Schlagwort: <span>Pflichtverletzung</span>

Mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. September 2023, Aktenzeichen 22 CA 1097/23, ist eine neue Entscheidung zum Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ergangen. Streitig war die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Allgemein

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Eine Lese- und Rechtschreibschwäche (früher auch Legasthenie genannt) ist keine Pflichtverletzung. Eine Pflichtverletzung ist es aber, wenn ein Betriebsratsvorsitzender auf einer -Achtung! jetzt kommt es- BETRIEBSVERSAMMLUNG aus einem Bewerbungsschreiben eines Mitarbeiters mit Lese- Rechtschreibschwäche vorliest. Der Fall ist eigentlich ganz einfach. Die Arbeitgeberin beschäftigte einen -aufgrund einer Lese- und Rechtschreibschwäche schwer vermittelbaren- Arbeitnehmer. Die Agentur für Arbeit förderte den bis Ende 2011 befristeteten Arbeitsplatz. Ende 2011 sprach die Arbeitgeberin betriebsbedingte Kündigungen aus, um die dann frei gewordenen Arbeitsplätze anschließend deutlich geringer vergütet erneut auszuschreiben. Es mag sein, dass diese Vorgehensweise einen schalen Beigeschmack hat, doch das soll an dieser Stelle ausnahmsweise nicht von Belang sein. Der Mitarbeiter mit Lese- und Rechtschreibschwäche bewarb sich per Email auf eine der freigewordenen Stellen. Der Betriebsrat widersprach jedoch der beabsichtigten Einstellung. Damit noch nicht genug. Vielmehr verlas der Betriebsratsvorsitzende auf der anschließenden Betriebsversammlung einen Auszg aus der Bewerbungsmail des Mitarbeiters unter Hinweis, dass es nicht angehe, qualifizierten Mitarbeitern zu kündigen und andere unqualifizierte Mitarbeiter auf solche Arbeitsplätze einzustellen. Mit den „unqualifizierten Mitarbeitern“ meinte er natürlich „unseren“ Mitarbeiter mit Lese- und Rechtschreibschwäche. „Unser“ Betriebsratsvorsitzender besaß aber zumindest den Anstand, den Mitarbeiter nicht namentlich zu nennen. Na, immerhin!! Dennoch handelt es sich hier um eine Verletzung der Amtspflichten des Betriebsratsvorsitzenden, da dieser nicht berechtigt war, das Wissen aus seiner Betriebsratstätigkeit öffentlich zu machen. Der Mitarbeiter war nämlich anhand des ebenfalls vorgelesenen Lebenslaufes recht leicht zu identifizieren und bekam dadurch die Einstufung als „billige Arbeitskraft“. Das LAG Düsseldorf sah in dem Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden einen schweren Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflichten eines Betriebsrats. Ein Bewerber muss sich darauf verlassen können, dass seine Bewerbungsschreiben nicht wörtlich auf einer Betriebsversammlung vorgelesen werden.

Letztlich hat das LAG Düsseldorf den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat gem. § 23 Abs. 1S. 1 BetrVG bestätigt. Nachvollziehbar. Muss sogar ich sagen. Manchmal ist weniger mehr. Und wenn man gerne vorliest, dann seinen Kindern oder Enkelkindern. Die freuen sich.

Das Urteil gibt es wie immer hier.

LAG Düsseldorf Beschluss vom 09.01.2013 12 TaBV 93/12

 

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte