Zum Mitbestimmungsrecht bei der Anrechnung einer zweistufigen Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen.
Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung. Die Arbeitgeberin gehört zur Mediengruppe der S GmbH, in deren Unternehmen insgesamt zehn unterschiedliche Entgelttarifverträge Anwendung finden. Die Geschäftsführung der S GmbH entschied vor dem Monat September 2010, die aufgrund bevorstehender oder bereits laufender Tarifverhandlungen zu erwartende Erhöhung der Tarifentgelte in den einzelnen Unternehmen der Mediengruppe auf die übertariflichen Zulagen der Arbeitnehmer voll anzurechnen. Nach dem neuen Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer des Buchhandels und der Verlage in Bayern erhöht sich das Tarifentgelt in allen Entgeltgruppen zum 1.10.2010 um 50,00 Euro und zum 1.7.2011 um 2 %.
Die Arbeitgeberin rechnete die zum 1.10.2010 vorgesehene Tariferhöhung in voller Höhe auf übertarifliche Zulagen an. Im November 2010 gab die Arbeitgeberin bekannt, die zweite Stufe der Tariferhöhung zum 1.7.2011 nicht auf übertarifliche Zulagen anzurechnen.
Der Betriebsrat meint, die Anrechnung der Tariferhöhung sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Arbeitgeberin sei ein Regelungsspielraum bei der Anrechnung verblieben. Die Anrechnung der ersten Stufe und die Nichtanrechnung der zweiten Stufe der Tarifentgelterhöhung beruhten auf einem einheitlichen Gesamtkonzept. Durch die Anrechnung hätten sich die Verteilungsgrundsätze geändert.
Der Antrag des Betriebsrats hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung über die Anrechnung der Tariferhöhung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung auf übertarifliche Zulagen mitzubestimmen, wenn eine generelle Maßnahme vorliegt, sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern und für die Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum besteht.
Eine Anrechnung unterliegt daher nicht der Mitbestimmung,
2. Bei Tarifentgelterhöhungen, die zeitlich versetzt in mehreren Abschnitten oder in aufeinander aufbauenden Stufen erfolgen, kann es darauf ankommen, ob mehrere voneinander unabhängige Entscheidungen des Arbeitgebers über eine mögliche Anrechnung vorliegen oder ob den Entscheidungen eine einheitliche Konzeption des Arbeitgebers zugrunde liegt.
Dann bestehen gegebenenfalls Gestaltungsmöglichkeiten, wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtkonzepts beabsichtigt, auf mehrere Schritte oder Stufen einer Tarifgehaltserhöhung unterschiedlich zu reagieren. Ein konzeptioneller Zusammenhang setzt voraus, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Anrechnung oder Nichtanrechnung der ersten Stufe oder des zeitlich ersten Schritts einer Tariferhöhung bereits sein Verhalten bei der zweiten Stufe oder dem zweiten Schritt plant. Ob eine einheitliche Konzeption des Arbeitgebers vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
3. Danach besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
a) Bei der Anrechnung der Tarifentgelterhöhung zum 1. Oktober 2010 bestand für sich betrachtet kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, da die Arbeitgeberin die sich ergebenden Steigerungsbeträge im Rahmen des Möglichen auf die übertariflichen Zulagen der Arbeitnehmer angerechnet hat. Damit verblieb insoweit kein Spielraum für eine andere Verteilung, die der Betriebsrat hätte mitgestalten können.
b) Ein Mitbestimmungsrecht folgt auch nicht daraus, dass die Anrechnung der ersten Stufe der Tarifentgelterhöhung zum 1. Oktober 2010 und die Nichtanrechnung der zweiten Stufe zum 1. Juli 2011 auf einer einheitlichen Konzeption der Arbeitgeberin beruhten. Denn es fehlt an einem entsprechenden Gesamtkonzept des Arbeitgebers, zumal zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers nicht absehbar war, dass der ETV in 2 Stufen modifiziert werden würde.
Die Entscheidung des BAG belegt deutlich, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats wegen der vollen oder teilweisen Anrechnung von Tarifentgelterhöhungen auf übertarifliche Leistungen nur bestehen können, wenn ein Gestaltungsspielraum verbleibt.
Dies wäre hier höchstens der Fall gewesen, wenn die Anrechnungsentscheidungen des Arbeitgebers auf der 1. und 2. Stufe, die jeweils für sich betrachtet kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet, durch eine einheitliche unternehmerische Entscheidung quasi wie eine Klammer getroffen worden sind. Dies war nach den Sachverhaltsfeststellungen des LAG aber gerade nicht der Fall.