Wir alle wissen: Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern beträgt immer noch 21 %, ist viel zu hoch und hat viele Ursachen. Eine der weniger bekannten und weniger breit diskutierten Ursachen der Entgeltlücke ist die Mutterschaft. Doch aktuelle Studien belegen eindeutig: Frauen verdienen weniger als Männer und Mütter weniger als kinderlose Frauen. Die Entgelteinbuße ist besonders hoch, wenn die Kinder unter sieben Jahren alt sind und sie wächst, wenn die Elternzeit länger als 12 Monate dauert. Gesellschaft, Unternehmen und Politik müssen dazu beitragen, diese Benachteiligung von Müttern abzuschaffen.
In einer Studie für das Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut (WSI) wurden Einkommensdaten aus den Jahren 2003 bis 2015 analysiert. Die Berechnungen ergaben, dass Frauen mit einer Elternzeit von bis zu 12 Monaten nach ihrer Rückkehr in den Beruf 6,5 % weniger pro Stunde verdienten. Dauerte die Elternzeit länger als 12 Monate, erzielten sie sogar ein um 9,8 % geringeres Entgelt als vorher. Die Ursachen liegen nach den Autorinnen der Studie zum einen in negativen Vorurteilen, durch die Müttern pauschal ein geringeres Arbeitsengagement und geringere Karriereorientierung unterstellt wird. Zum anderen sind Frauen häufig gezwungen, auf Stellen zu wechseln, die eine bessere Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen ermöglichen, auch wenn sie schlechter bezahlt sind. Wird auch der Arbeitgeber gewechselt, geht dies häufig erst recht mit Einkommenseinbußen einher, weil firmen- und stellenspezifisches Wissen verlorengeht. Sind Frauen nach der Elternzeit wegen ihrer Familienpflichten auf Teilzeitarbeit angewiesen, so ist dies häufig nur auf weniger anspruchsvollen Positionen ohne Karriereperspektive möglich - eine weitere Ursache der Entgelteinbußen von Müttern.
Wenn Frauen von festen Arbeitszeiten zu Gleitzeit wechseln, erleichtert das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fördert die Produktivität und erleichtert berufliches Engagement. Die Entgelte von Frauen stiegen nach der Studie des WSI erwartungsgemäß an, wenn sie von festen Arbeitszeiten zu Gleitzeit wechselten, nämlich um 4,5 % pro Stunde. Waren die Frauen jedoch Mütter und hatten länger als 12 Monate Elternzeit genommen, sank ihr Entgelt bei einem Wechsel in Gleitzeit hingegen um 16 %. Die Autorinnen sehen darin einen Hinweis dafür, dass Mütter, die flexible Arbeitszeitmodelle für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nutzen, nicht als engagierte, produktive und qualifizierte Arbeitskräfte angesehen werden und Karriere- und Entgeltnachteile in Kauf nehmen müssen.
Einkommenseinbußen durch Mutterschaft sind nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern leider ein europäisches Phänomen. Das European Institute for Gender Equality (EIGE) errechnete für alle EU-Staaten den Gender Pay Gap in verschiedenen Lebensphasen. Die Entgeltlücke, bezogen auf das Netto-Einkommen, betrug im Durchschnitt aller Lebensphasen 31 %. Am höchsten war sie bei Paaren mit Kindern unter sieben Jahren. Dort verdienten Mütter nämlich 48 % weniger als ihre Partner.
Wie können Entgelteinbußen von Müttern verhindert werden? Die Studie des EIGE fordert, Maßnahmen der flexiblen Arbeits(zeit)gestaltung stärker mit Fragen der Gleichstellung der Geschlechter zu verbinden. Die Autorinnen der WSI-Studie sehen ein geändertes, progressives Geschlechterbild in der Gesellschaft und politische Maßnahmen als notwendig an. Zu den politischen Maßnahmen zählen sie die Abschaffung des Ehegattensplittings, die Verlängerung der Partnermonate bei der Elternzeit und das Recht auf Familienarbeitszeit.