Fehler bei der Wahl - was passiert bei einer Anfechtung?

 

730x300 § und viele liegende Fragezeichen

Im März wurde in den ersten Betrieben bereits ein neuer Betriebsrat gewählt - andere haben dies noch vor sich. Als Kandidat hoffen Sie auf eine rege Wahlbeteiligung und viele Stimmen. Als Wahlvorstand haben Sie sich intensiv auf die Wahl vorbereitet, ggf. sogar eine Schulung besucht, und alles nach bestem Wissen und Gewissen auf den Weg gebracht.

Allerdings: Unterlaufen bei der Wahl Fehler, so kann die Wahl im Nachhinein vor dem Arbeitsgericht angefochten werden oder sogar nichtig sein.

Was aber passiert, wenn die Wahl angefochten wird? Und was, wenn sich herausstellt, dass sie fehlerhaft war - trotz aller Sorgfalt bei ihrer Durchführung?

Die Betriebsratswahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (§ 19 Abs. 1 BetrVG).

Welche Frist gilt für die Anfechtung?

Zunächst heißt es abzuwarten. Denn eine Anfechtung der Betriebsratswahl ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig, (§ 19 Abs. 2 BetrVG). Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf die Wahl auch trotz ggf. erheblicher Mängel unanfechtbar wird. Die Anfechtung muss rechtzeitig beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden.

Abzugrenzen davon ist die Rechtsschutzmöglichkeit noch während des laufenden Wahlverfahrens: Einzelne Betroffene können während des Wahlverfahrens im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht beantragen. So könnte z. B. ein Arbeitnehmer die Aufnahme in die Wählerliste oder eine Gewerkschaft die Zulassung ihrer Wahlliste beantragen, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Wer kann anfechten?

Zur Anfechtung der Betriebsratswahl sind nach § 19 Abs. 2 BetrVG mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber autorisiert – eine Anfechtung durch einen einzelnen Arbeitnehmer, den Wahlvorstand oder den Betriebsrat ist somit nicht möglich.

Welche Fehler können zu einer Anfechtung führen?

Eine Wahl kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden, wenn sie an einem wesentlichen Wahlfehler leidet (§ 19 Abs. 1 BetrVG), z. B.:

  • Aktives Wahlrecht: Wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen wurden fehlerhaft nicht zugelassen, oder umgekehrt.
  • Passives Wahlrecht: Die Wählbarkeit von Arbeitnehmer*innen wurde fehlerhaft bejaht – oder verneint, z. B. wenn die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht ausreichend geprüft wurde.
  • Das Wahlausschreiben enthielt nicht die erforderlichen Inhalte oder wurde nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben.
  • Wahlvorschläge/Vorschlagslisten enthielten Fehler (inhaltlich oder auch unzureichende Stützunterschriften) und wurden nicht rechtzeitig korrigiert.
  • Die Wählerliste war fehlerhaft und/oder wurde nicht rechtzeitig korrigiert (beachte: Korrektur nunmehr bis zum „Abschluss“ der Stimmabgabe möglich – Neuregelung in § 4 Abs. 3 WO). Durch die Neuregelung in § 19 Abs. 3 BetrVG besteht allerdings in Bezug auf die Wählerliste eine nur eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit: Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Hierauf ist im Wahlausschreiben auch ausdrücklich hinzuweisen (Pflichtangabe). Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

Folgen der Anfechtung?

Trotz eines Fehlers kann es sein, dass die Anfechtung nicht erfolgreich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Fehler das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst hat. Der Fehler muss sich also auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben können (Ursächlichkeit).

Wird eine fehlerhafte Betriebsratswahl angefochten, prüft das Arbeitsgericht zunächst, ob eine Korrektur des Wahlergebnisses in Betracht kommt. Wenn das so ist, nimmt es die Korrektur vor. Sollte sich z. B. bei der Feststellung des Minderheitengeschlechts ein bloßer Berechnungsfehler eingeschlichen haben, wird dieser lediglich korrigiert und der Betriebsrat dementsprechend neu zusammengesetzt. Eine Ursächlichkeit zwischen Fehler und Wahlergebnis liegt auch dann nicht vor, wenn der Fehler vom Wahlvorstand erkannt und rechtzeitig berichtigt worden ist.

Stellt das Arbeitsgericht allerdings einen nicht korrigierbaren Wahlfehler fest, der Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatte, so wird es die Wahl mit Wirkung für die Zukunft aufheben mit der Folge, dass der neugewählte Betriebsrat sein Mandat verliert, sobald die Gerichtsentscheidung rechtskräftig ist. Die Wahl muss wiederholt werden!

Was bedeutet dies konkret für den von Anfechtung betroffenen Betriebsrat?

Im Falle einer erfolgreichen Wahlanfechtung verliert der Betriebsrat mit der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses sein Amt. Bis zur Rechtskraft steht er trotz des laufenden Anfechtungsverfahrens in jeder Beziehung einem unangefochten amtierenden Betriebsrat gleich, insbesondere ist der Betriebsrat auch während des laufenden Anfechtungsverfahrens bei allen beteiligungspflichtigen Maßnahmen zu beteiligen.

Mit der Rechtskraft der Feststellung der Ungültigkeit der Wahl ist dann allerdings die Amtszeit des Betriebsrats sofort beendet. Der Betriebsrat hat insbesondere kein Übergangsmandat bis zu einer ordentlichen Neuwahl. Damit tritt dann mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung eine betriebsratslose Zeit mit all ihren negativen Folgeerscheinungen ein. Insbesondere ist der Wahlvorstand für die Neuwahlen nunmehr wieder im Rahmen einer Betriebsversammlung zu wählen. Außerdem verlieren in diesem Fall die Mitglieder des Betriebsrats auch ihren nachwirkenden Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der „Abkühlungsphase“ nach dem Ende der Amtszeit. Sie behalten allerdings ihren besonderen Kündigungsschutz als Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 KSchG solange dieser noch nicht abgelaufen ist.

Praxistipp:

Der durch ein Wahlanfechtungsverfahren beeinträchtigte Betriebsrat sollte sich daher rechtzeitig vor dem Abschluss des Gerichtsverfahrens überlegen, ob es nicht klüger ist, den Weg zu Neuwahlen nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG durch einen kollektiven Rücktrittsbeschluss zu eröffnen. Denn in diesem Falle könnte bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens bereits in einer jetzt fehlerfreien Wahl ein neuer Betriebsrat gewählt worden sein. Der durch Beschluss kollektiv zurückgetretene Betriebsrat führt die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl mit allen Rechten und Pflichten weiter (§ 22 BetrVG). Vgl. Anuschek/Schrader, Betriebsratswahl – Handbuch zur fehlerfreien Wahldurchführung, Rieder-Verlag, 7. Auflage 2022, S. 218 ff.

Und wann ist eine Wahl nichtig?

Unterlaufen bei der Wahl besonders schwerwiegende und offensichtliche Fehler, so ist sie nicht nur innerhalb von 2 Wochen anfechtbar, sondern von Anfang an unwirksam, als hätte sie nie stattgefunden. Hierauf kann sich jeder auch noch lange Zeit später vor Gericht berufen (z. B. in einem Kündigungsschutzprozess). Eine Wahl ist beispielsweise nichtig, wenn sie ohne Wahlvorstand oder in einem Betrieb mit weniger als 5 Arbeitnehmern, per Handabstimmung in der Kantine oder in einer Behörde durchgeführt worden ist.

Also: In ganz besonderen Ausnahmefällen, in welchen gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in hohem Maße verstoßen wurde, kann die Nichtigkeit der Wahl anzunehmen sein. Die Konsequenzen sind in diesem Fall gravierend: Der betroffene Betriebsrat war nie Betriebsrat, alle bisher gefassten Beschlüsse sind nichtig, Neuwahlen müssen durchgeführt werden.

Im Gegensatz zur Anfechtung kann die Nichtigkeit der Wahl von jeder Person geltend gemacht werden, und der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit kann jederzeit gestellt werden – er ist nicht an eine gesetzliche Frist gebunden. Somit kann die Überprüfung auch während der gesamten Amtszeit des neu gewählten Betriebsrats erfolgen.

Mögliche Gründe für eine Nichtigkeit der Wahl können sein:

  • Wahl ohne Wahlvorstand und ohne geordnetes Wahlverfahren
  • Wahl außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums ohne Grund
  • Voraussetzungen für eine Betriebsratswahl haben nicht vorgelegen

Umfassende weiterführende Informationen zur Betriebsratswahl bis hin zur ersten Sitzung des neuen Betriebsrats gibt es hier.

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