Welche Änderungen im Arbeitsrecht planen die „Ampelparteien“?

 

730x300 § und viele liegende Fragezeichen

Bereits am 24. November haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP den ausgearbeiteten Koalitionsvertrag vorgelegt. Unter dem Punkt “IV. Respekt, Chancen und soziale Sicherheit in der modernen Arbeitswelt” sind im Unterpunkt “Arbeit” die Ziele der Ampelkoalition zu finden. 

Aber welche Neuregelungen sind zu erwarten? Auf was müssen sich Betriebsräte einstellen?

Als übergeordnetes Ziel bestimmt der Koalitionsvertrag zum Punkt „Arbeit“, eine moderne Arbeitswelt zu gestalten, dabei berufliche Chancen zu ermöglichen sowie Sicherheit und Flexibilität in Einklang zu bringen. Den vollen Text finden Sie hier.

Die wichtigsten Punkte:

Mitbestimmung

  • Die betriebliche Mitbestimmung soll digitaler werden, digitales Arbeiten der Betriebsräte soll ausgebaut werden. Betriebsräte sollen künftig selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten.
  • Betriebsratswahlen sollen – nach einer erfolgreichen Erprobung in einem Pilotprojekt – auch online stattfinden können.
  • Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung wird künftig als Offizialdelikt eingestuft, d. h. wird auch ohne Strafantrag von den Staatsanwaltschaften verfolgt werden können.
  • Bei der Unternehmensmitbestimmung soll die missbräuchliche Umgehung geltenden Rechts eingedämmt werden. Die Flucht in SE-Gesellschaften soll nicht mehr den Vorteil bieten, dadurch Mitbestimmung vollständig vermeiden zu können.

Arbeitszeit

  • Es bleibt grundsätzlich beim Acht-Stunden-Tag im Arbeitszeitgesetz.
  • Ausnahme: Im Rahmen von Tarifverträgen soll eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit erlaubt sein und ebenfalls nur auf tariflicher Grundlage sollen begrenzte Möglichkeiten geschaffen werden, hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit vom Arbeitszeitgesetz abzuweichen. Das will die Ampelkoalition zunächst in Experimentierräumen erproben.

Homeoffice

  • Es soll eine Neuauflage des „Mobile-Arbeit-Gesetzes“ geben: Die Inhalte, die bereits in den vorgelegten Referententwürfen der GroKo enthalten waren, sind nun wieder aufgegriffen worden.
  • Homeoffice wird als eine Möglichkeit der mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung abgegrenzt. Zur gesunden Gestaltung des Homeoffice sollen im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen erarbeitet werden.
  • Es soll einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten geben, dem Wunsch der Beschäftigten darf nur widersprochen werden, wenn betriebliche Belange entgegenstehen und eine Ablehnung darf nicht sachfremd oder willkürlich sein.
  • Mobiles Arbeiten soll problemlos europaweit möglich sein.

Mindestlohn

  • Der Mindestlohn wird – wie von der SPD und den Grünen schon vor der Wahl versprochen – auf zwölf Euro angehoben.
  • Anschließend soll wieder die Mindestlohnkommission über künftige Anhebungen entscheiden.

Geringfügige Beschäftigung („Minijobs“)

  • Die Minijob-Grenze soll sich künftig an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden orientieren, was bei zwölf Euro Mindestlohn eine neue Minijobgrenze von 520 Euro im Monat ergibt.
  • Die Einhaltung geltenden Arbeitsrechts soll bei den Minijobs in Zukunft stärker kontrolliert werden.

Befristung (mit Sachgrund)

  • Zur Verhinderung unbegrenzter Kettenbefristungen soll die Befristung mit Sachgrund beim selben Arbeitgeber auf maximal sechs Jahre begrenzt werden.
  • Dagegen bestehen zur sachgrundlosen Befristung keine Pläne (etwa zur Eingrenzung der Zeiträume).

Weiterbildung: Bildungsteilzeit, BAföG, Qualifizierungsgeld

  • Durch Einführung einer Bildungsteilzeit (nach österreichischem Vorbild) soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren können, um in der so gewonnenen Zeit einen Berufsabschluss nachzuholen oder sich beruflich weiter zu qualifizieren. Voraussetzung hierfür wird eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten sein.
  • Geplant ist zudem ein „Lebenschancen-BAföG“, wonach Bürger künftig auf einem Freiraumkonto ein Bildungsguthaben ansparen können, das für selbstbestimmte Weiterbildung ausgegeben werden kann.
  • Unternehmen im Strukturwandel erhalten die Chance, durch ein Qualifizierungsgeld, das ähnlich dem Kurzarbeitergeld ausgestaltet werden soll, die Beschäftigten während des strukturellen Wandels durch Qualifizierung im Betrieb zu halten und benötigte Fachkräfte auszubilden.

Tarifautonomie

Die zuletzt stark zurückgegangene Tarifbindung soll gestärkt werden bzw. es sollen Anreize zum Abschluss von Tarifverträgen geschaffen werden.

  • Öffentliche Aufträge sollen nur noch an tarifgebundene Unternehmen gehen.
  • Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz sollen nur möglich sein, wenn ein Tarifvertrag das regelt.
  • Die „Flucht“ aus bestehenden Tarifverträgen soll gebremst werden, beispielsweise dadurch, dass bei Betriebsausgliederungen die Fortgeltung der Tarifverträge festgeschrieben wird.

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Der bereits bestehende hohe Arbeits- und Gesundheitsschutz soll den neuen Herausforderungen in der sich wandelnden Arbeitswelt angepasst werden.

  • Insbesondere der psychischen Gesundheit soll ein höherer Stellenwert eingeräumt werden und es soll ein Mobbing-Report erarbeitet werden.
  • Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen bei Prävention und Umsetzung des Arbeitsschutzes besser unterstützt werden.
  • Das Betriebliche Eingliederungsmanagement soll gestärkt werden.
Seminartipps