Hand drauf – mit oder ohne Handschlag?

HandschlagUmgangsformen sind wichtig. Das haben uns schon unsere Eltern beigebracht – den meisten von uns jedenfalls. Freundlich grüßen, sich vorstellen, Hände schütteln…so ist das formelle Prozedere, wenn wir einen Raum betreten. Ist der Handschlag jedoch wirklich notwendig und überhaupt sinnvoll? Oder ist er einfach nur typisch deutsch?

Als vor einiger Zeit der Fall eines jungen Muslims durch die Presse ging, der seiner Lehrerin den Handschlag verweigerte, war die öffentliche Empörung groß. Der Muslim begründete dies mit seiner Religion, dass er Frauen nicht berühren möchte, was keineswegs respektlos sei, sondern von Respekt zeuge, weil er ihnen keine Berührung aufzwängen möchte. Denn diese fänden sie möglicherweise unangenehm. Eine abwertende Geste sei dies keineswegs.

Viele Ärzte oder Mitarbeiter im Gesundheitswesen verzichten auch auf den Handschlag, denn dadurch werden viele Krankheitserreger übertragen. Und der Handschlag ist sicherlich nicht die einzige Art, sich freundlich und respektvoll zu begrüßen: Franzosen und Südeuropäer geben sich ein Küsschen (oder auch 2 oder 3), die Japaner umarmen sich und manch einer lächelt einfach nur freundlich und legt die Hand aufs Herz.

Können wir im Zeitalter der Globalisierung wirklich verlangen, dass man sich in Deutschland zur Begrüßung die Hände zu schütteln hat? Ein Recht auf Händeschütteln gibt es schließlich nicht – im Gegensatz zu bestimmten Rechten aus dem Allgemeinen Gleichhandlungsgesetz (AGG). Dort steht, dass niemand z.B. aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden darf, wenn er z.B. Arbeitsverträge abschließt. Wenn allerdings ein Schüler seiner Lehrerin nicht die Hand schüttelt hat das keine rechtlichen Auswirkungen und kann deshalb auch nicht geahndet werden.

In unserem Grundgesetz steht, dass jeder seine Religion frei ausüben darf. Wenn dadurch niemand gestört wird, sollte grundsätzlich auf religiöse Empfindungen Rücksicht genommen werden. Und unser Grundgesetz sieht auch keine strikte Trennung zwischen Staat und Religion vor, Religionsgemeinschaften dürfen sich im öffentlichen Leben einbringen.

Arbeitsrechtlich ist aber nach wie vor nicht abschließend geklärt, ob der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, einem Angestellten zu kündigen, wenn dieser den Handschlag aus religiösen Gründen verweigert. Dazu müsste auch definiert werden, für welche Berufe ein Handschlag zwingend erforderlich ist, oder ob nicht ein verbaler Gruß verbunden mit einem Lächeln ausreichend sei. Dies dürfte schwierig sein. Schließlich kann der Arbeitgeber ggf. auch die Möglichkeit einer Versetzung in einen Arbeitsbereich ohne Kundenkontakt prüfen.

Hand aufs Herz: Ist es nicht eigentlich egal, wie wir uns begrüßen – Hauptsache es ist respektvoll und freundlich?

Ein Kommentar

  1. Dagaz said:

    Ich vermute, dass die Probleme hierbei eher im Habitus zu suchen sind als in der ideologischen Begründung des Verhaltens:
    Die häufigste (von mir in der Praxis vorgefundene) Form dies Habitus ist: Man darf der Frau nicht die Hand schütteln, weil es verboten ist. Auf die Frage nach dem Warum kommt dann entweder, dass es verboten ist, weil es verboten ist (also eine Form von religiösem Kadavergehorsam) oder die Vorstellung, dass man(n) sich nicht mit der Minderwertigkeit der Frau beschmutzen will. Dabei scheint es vollkommen egal zu sein, wo das religiöse Gebot seinen Ursprung hat. Die betreffenden sind ja schließlich „einfach nur Muslime, die ihren Glauben ausleben wollen“ und keine Religionsgelehrten.

    Es wäre daher wünschenswert, wenn über genau solche Tehmen mehr diskutiert würde und dier eigentliche Zweck relfektiert würde. (Das gilt für die christlichen Kirchen in gleicher Weise! Das Zölibat beispielsweise ist von seinem Zweck her auch vollkommen überholt…) Wenn eine Frau einem Mann die Hand reicht, dürfte das kaum ein „Aufdrängen“ einer Berührung darstellen. Wenigstens nicht durch den Mann. Wäre das also der tatsächliche Hintergund für das Gebot, dürfte es begründet gebrochen werden – und zwar ohne schlechtes Gewissen.

    5. August 2016
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