Betriebsratsmitglied - Anspruch auf Nachtarbeitszuschläge?

 

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Nimmt ein Betriebsratsmitglied außerhalb der Nachtarbeitsstunden Betriebsratsaufgaben wahr, hat es nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch dann keinen Anspruch auf Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen, wenn es vor der Amtsübernahme Nachtarbeit geleistet hat und seine Arbeitszeit anlässlich der Amtsübernahme einvernehmlich auf die Tagarbeitsstunden verschoben wurde. Der Verlust des Nachtarbeitszuschlags beruht nicht auf der Arbeitsbefreiung, sondern auf der Verschiebung der Arbeitszeit.

BAG, Urteil vom 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen. Die Beklagte betreibt Einrichtungshäuser. Der Kläger ist seit dem 8. Januar 2009 in ihrer Filiale A als Mitarbeiter der Abteilung Logistik in Vollzeit beschäftigt.

Die Arbeitszeit des Klägers begann regelmäßig um 4:00 Uhr. Die Beklagte gewährte dem Kläger den Nachtarbeitszuschlag für die in der Zeit von 4:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zunächst durch Zahlung, später durch Freizeitausgleich, indem sie die Arbeitszeit des Klägers täglich um 66 Minuten verkürzte. Nachdem der Kläger im Spätsommer 2011 zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden war, vereinbarten die Betriebsparteien, dass der Kläger täglich 3,5 Stunden in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:30 Uhr von seiner beruflichen Tätigkeit zur Durchführung von Betriebsratsarbeit freigestellt wird. Gleichzeitig wurde der Arbeitsbeginn des Klägers mit seinem Einverständnis auf 6:00 Uhr verschoben, um den Mitarbeitern eine bessere Kontaktaufnahmemöglichkeit zum Kläger während dessen Arbeitszeit zu ermöglichen. Infolgedessen stellte die Beklagte die Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen an den Kläger ein.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen für je 2 Stunden pro Arbeitstag. Er meint, die durch die Betriebsratstätigkeit bedingte Verlagerung seiner Arbeitszeit dürfe nicht zu einer Minderung seines Arbeitsentgelts führen. Sein Entgelt dürfe nicht geringer bemessen werden als das Entgelt der mit ihm vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer der Abteilung Logistik.

Die Lösung:

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG gab ihr teilweise statt. Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
§ 37 Abs. 2 BetrVG begründet keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds. Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern, indem es ihm die Befürchtung nimmt, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden.

Diese Vorschrift, die für alle Betriebsratsmitglieder gilt, konkretisiert hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte.

  • Zum Arbeitsentgelt im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG gehören alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz.
     
  • Zu dem Arbeitsentgelt zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie werden für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt. Sie dienen nicht dem Ersatz von tatsächlichen Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung entstehen.
     
  • Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen.
     
  • Danach steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen zu. Der Nachtarbeitszuschlag zählt zwar zum Arbeitsentgelt im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG. Der Verlust des Nachtarbeitszuschlags beruht aber nicht auf der Freistellung für Betriebsratstätigkeit, sondern auf der im Einvernehmen mit dem Kläger vorgenommenen Verschiebung von dessen Arbeitszeit um zwei Stunden auf die Zeit von 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr. Auf den Umstand, dass die Arbeitszeit verschoben wurde, um eine Freistellung in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:30 Uhr zu ermöglichen, kommt es nicht an.
      
  • Ein Anspruch auf Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen folgt auch nicht aus § 78 Satz 2 BetrVG. Die mit dem Verlust der Nachtarbeitszuschläge verbundene Schlechterstellung ist dadurch gerechtfertigt, dass das Betriebsratsmitglied infolge der Verschiebung der Arbeitszeit keine Nachtarbeit leistet und damit nicht den Erschwernissen unterworfen ist, die durch die Gewährung der Nachtarbeitszuschläge ausgeglichen werden sollen.

Hinweis für die Praxis:

Der Kläger wird nicht wegen seiner Betriebsratstätigkeit bzw. seiner teilweisen Freistellung „benachteiligt“, sondern wegen der einvernehmlich erfolgten Änderung der Lage seiner Arbeitszeit. Bei der „neuen“ Arbeitszeit fällt Nachtarbeit nicht mehr an. Diese weiter „fiktiv“ zu vergüten, würde im Gegenteil sogar eine unzulässige Bevorzugung wegen des Betriebsratsamtes bedeuten.

Es ist anzunehmen, dass aufgrund dieser Entscheidung des BAG in vielen Betrieben ein Umdenken stattfinden wird. Denn auf die Weiterzahlung von - nicht mehr steuer- und sozialversicherungsfreien - Nachtarbeitszuschlägen besteht eben kein Anspruch, sofern die Lage der Arbeitszeit nach Mandatsübernahme einvernehmlich geändert wird.