Die ersten 100 Tage nach der Wahl

 

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Aufbau einer effektiven Interessenvertretung

Der neue Betriebsrat ist gewählt. Nun gilt es, die Übernahme durch das neue Gremium möglichst reibungslos zu gestalten und die Weichen für die künftige Arbeit zu stellen.

Die ersten 100 Tage, sie sind nicht nur für Politiker*innen bedeutsam, sondern auch für den neuen Betriebsrat die Zeit, sich richtig aufzustellen und eine Basis für seine zukünftigen Aufgaben zu schaffen. Ziel des neuen Betriebsrats wird es sein, von Belegschaft und Arbeitgebenden möglichst schnell als eine handlungsfähige Arbeitnehmervertretung wahrgenommen zu werden. Neben den notwendigen Formalitäten, gehört es zu den ersten Schritten, folgende Aufgaben strukturiert anzugehen:

Ein schlagkräftiges Betriebsratsteam formen

    - Kompetenzen und Interessen der Betriebsratsmitglieder berücksichtigen, Aufgaben verteilen
    - Ämter und Arbeitsgruppen besetzen
    - Planung der Arbeitsorganisation (möglichst viele an der Arbeit beteiligen)
    - Überblick über die Arbeit und Ergebnisse des vorhergehenden Gremiums verschaffen
    - Terminierung von Gremium- und Ausschusssitzungen
    - Erstellung eines Jahreskalenders mit wichtigen Eckdaten des Unternehmens und des Betriebsrats (Betriebsferien, Betriebsversammlungen, Großereignisse)
    - Grundlagenschulung für alle neuen Gremiumsmitglieder
    - Abstimmung über Erwartung und Zielsetzung: Klausurtagung

Das Gremium sollte ein möglichst gutes Team werden. Voraussetzung dafür ist die gemeinsame Erarbeitung von tragfähigen Strategien und Zielen. Dafür sollte sich jedes Gremium ausreichend Zeit nehmen. Eine Klausurtagung bietet dem neuen Betriebsrat den optimalen Rahmen für die Teamentwicklung und die Planung der zukünftigen Betriebsratsarbeit. Hier werden auch mögliche Konflikte - wie z. B. Spannungen aufgrund von Mehrheitsverhältnissen - angesprochen und bearbeitet. Dabei gilt, je größer das Gremium, umso mehr Zeit sollte man sich für die Teamfindung nehmen.

Ein Verhältnis „auf Augenhöhe“ zum Arbeitgebenden aufbauen

Da der Betriebsrat wesentlichen Einfluss auf die Abläufe und Entscheidungen im Betrieb nehmen kann, ist auch für den/die Arbeitgeber*in eine kooperative Zusammenarbeit von großer Bedeutung. Darum steht am Anfang das gegenseitige Kennenlernen und der Aufbau einer funktionierenden Arbeitsbeziehung. Wichtige Punkte in dem Zusammenhang sind:

    - Persönliches Kennenlernen, persönlicher Austausch zwischen beiden Parteien
    - Rollenverteilung zwischen Geschäftsführung, Personalabteilung etc. klären
    - Anstehende Regeltermine und Kommunikationsgrundsätze für schriftliche oder sonstige Kommunikation (Online-Konferenzen etc.) klären
    - Absprache zu Regelprozessen (z. B. von Anhörungen gemäß § 99 BetrVG) sowie Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten
    - Vereinbarung von Prinzipien und Verhaltensweisen, um ein gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und zu stärken
    - Gemeinsame zukünftige Gestaltungsaufgaben/Themen im Unternehmen besprechen
    - Konflikte aus der vorangegangenen Amtszeit benennen, lösungsorientierte Gesprächsbereitschaft signalisieren

In der Regel ist die Arbeitgeberseite rhetorisch versiert. Um als Gesprächs- und Verhandlungspartner auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden, ist es gerade für neugewählte Betriebsratsmitglieder empfehlenswert, ihre kommunikativen Kompetenzen durch entsprechende Trainings und Seminare zu erweitern. Aber auch für erfahrene Betriebsräte ist es notwendig, verschieden Facetten der Kommunikation regelmäßig zu trainieren.

Ein Vertrauensverhältnis zu den Beschäftigten schaffen

In den ersten 100 Tagen sollte die Kommunikation mit der Belegschaft auf den richtigen Kurs gebracht werden. Die Kolleg*innen möchten mit ihren unterschiedlichen Anliegen und Problemen Gehör finden, aber auch über die Arbeit des Betriebsrats informiert werden.

Schon von Anfang an sollte das Gremium diesem entscheidenden Aspekt der Betriebsratsarbeit große Aufmerksamkeit schenken und die Art und Weise der Information der Belegschaft sorgfältig planen.

    - Vorstellung des neuen Gremiums mit Aufgabenverteilung
    - Möglichkeiten zum ständigen Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen schaffen
    - Erfolgreiche Kommunikation trainieren, von Einzelgesprächen bis zur Betriebsversammlung
    - Wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit aufbauen
    - Erste Betriebsversammlung durchführen, Vorhaben und thematische Schwerpunkte vorstellen

Die Anforderungen an die betriebliche Mitbestimmung werden immer komplexer, nicht jedem Thema kann man sich in allen Details widmen. Darum ist der Aufbau einer effektiven Interessenvertretung mit klaren Zielen und Strategien ein Muss. Wer in den ersten 100 Tagen ein solides Fundament gelegt,

    - seine Rechte kennt,
    - stabile Beziehungen zu Arbeitgeber und Belegschaft hergestellt,
    - und ein schlagkräftiges Team geformt hat,

hat schon viel erreicht und ist für die anstehenden Aufgaben und Konflikte gut gerüstet.

Der Betriebsrat ist nun in der Lage zu agieren, statt nur auf die Handlungen des Arbeitgebenden zu reagieren und vom Tagesgeschäft überrollt zu werden. Erst dadurch kann er eigene Vorhaben vorantreiben und eine aktive Rolle bei der Mitgestaltung im Unternehmen einnehmen.

Effektive Betriebsratsarbeit erreicht man aber nicht allein durch die Berücksichtigung von Tipps und Tools. Entscheidend sind letztendlich die beteiligten Menschen, die Art und Weise, wie sie Probleme angehen, zusammenarbeiten und mit Konflikten umgehen. Hier muss jedes Gremium seinen individuellen Weg finden, damit Betriebsratsarbeit nicht nur erfolgreich ist, sondern auch Freude macht.

Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Start in die (neue) Amtszeit!