volle Vergütung geschuldet, obwohl der Arbeitnehmer während des Urlaubs keine Arbeitsleistung erbringen muss. Weniger geläufig ist dagegen der unbezahlte Sonderurlaub. Bei diesem kommt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ zum Tragen.

Sonderurlaub wird relevant, wenn der Erholungsurlaub nicht ausreicht, um allen privaten Verpflichtungen und Belangen gerecht zu werden. Dann kann eine längere Pause von der Arbeitswelt erforderlich sein.

Typische Fälle liegen vor, wenn der Arbeitnehmer eine Weiterbildung oder Umschulung anstrebt. Manch einer braucht eine Auszeit, um neue Motivation und Kreativität zu schöpfen oder ein sich anbahnendem Burn-out vorzubeugen. Auch Reisen, Forschungsarbeit oder die Unterstützung sozialer Projekte können einen Grund für unbezahlten Sonderurlaub darstellen. Zudem kann es vorkommen, dass Zeit benötigt wird, um ein Kind oder einen nahen Angehörigen zu pflegen oder auf eine unverschuldete Zwangslage, wie z.B. auf einen Brand oder eine Überschwemmung, zu reagieren.

In diesen und weiteren Situationen kann unbezahlter Sonderurlaub die Lösung des Problems sein.

Doch wann hat der Arbeitnehmer tatsächlich einen Anspruch auf unbezahlten Sonderurlaub? Und welche rechtlichen Besonderheiten sind dabei zu beachten?

Anspruch aus Arbeits- oder Tarifvertrag

Im Gegensatz zum Erholungsurlaub, sind die Voraussetzungen für den unbezahlten Sonderurlaub gesetzlich kaum geregelt. Als Grundlage können daher meistens nur Tarif- oder Arbeitsvertrag dienen. Ist auch hierin nichts festgelegt, hängt der Anspruch auf Sonderurlaub allein vom Einverständnis des Arbeitgebers ab! Hier spielt also Verhandlungsgeschick eine große Rolle. Ein überzeugendes Argument ist dabei oft die Kostenersparnis für den Arbeitgeber. Insbesondere Unternehmen mit vorübergehend kritischer Auftragslage profitieren und können ggf. sogar einen Stellenabbau vermeiden. Der Sonderurlaub muss also nicht immer ein einseitiges Entgegenkommen des Arbeitgebers sein.

Anspruch aus dem Pflegezeitgesetz

In Einzelfällen ergibt sich ein Anspruch aus dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG). So kann einem Angestellten bis zu 10 Tage Sonderurlaub zustehen, wenn er kurzfristig einen Angehörigen pflegen muss (§ 2PflegeZG). In Unternehmen mit mindestens 15 Angestellten kann sich ein Anspruch auf bis zu sechs Monate ergeben, § 3 PflegeZG. Versorgt der Mitarbeiter ein unheilbar krankes Kind, besteht sogar ein Anspruch auf unbegrenzten Sonderurlaub. Damit der Arbeitnehmer während einer solchen Zeit nicht seine Existenzgrundlage verliert, kann ein Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld bestehen.

Anspruch aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Manchmal kann sich ein Anspruch auf Sonderurlaub auch allein aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Mitarbeiter sich in einer Zwangslage befindet, die ihm die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich macht (Brand, Überschwemmung etc.). Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, eine angemessene Lösung zu finden und den Arbeitnehmer nicht unnötig hart zu belasten. Dabei muss er berücksichtigen, wie die aktuelle Personallage aussieht, welche Rolle der Arbeitnehmer im Unternehmen spielt und welchen Grund der Arbeitnehmer für seine Freistellung vorbringt. 

Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz

Im Übrigen kann sich ein Anspruch auch daraus ergeben, dass bereits anderen Arbeitnehmern im Unternehmen Sonderurlaub gewährt wurde. Der Arbeitgeber muss insofern den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.

Dauert der Sonderurlaub eine längere Zeit an, kann der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen. Der Urlaubsanspruch verringert sich dann anteilig. Wem normalerweise 30 Urlaubstage im Jahr zustehen, dem stehen nach einem halbjährigen Sonderurlaub nur noch 15 Tage Urlaub für den Rest des Jahres zu.

Ohne Lohn muss der Arbeitgeber konsequenterweise auch keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zahlen. Der Versicherungsschutz läuft nach Beginn des unbezahlten Urlaubs allerdings noch einen Monat weiter, bevor der Mitarbeiter sich selbst versichern muss.

Eine Besonderheit besteht im Übrigen für Beamte: diese können für die Dauer von zwei bis sechs Jahren auf einen Teil ihres Gehalts (z. B.: 20 %) verzichten, um sich anschließend für ein vollständiges Jahr beurlauben zu lassen. Während diesen Jahres können sie dann die Dienstbezüge beziehen, auf die sie zuvor verzichtet hatten. Man spricht von einem sog. Sabbatical oder zu Deutsch „Sabbatjahr“. Diese Grundsätze lassen sich natürlich auch außerhalb eines Beamtenverhältnisses – individualvertraglich – vereinbaren. Auch sonst sind viele Fragen rund um den Sonderurlaub reine Verhandlungssache!

Ist eine Einigung erst einmal erfolgt, müssen sich beide Parteien daran halten. Will der Arbeitnehmer das Sabbatical oder den Sonderurlaub frühzeitig beenden, ist auch hierfür die Einwilligung des Arbeitgebers erforderlich.

Die Vereinbarung sollte außerdem zu Beweiszwecken immer schriftlich niedergelegt werden. Ist der Anspruch nicht gesetzlich geregelt und hat der Arbeitgeber noch nicht seine Zustimmung erteilt, sollte der Mitarbeiter nicht einfach zuhause bleiben. Falls der Arbeitgeber dies nachträglich als Arbeitsverweigerung auslegt, kann das im schlimmsten Fall zur Kündigung führen.

Wichtig ist es zudem, den Arbeitgeber rechtzeitig über die Gründe und den Zeitraum seiner Freistellung zu informieren. Gegebenenfalls muss er einen Nachweis über den Grund erbringen, so z. B. ein Attest, welches die Erkrankung des Kindes oder eines nahen Angehörigen belegt.

Damit lässt sich festhalten: Wer ein paar wesentliche Regeln einhält, dem stehen vielfältige Möglichkeiten offen, unbezahlten Sonderurlaub zu nutzen. Solange kein gesetzlicher Anspruch besteht, ist Verhandlungsgeschick entscheidend. Die Nutzung dieser vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten wird momentan immer beliebter. In einigen europäischen Ländern, wie z. B. in den Niederlanden, in Dänemark und Finnland, gehören solche Modelle bereits zum Alltag.

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