Relevante Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht 2026 – was Betriebsräte jetzt wissen müssen

Das Jahr 2026 wird für Betriebsräte ein entscheidendes Jahr: Zahlreiche arbeits- und sozialrechtliche Reformen treten in Kraft oder befinden sich auf der Zielgeraden. Viele dieser Entwicklungen gehen weit über Detailfragen hinaus und betreffen zentrale Felder der Mitbestimmung – etwa Entgeltgestaltung, Arbeitszeit, Digitalisierung, Einsatz von KI-Systemen, Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und nicht zuletzt die Vorbereitung der Betriebsratswahlen 2026. Gleichzeitig führt die Umsetzung wichtiger EU-Richtlinien zu weitreichenden neuen Rechten für Beschäftigte und Betriebsräte. Der folgende Beitrag fasst – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die wichtigsten Änderungen und erwartbaren Entwicklungen zusammen und zeigt, wo Betriebsräte frühzeitig aktiv werden sollten.

1. Mindestlohn und Entgelttransparenz: Stärkere Anforderungen an faire Vergütung

Ab dem 1. Januar 2026 steigt der gesetzliche Mindestlohn auf 13,90 Euro pro Stunde. Für Betriebe mit vielen niedrig vergüteten Tätigkeiten bedeutet das nicht nur höhere Lohnkosten, sondern auch eine mögliche Verdichtung der unteren Entgeltgruppen. Betriebsräte sollten frühzeitig prüfen, ob Eingruppierungen und Zulagenmodelle angepasst werden müssen, um ungewollte Gleichmachungseffekte („Lohngruppen-Zusammenschieben“) zu verhindern.

Parallel verschärft sich der Druck auf diskriminierende Vergütungssysteme. Die Rechtsprechung zum Equal Pay hat bereits 2025 klargestellt, dass zur Begründung einer Entgeltbenachteiligung der Vergleich mit nur einem oder einer besserverdienenden Kolleg*in ausreichen kann. Dies stellt Arbeitgeber vor erhöhte Anforderungen an transparente und nachvollziehbare Entgeltstrukturen.

Diese Entwicklung wird durch die EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die bis zum 7. Juni 2026 umzusetzen ist, erheblich verstärkt. Sie verpflichtet Arbeitgeber unter anderem zur Offenlegung von Einstiegsentgelten, zur Einführung erweiterter Auskunftsrechte für Beschäftigte und – abhängig von der Unternehmensgröße – zu strukturierten Entgeltberichten. Für Betriebsräte entsteht daraus ein mächtiges Instrumentarium, um Entgeltgleichheit aktiv einzufordern und überarbeitete oder neue Entgeltordnungen mitzugestalten.

2. Arbeitszeit und Zeiterfassung: Das Ende der dokumentationsfreien Vertrauensarbeitszeit

Schon heute ist klar: Die vollständige Arbeitszeiterfassung wird verpflichtend. Zwar lässt das neue Arbeitszeitgesetz weiterhin auf sich warten, doch die Rechtsprechung von EuGH und BAG verpflichtet Arbeitgeber bereits jetzt zu einem systematischen Zeiterfassungssystem. 2026 wird der Gesetzgeber voraussichtlich detaillierte Vorgaben im Arbeitszeitgesetz festschreiben – einschließlich einer elektronischen Erfassung als Regelfall.

Betriebsräte stehen hier im Zentrum der Mitbestimmung: Einführung, Ausgestaltung und Datenschutzfragen elektronischer Arbeitszeitsysteme unterliegen dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Darüber hinaus arbeitet die Politik an flexibleren Arbeitszeitmodellen, etwa einer stärkeren Orientierung an Wochenarbeitszeiten statt täglichen Höchstgrenzen. Für Betriebsräte bedeutet das, bestehende Arbeitszeit-Betriebsvereinbarungen auf Zukunftsfähigkeit und Vereinbarkeit mit Gesundheitsschutz und Belastungsgrenzen zu prüfen.

3. KI, algorithmische Steuerung und der EU-AI-Act: Neue Pflichten und Mitbestimmungsrechte ab August 2026

Der EU-AI-Act führt erstmals ein umfassendes Regulierungsregime für Künstliche Intelligenz ein. Systeme, die Mitarbeitende bewerten, auswählen oder steuern, gelten künftig als „Hochrisikosysteme“ – darunter fallen Tools zur Bewerbendenauswahl, Schichtplanung, Leistungsanalyse oder algorithmischen Arbeitszuweisung.

Ab dem 2. August 2026 müssen Arbeitgeber für solche Systeme unter anderem:

  • eine Risikoanalyse durchführen,
  • Transparenz- und Dokumentationspflichten erfüllen,
  • kontinuierliche Überwachungsmechanismen implementieren,
  • Beschäftigte und deren Vertretungen rechtzeitig einbinden.

Für Betriebsräte bedeutet dies eine deutliche Stärkung ihrer Rolle bei digitalisierten Entscheidungsprozessen. Bereits vorhandene IT- oder KI-Betriebsvereinbarungen müssen überprüft werden, um den neuen Anforderungen zu entsprechen. Zudem verstärkt die begleitende Rechtsprechung – wie das EuGH-Urteil „Workday“ – die Bedeutung datenschutzkonformer Ausgestaltungen solcher Systeme.

4. Plattformarbeitsrichtlinie: Neue Statusfragen und Mitbestimmung bei algorithmischer Steuerung

Die EU-Plattformarbeitsrichtlinie, die voraussichtlich bis Ende 2026 umgesetzt werden muss, bringt grundlegende Veränderungen für Beschäftigte in Plattform- und Crowdworking-Arbeitsformen. Kernpunkt ist eine widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses, wenn bestimmte Kriterien der Eingliederung und Steuerung erfüllt sind. Das betrifft besonders logistik- und lieferbasierte Plattformen, aber auch Branchen, die externe Solo-Selbstständige in digitale Prozesse eingebunden haben.

Für Betriebsräte entsteht dadurch die Chance, den Beschäftigtenstatus und damit Mitbestimmungsreichweite zu erweitern. Zusätzlich verpflichtet die Richtlinie Arbeitgeber zu höherer Transparenz bei algorithmischer Steuerung. Informationen über KI-basierte Bewertungssysteme müssen künftig offengelegt werden – ein klarer Zugewinn an Kontroll- und Gestaltungsrechten.

5. Beschäftigung Älterer und Aktivrente: Neue Modelle ab 2026

Ein weiteres zentrales Reformfeld betrifft die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmender. Mit dem voraussichtlich ab 2026 geltenden Aktivrenten-Modell sollen Beschäftigte, die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten möchten, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen können. Für viele Betriebe mit Fachkräftemangel eröffnet dies neue Perspektiven, erfahrene Mitarbeitende länger zu binden.

Parallel soll das Befristungsrecht flexibilisiert werden: Künftig könnte das Anschlussverbot sachgrundloser Befristung für Personen, die das Rentenalter überschritten haben, gelockert werden. Betriebsräte müssen hier aufmerksam bleiben, um Risiken von Kettenbefristungen zu erkennen und entgegenzuwirken.

6. Betriebsratsvergütung und Betriebsratswahlen 2026: Organisation und Rechtssicherheit

Die Änderungen zur Betriebsratsvergütung aus 2024 wirken 2026 unmittelbar: Arbeitgeber müssen Vergleichsgruppen sauber dokumentieren, um Strafbarkeitsrisiken auszuschließen. Betriebsräte sollten dies im eigenen Interesse kritisch begleiten.

Zudem finden zwischen 1. März und 31. Mai 2026 die nächsten turnusgemäßen Betriebsratswahlen statt. Obwohl über digitale oder hybride Wahlverfahren politisch intensiv diskutiert wurde, ist nicht davon auszugehen, dass bis 2026 ein allgemeines Online-Wahlverfahren zur Verfügung steht. Wahlvorstände sollten daher frühzeitig bestellt und die Wahl organisatorisch vorbereitet werden – insbesondere in Unternehmen mit standortübergreifenden Strukturen oder hoher Remote-Arbeitsquote.

2026 wird zum Schlüsseljahr für die Mitbestimmung

Die Vielzahl an Änderungen zeigt: 2026 markiert einen Wendepunkt für die betriebliche Mitbestimmung. Digitalisierung, Transparenzanforderungen, neue Arbeitsmodelle, der Einsatz von KI und die Neuordnung zentraler sozialrechtlicher Leistungen verlangen von Betriebsräten eine aktive, strategische Rolle. Je früher sie sich vorbereiten, desto besser können Betriebsräte Entwicklungen aktiv gestalten und Beschäftigte kompetent unterstützen. 2026 bietet dafür nicht nur Herausforderungen, sondern auch neue Chancen für mehr Fairness, Transparenz und moderne Arbeitsbedingungen.

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