Betriebsrat 2024 Beiträgen

Der Spion der aus der Leitung kam. Beschluss des LAG Baden-Württemberg vom 23.01.2013 Az. 13 TaBV 8/12

Nach der ganzen Aufregung um die Leiharbeitnehmer, wollen wir uns wieder in die Niederungen der täglichen Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber begeben.

Thema: Internetzugang. Diesmal geht es aber nicht darum, dass der Betriebsrat überhaupt einen Internetzugang haben möchte, sondern er möchte einen besonderen Zugang.
Doch zur Sache. Unser Betriebsrat hatte seit 1997 einen externen Internetzugang über eine ISDN-Verbindung  im sog. Internet by call Verfahren. Kennt die noch einer? Zumindest fiel einem IT-Mitarbeiter der Arbeitgeberin dies im Jahre 2011 auf. Also rund 14 Jahre später. Grund war wohl, dass für den Internetzugang des Betriebsrats im Jahr 2011 Kosten von ca. 2.000 EUR entstanden sind. Nachdem die Arbeitgeberin dies erfahren hatte, teilte sie dem Betriebsrat mit, dass dieser nunmehr den Internetzugang über das firmeninterne Netzwerk nutzen kann. Zusätzliche Kosten entstünden hierfür nicht. Eigentlich in Ordnung. Finde sogar ich. „Unser“ Betriebsrat war damit aber nicht einverstanden und verlangte einen „abhörsicheren“ Internetzugang, also einen externen Zugang mit einer Flatrate. Die monatlichen Kosten hätten rund 20 EUR betragen. Der Betriebsrat begründete seinen Wunsch mit seinem Geheimhaltungsinteresse, und dieses wiederum überwiege das Kosteninteresse der Arbeitgeberin. Die Frage ist also, ob der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Übernahme der Kosten für den externen Internetanschluss verlangen kann. Dies wäre der Fall, wenn die Kosten i. S. v. § 40 Abs. 2 BetrVG erforlich sind. Sind sie aber nicht. Nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg erfüllt die Arbeitgeberin die Informations- und Kommunikationsbedürfnisse des Betriebsrats, wenn sie diesem einen kostenlosen Internetzugang über das firmeneigene Intranet verschafft. In der Vergangenheit hatte die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht überwacht, noch gedenkt sie, dies in Zukunft zu tun. Anm. des Verfassers: Was anderes hätte ich an Stelle der Arbeitgeberin aber auch nicht gesagt. Man stelle sich einmal vor, die Arbeitgeberin erklärt vollmundig, dass sie den Betriebsrat zukünftig überwachen möchte.
Dennoch besteht im vorliegenden Fall nur die abstrakte Möglichkeit einer Überwachung. Und das reicht nicht aus.
Die Arbeitgeberin bewies zudem durchaus Humor und wies daraufhin, dass der Betriebsrat mit seiner Argumentation dann auch noch ein abhörsicheres Telefon, eine Chiffriermaschine oder Suchgeräte für elektronische Abhörgeräte im Betriebsratsbüro verlangen könne.

Das Urteil gibt es wie fast immer hier. Spionageequipement gibt es …

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Pressemitteilung des BAG Nr. 18/13 vom 13.03.2013

Soeben flattert mir die Pressemitteilung Nr. 18/13 vom BAG auf den Schreibtisch. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der siebte Senat des BAG entschieden, dass in der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten des § 9 BetrVG im Entleiherbetrieb mitzählen. Dies ergibt, so das BAG, eine an Sinn und Zweck der Schwellenwerte orientierte Auslegung des Gesetzes.

Die Pressemitteilung gibt es hier.

Bei den Leiharbeitnehmern tut sich was.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

BAG, Urteil vom 17.10.2012 Az.: 5 AZR 792/11

Die AGB-Kontrolle ist nicht mein Ding. War sie noch nie.
Im nachfolgend skizzierten Fall hatte ein Arbeitnehmer mit den AGBs auch nicht gerade das größte Glück. Problem war aber eigentlich, dass er etwas vereinbarte, was er später wohl bereute. Und zwar eine Änderungsvereinbarung zu seinem Arbeitsvertrag. Doch der Reihe nach. Unser Arbeitnehmer war von 1989 bis 2011bei der Beklagten (die Arbeitgeberin) als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Zuletzt erhielt er im März 2009 einen Stundenlohn von 12,28 EUR brutto. Ein Tarifvertrag existiert nicht. Die Arbeitgeberin schloss ab April 2009 mit dem Kläger (unserem Arbeitnehmer) sowie mit etlichen anderen, immer gleichlautende Änderungsvereinbarungen. Inhalt dieser Änderungsvereinbarungen war im Wesentlichen, dass die Arbeitnehmer 3 Prozent mehr Stundenlohn bekommen und sich die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden erhöht.Problem war nur, dass von diesen 40 Stunden nur noch 35 Stunden in der Woche vergütet werden. Fünf Stunden sind also für lau. Meinte zumindest der Kläger. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Überstunden, die über 40 Stunden wöchentlich hinausgehen, weiterhin regulär vergütet werden.
Es kommt, was kommen musste. Der Arbeitnehmer erhob im Dezember 2010 Klage und verlangte Zahlung von 3.482,60 EUR brutto. Er berief sich darauf, dass das Verlangen nach unbezahlter Arbeit sittenwidrig sei. Die Beklagte habe ihm signalisiert, dass sie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke und befristet Kosten sparen müsse. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Die Revision zum BAG wurde zugelassen. Auch das BAG war der Ansicht, dass die Arbeitsleistung zwischen der 36. und 40. Stunde nicht zu vergüten sei. Bei der Änderungsvereinbarung handelt es sich zwar um eine AGB (Allgemeine Geschäftsbedingung) nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Die vorliegende Klausel regelt aber nur den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung und unterliegt somit keiner Inhaltskontrolle nach dem AGB. Nach Ansicht des BAG unterliegt das „Preis-/Leistungsverhältnis“ nicht der AGB-Kontrolle. Aufgabe des Gerichts ist es nicht, den „gerechten Preis“ der Arbeit zu ermitteln. Nach Ansicht des BAG liegt auch keine Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB vor, da es vorliegend an einem auffallenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt. Vorliegend ist es nämlich nicht so, dass der Kläger fünf Stunden umsonst gearbeitet hat, sondern sich lediglich sein Stundentgelt pro Monat verringert hat. Wir können es aber mal durchrechnen.
12,28 + 3% = 12,65 EUR pro Stunde x 35 Stunden pro Woche = 442,75 EUR pro Woche / 40 Stunden = 11,07 EUR pro Stunde.
Das Arbeitsentgelt des Klägers hat sich also auf 11,07 EUR pro Stunde reduziert. Das dieses Stundenentgelt weniger als zwei Drittel der tarifüblichen Vergütung beträgt, hat der Kläger nicht behauptet.  Hätte aber an den Erfolgsaussichten der Klage wahrscheinlich nicht viel geändert.
Letztlich berief sich der Kläger noch darauf, dass die Änderungsvereinbarung nicht befristet wurde und daher sittenwidrig sei. Den Vertragsparteien steht es aber grundsätzlich frei, eine verschlechtrene Änderung der Vergütung zu befristen oder unbefristet zu vergüten.

Nun denn, der Preis war halt doch nicht so heiß.

Das Urteil gibt es hier.

 

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Das Einigungsstellenverfahren nach § 109 BetrVG - oder geht es auch schneller

Wirtschaftsausschuss und Einigungsstelle sind für den Betriebsrat sicherlich eine wichtige Sache.
Ob für den Unternehmer, weiß ich nicht. Zum Thema verweise ich hier gerne auf den „Blog Reuter: Arbeitsrecht“ und hoffe, der Autor ist deswegen nicht böse. Dennoch ist das Einigungsstellenverfahren ein Verfahren, das durchaus Zeit und Geld kostet. Das Geld des Unternehmers und die Zeit von beiden, also Betriebsrat und Unternehmer. Und da Zeit bekanntermaßen Geld ist, ist die Einigungsstelle gleich doppelt teuer. Da kommt man gerne mal auf die Idee, sich doch direkt an das Arbeitsgericht zu wenden. § 109 BetrVG wird doch schnell übersehen. Denn danach ist die Einigungsstelle darüber zuständig, ob eine vom Wirtschaftsausschuss verlangte Auskunft überhaupt, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt zu erteilen ist. Diese Zuständigkeit können die Beteiligten (Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat und Unternehmer) nicht dadurch umgehen, dass sie sich wegen der Berechtigung des Auskunftsverlangens direkt an das Arbeitsgericht wenden. So sprach das LAG Frankfurt/Main am 10.12.1985 in der Sache 4 TaBV 139/85.

Auf welche Idee könnte man aber noch kommen, wenn der Unternehmer sicher weigert, die Unterlagen an den Wirtschaftsausschuss herauszugeben. Wir könnten daran denken, dass der Betriebsrat die Vorlage der Unterlagen nach §  80 Abs. 2 BetrVG verlangt. Doch diesen Gedanken sollten wir schnell wieder verwerfen. § 109 BetrVG ist die speziellere Regelung und geht daher vor. Wir merken uns also die folgende Formel: Wirtschaftsausschuss + Unternehmer + Meinungsverschiedenheiten = Einigungsstelle § 109 BetrVG

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Das BAG zur Frage der Sachverständigenhinzuziehung.

Entscheidungen zum Wirtschaftsausschuss sind meistens doch schon recht alt. Dennoch sollte man sich durchaus auch mal mit älteren Entscheidungen befassen, insbesondere dann, wenn sie noch aktuell sind und es keine neueren Entscheidungen gibt. So wie in diesem Fall. Aus aktuellem persönlichen Anlass möchte ich an dieser Stelle eine kleine Reihe zum Thema Wirtschaftsausschuss starten. Beginnen möchte ich mit einer Entscheidung aus dem Jahr 1978. Also brandaktuell. 🙂 Vorliegend geht es um die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Wirtschaftsausschuss. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses muss gem. § 108 Abs. 2 Satz 3 i. V.  mit § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erforderlich sein. Die Erforderlichkeit ist dabei eine Rechtsfrage und keine Ermessensfrage. Im Streitfall entscheiden die Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren. Antragsberechtigt ist in diesem Fall der Betriebsrat bzw. der Gesamtbetriebsrat.
Aufgabe des Sachverständigen ist es dabei, dem Wirtschaftsausschuss bei der Beurteilung einer konkreten aktuellen Frage, die fehlenden fachlichen Kenntnisse zu vermitteln. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist aber nur dann erforderlich, wenn der Wirtschaftsausschuss seine gesetzlichen Aufgaben ohne die Hilfe des Sachverständigen nicht ordnungsgemäß erfüllen kann. Zu beachten ist hierbei aber, dass die Mitglieder gem. § 107 Abs. S. 3 BetrVG für die Aufgabenerfüllung eine „fachliche und persönliche“ Eignung haben sollen (nicht müssen). Dies hebt die Hürde für die Hinzuziehung eines Sachverständigen schon ein wenig. Zur Erläuterung eines Jahresabschlusses bedarf es deswegen nicht ohne weiteres der Hinzuziehung eines Sachverständigen. Hier müssen besondere Gründe für die Notwendigkeit dargelegt werden.

An dieser Stelle mal kein Link zum Urteil, da ich es im Internet nicht gefunden habe. Ist schon zu alt.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.01.2013 10 Sa 1809/12

Dienstwagen sind schon eine feine Sache. Doch die Probleme treten immer dann auf, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird und der Arbeitgeber den Wagen gerne wieder hätte. So auch im nachfolgenden Fall, wobei man schon jetzt sagen muss, dass die Klägerin eigentlich alles richtig gemacht hat. Wir wollen den Fall hier nicht in allen Einzelheiten wiedergeben. Nur so viel, dass die Arbeitnehmerin dauerhaft arbeitsunfähig krank war oder ist und die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristgerecht kündigte. Warum und wieso ist erstmal nicht so wichtig. Die Arbeitnehmerin besaß einen Dienstwagen, den sie auch privat nutzen konnte. Die Arbeitgeberin forderte die Arbeitnehmerin auf, alle ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und Schlüssel zurückzugeben. Daraufhin schickte die Frau eine Botin, um den Dienstwagen nebst Zubehör, zahlreiche Schlüssel sowie sonstigen Kram zu übergeben. Eine Mitarbeiterin nahm jedoch lediglich einen Schlüsselbund (nicht den Schlüssel des Dienstwagens) und einen Chip entgegen. Warum nicht den KfZ-Schlüssel entzieht sich unser aller Kenntnis. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis nun noch mal fristlos und verlangte letztmalig die KfZ-Schlüssel nebst Papieren zurückzugeben. Im anschließenden Rechtsstreit verlangte sie widerklagend Schadensersatz wegen Nichtherausgabe des Dienstwagens bzw. der KfZ-Schlüssel. Einen solchen Schadensersatzanspruch verneinte das LAG Berlin-Brandenburg. Zwar hat die Beklagte (die Arbeitgeberin) grundsätzlich einen Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB. Dem kann aber ein Recht zum Besitz auf seiten der Klägerin (die Arbeitnehmerin) gem. § 986 BGB entgegenstehen, was vorliegend auch der Fall ist. Die Klägerin leitet ihr Recht zum Besitz aus einer konkludenten Nebenabrede zum Arbeitsvertrag ab. Inhalt dieser Nebenabrede war die Überlassung des PKW auch zur privaten Nutzung. Fraglich ist jedoch, ob dieser Anspruch noch besteht. Hierfür muss man wissen, dass es sich bei der Privatnutzung um einen geldwerten Vergütungsanspruch handelt. Der Besitzanspruch setzt also einen Vergütungsanspruch voraus. Entfällt dieser, so entfällt auch der Besitzanspruch. Im konkreten Fall endete der Vergütungsanspruch mit Ablauf der Entgeltfortzahlungspflicht, so dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Besitz des PKW`s hatte. Die Beklagte hatte also einen Anspruch auf Herausgabe des PKW und somit ggf. auch einen Schadensersatzanspruch, da sich die Klägerin weiterhin im Besitz des PKW befand. Die Frage ist nur, wo die Herausgabe stattfinden muss. Und hier hilft uns § 269 BGB. Danach ist Ort der Leistung (Herausgabe des PKW) der Wohnsitz des Schuldners (hier die Arbeitnehmerin, da sie ja den Wagen herausgeben muss). Auch die Natur des Arbeitsverhältnisses gebietet hier nichts anderes. Die Klägerin war während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet im Betrieb zu erscheinen. Also verbleibt es bei der Holschuld der Beklagten. Somit besteht auch kein Anspruch auf Schadensersatz.

Das Urteil gibt es hier.

Schönes Wochenende! 🙂

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Und wer da sucht, der findet... Matthäus - Kapitel 7

Google, Bing und jetzt auch Yandex sind schon tolle Erfindungen. Man gibt einen Suchbegriff ein und wird gefunden. Auch wenn man manchmal gar nicht gefunden werden möchte. Interessant ist aber auch, wonach gesucht wird und was dann als Ergebnis angezeigt wird. Ich schaue deshalb immer mal gerne bei meinem Hoster unter den „searchstrings“ nach. Und was musste ich da heute morgen entdecken? „Krank durch Mettbrötchen“. Mir war bis dato nicht bewusst, dass ich jemals einen Artikel über gesundheitsverändernde Mettbrötchen geschrieben habe. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Ich habe doch tatsächlich mal über Mettbrötchen geschrieben. Aber in einem anderen Zusammenhang. Dort ging es um die Verpflegung während einer Betriebsversammlung. Die Enttäuschung des Suchenden muss groß gewesen sein. Noch größer war aber bestimmt die Enttäuschung desjenigen, der nach“guten Pornoseiten“ gesucht hat und scheinbar bei mir landete. Damit kann ich nicht dienen. 😉 Anatomisches Anschauungsmaterial gibt es woanders…
Diesbezügliche Anfragen also bitte nicht an mich stellen.

Kuriositäten Recht für Betriebsräte

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.11.2012 15 Ta 2066/12

Zugang einer E-Mail?!? Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas problematisch sein kann. Irgendwann habe ich mal gelernt, dass der Absender den Zugang beim Empfänger beweisen muss. Man möge mich korrigieren, wenn ich mich irre. Es entzieht sich nun meiner Kenntnis, warum das bei digitaler Post (E-Mail) anders sein soll. Aber ich habe ja das LAG Berlin-Brandenburg auf meiner Seite. Dann kann ja nichts mehr passieren. Doch zur Sache. Der Antragsteller (nicht der Kläger, da es erst um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geht) hat sich beim Antragsgegner auf eine Stellenausschreibung in einem Internetportal per E-Mail beworben. Er drückt auf versenden und weg war sie. Eine Fehlermeldung erhielt er nicht. Die Stellenanzeige war zudem auch noch AGG-Kritisch, da von einem „jungen Team“ die Rede war. Soweit so gut. Was macht man nach einer Bewerbung? Man wartet. Und das häufig vergeblich. In diesem Fall war es ähnlich. Der Antragsteller erkundigte sich später erneut per E-Mail beim Unternehmen. Dieses wusste jedoch von keiner E-Mail. Die Bewerbungsmail sei nie angekommen. Was nun? Man klagt. Und weshalb klagt man? Natürlich! Verstoß gegen das AGG und somit Schadensersatz nach § 15 Abs. 2 AGG. Was denn sonst. 🙂 Der Antragsteller berief sich u. a. darauf, dass der Hinweis „deutsch Muttersprache“ eine Diskriminierung wegen der Herkunft sei. Doch darüber musste das LAG Berlin-Brandenburg nicht entscheiden. Der Antrag auf Gewährung von PKH wurde zurückgewiesen. Auf das AGG konnte sich der Bewerber nicht berufen, da er ja nicht zum Bewerberkreis gehörte. Es fehlte der Nachweis, dass seine E-Mail beim Antragsgegner angekommen ist. Der Auffassung des Antragstellers, dass es ausreiche, wenn er selbst das Absenden nachweisen könne, wollte das LAG Berlin-Brandenburg nicht so wirklich folgen. Denn eine E-Mail geht nach Auffassung des Gerichts zu, wenn sie in die Mailbox des Empfängers oder des Providers abrufbar gespeichert wird. Beweisen muss den Zugang derjenige, der sich darauf beruft. Auch für den Beweis des ersten Anscheins reicht es nicht aus, wenn der Erklärende die Absendung beweisen kann. Eine Lesebestätigung hätte dem Antragsteller hier wohl geholfen. Doch die lag nicht vor. Also alles doch irgendwie wie bei der analogen Post. Zugang bleibt Zugang. Ob nun digital oder analog.

Die digitale Technik hat uns diesmal eine weitere AGG-Auseinandersetzung erspart.

Den Beschluss gibt es hier.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Pressemitteilung des BAG Urteil vom 05.03.2013 1 AZR 417/12

Betriebsvereinbarungen machen vieles möglich und manches unmöglich. So auch das Arbeiten für immer. Soeben flattert mir die Pressemitteilung Nr. 14/13 auf den Tisch und ich muss zu meinem Erstaunen oder auch Entsetzen lesen, dass sich tatsächlich ein Arbeitgeber gegen eine Betriebsvereinbarung „wehrt“, die das Ende des Arbeitsverhältnisses mit erreichen des 65. Lebensjahres vorsieht. Der Mann wollte doch wirklich noch länger arbeiten. Da machte ihm unser BAG aber einen Strich durch die Rechnung und schützte des Mannes wohlverdienten langen Ruhestand. Betriebsrat (hier der Gesamtbetriebsrat) und Arbeitgeber können in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung (Gesamtbetriebsvereinbarung) eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln. Zwar müssen dabei stets die Grundsätze von Recht und Billigkeit  i. S. v. § 75 Abs. 1 BetrVG beachtet werden. Diese sind aber gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist auch keine, die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängende einzelvertragliche Regelung, so das BAG in seiner Entscheidung vom 05.03.2013.

Was lernen wir aus diesem Urteil nicht? Wir lernen nicht, dass ab 65 keine Altersdiskriminierung mehr möglich ist. Vielmehr lernen wir, dass Betriebsvereinbarungen halt doch manches unmöglich machen.

Ich vergaß. Der Arbeitnehmer hatte im August 2007 seinen 65. Geburtstag.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

LAG Hamm Urteil vom 08.11.2012 Az. 15 Sa 1094/12 zur Frage der Unverzüglichkeit im Sinne des § 91 Abs. 5 SGB IX

Kündigungen sind sicherlich das arbeitsrechtliche Dauerthema. Daher auch an dieser Stelle mal wieder was zur Kündigung. Diesmal aber nichts zu den Gründen, sondern zur Frage der Unverzüglichkeit i. S. d. § 91 Abs. 5 SGB IX. Anhand dieser Vorschrift erkennt man auch schon recht leicht, dass es vorliegend um die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen geht. Dieser war zudem laut Tarifvertrag ordentlich unkündbar, so dass der Arbeitgeber auf das Mittel der außerordentlichen Kündigung zurückgriff. Ich möchte den Sachverhalt hier mal sehr stark verkürzt wiedergeben, da nicht alles für die Entscheidung relevant ist. Der Arbeitgeber beantragte beim LWL-Integrationsamt Westfalen mit Datum vom 23.01.2012 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers. Das Integrationsamt erteilte durch Bescheid vom 06.02.2012, dem Arbeitgeber am 07.02.2012 zugegangen, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 10.02.2012, dem Arbeitnehmer am 14.02.2012 zugegangen, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

Und mehr brauchen wir nicht. Zwischen der Erteilung der Zustimmung und dem Zugang der Kündigung liegen sieben Tage. Die Frage lautet also, sind 7 Tage unverzüglich i. S. d. § 91 Abs. 5 SGB IX. Denn dieser verlangt, dass die Kündigung unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt werden muss. Zu klären ist zudem noch, ob unter „Erklären“ im Sinne des Gesetzes der Zugang der Kündigung zu verstehen ist, oder nur der Ausspruch der Kündigung. Dieser Auffassung war zumindest der Arbeitgeber. Wobei das LAG dieser Auffassung nicht folgen konnte. Erklären i. S. d. § 91 Abs. 5 BetrVG bedeutet Zugang gem. § 130 BGB. Dem Arbeitnehmer wurde die Kündigung also erst am 14.02.2012 erklärt. Damit bleibt es weiterhin bei sieben Tagen. Und dies ist nach § 91 Abs. 5 SGB IX nicht mehr unverzüglich, so das LAG Hamm. Denn unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Aus diesem Grund ist die Kündigung auch verspätet zugegangen. Der Arbeitgeber, hier eine Körperschaft mit 1600 Beschäftigten, konnte auch keine plausiblen Gründen für die Verzögerung anbringen. Insbesondere der Argumentation, dass eine Verwaltungsorganisation dieser Größe einen geordneten Geschäftsgang nach Maßgabe einer rechtssicheren Verwaltung benötige, um „Schnellschüsse“ zu vermeiden und somit Verzögerungen entstehen, wollte das LAG nicht folgen. Auch der Ansicht, dass der Arbeitgeber hier eine gewisse Überlegungsfrist in Anspruch genommen habe, war für die Entscheidung nicht erheblich. Schließlich konnte der Arbeitgeber nicht darlegen, welche Überlegungen er denn zu welchem Thema angestellt hat. Es blieb also dabei, dass die Kündgung schon aus den o.g. Gründen unwirksam war. Das Urteil zeigt einmal mehr, dass Kündigungen aus den unterschiedlichsten Gründen unwirksam sein können. Es bedarf also in jedem Fall einer genauen Betrachtung des jeweiligen Sachverhaltes.

Das Urteil gibt es hier.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte