Betriebsrat 2024 Beiträgen

LAG Düsseldorf vom 26.03.2013 Az. 17 Sa 602/12

Na sowas! Vor mir, nein neben mir liegen rund 63 Seiten Urteil. Davon sind rund 32 Seiten Tatbestand und, wie kann es mathematisch anders sein, 31 Seiten Entscheidungsgründe. Um es gleich vorweg zu nehmen, ich habe den Tatbestand nicht gelesen, allenfalls, aber auch wirklich nur allenfalls, überflogen. Es geht, wie unschwer zu erkennen ist, um Mobbing. Nichts Neues also. Ich habe auch die Entscheidungsgründe nicht wirklich gelesen. Das Urteil befasst sich auf 31 Seiten damit, warum dieses oder jenes Verhalten keinen Schmerzensgeldanspruch begründet. Gelesen habe ich aber auf Seite 34. Und dort steht etwas, was mich doch „überrascht“ hat. 😉  „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw.einen oder mehrere Arbeitskollegen.

„Insofern muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene… ein absolutes Recht des Arbeitnehmers iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat.“ 

Mobbing wird „als systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“ (BAG 15.01.1997 – 7 ABR 14/96 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118) oder „fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweise, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen”, verstanden.“

Ferner führt das LAG Düsseldorf aus, dass bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen.

Entscheidend sei eine objektive Betrachtungsweise und nicht das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers.

Die Berufung der Arbeitnehmerin/Klägerin blieb erfolglos.

Mit hat mal jemand gesagt, dass es keine Arbeit gibt, bei der es nicht irgendwann mal zu Auseinandersetzungen mit Kollegen oder Vorgesetzen kommt. Diese müsste erst erfunden werden. Wohl war! Dennoch ist unbestritten, dass es Mobbing-Fälle gibt. Wer etwas anderes behauptet, verkennt die Realität.

Wer viel Zeit hat, kann das Urteil hier nachlesen.

Schönes Wochenende!

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

LAG Hessen v. 15.02.2013 Az. 14 SaGa 1700/12

Die Mitbestimmung bei Kündigungen ist immer so eine Sache. Arbeitgeber mögen die Vorschrift eigentlich gar nicht so gerne. Aus Arbeitgebersicht verständlich. Aber eben nur aus dieser. Was geht es schließlich den Betriebsrat an, wen ich kündige. Aus diesem Grund wird der Betriebsrat auch gerne mal übergangen, wenn es um dieses Thema geht. Mit unangenehmen Folgen. Dies zeigt uns § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Ja so ein Mist! 🙂 Auf der anderen Seite tun sich Betriebsräte schwer, wenn sie ihren Widerspruch begründen sollen. Nicht selten wird einfach auf § 102 Abs. 3 Nr. 1-5 BetrVG verwiesen. Such dir einen aus, der passt schon irgendwie. Leider reicht das nicht so wirklich. Das LAG Hessen hat sich im o. g. Urteil ein wenig mit dieser Problematik beschäftigt. Ein Arbeitnehmer, beschäftigt als Produktionsleiter Autogentechnik sollte gekündigt werden. Zu diesem Zweck wurde auch der Betriebsrat angehört. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung und verwies darauf, dass man den Arbeitnehmer als Serviceleiter weiterbeschäftigen könne und berief sich auf § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Dies hielt das LAG Hessen für nicht ausreichend. Dem LAG zufolge ist ein Widerspruch dann ordnungsgemäß erklärt, wen er sich einem der Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 Nr. 1-5 BetrVG zuordnen lässt. Er muss geeigneten Tatsachenvortrag enthalten. Erforderlich ist also, dass die vom Betriebsrat zur Begründung seines Widerspruchs angeführten Tatsachen es als möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe vorliegt, ohne dass andererseits der Widerspruchsgrund schlüssig vorgetragen sein müsste. Aha!! Anm. des Verfassers: Mit dem schlüssig Vortragen ist das halt immer so eine Sache. Lieber macht man es luschig. Ausreichend ist letztlich, dass die vom Betriebsrat  angeführten Tatsachen zusammen mit anderen Tatsachen einen Widerspruchsgrund ergeben könnten. Die Weiterbeschäftigung als Serviceleiter würde demnach unter § 102 Abs. 3 Nr. 3, 4 und 5 BetrVG fallen. § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG scheidet nach Auffassung des LAG Hessen aus. Denn diese Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer ohne zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen und zu veränderten Vertragsbedingungen weiterbeschäftigt werden kann. Dies war vorliegend nicht der Fall, da der Betriebsrat selbst vortrug, dass für die Stelle als Serviceleiter eine Einarbeitung von neun Monaten erforderlich gewesen wäre. Nach Auffassung des Gerichts ist dies nicht mehr zumutbar im Sinne § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG, da die Einarbeitungszeit die maximal zulässige Probezeit von sechs Monaten um drei Monate überschreitet und dies auch nach dem Arbeitsvertrag nicht mehr zumutbar sei. Das Gericht war zudem auch der Auffassung, dass es sich bei der Stelle als Serviceleiter um eine Position als leitender Angestellter handelt, für die eine Vertragsänderung erforderlich gewesen wäre. Somit sind wir bei § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG. Doch hier fehlte es am Einverständnis des Arbeitnehmers. Damit war auch diese Nummer gegessen.

Wie hätte das LAG Hessen wohl entschieden/beschlossen, wenn der Betriebsrat nichts zur Dauer der Einarbeitungszeit gesagt hätte. Und der Arbeitgeber vielleicht auch nicht. Prüfen wir einmal… Aber nicht mehr heute.

Den Beschluss gibt es hier.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

"Gut behauptet ist besser als schlecht bewiesen."

Fragt man einmal einen Betriebsrat, warum er sich für dieses Amt „entschieden“ hat, sind die Antworten doch meist unterschiedlich. Am häufigsten findet man die Antwort, dass man sich als Betriebsrat für das Wohl der Belegschaft und des Betriebes einsetzen möchte. Seltener oder gar nicht findet man die s und S Antwort. S… und Seminar! Was hinter dem ersten S steckt, verrate ich nicht. Allenfalls per Blackberry Pin. 🙂
Ein eher seltener Grund ist wohl auch die Freude am Abhalten von Betriebsversammlungen. Im vorliegenden Fall hatte der dreiköpfige Betriebsrat eines Restaurants auch nicht die große Lust, Betriebsversammlungen zu planen, geschweige denn, durchzuführen. Nun ja. Ein Betriebsrat hat natürlich noch andere Aufgaben. „Leider“ sieht aber das Gesetz in § 43 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor, dass der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen hat. Doch was passiert, wenn man das nicht macht. Eigentlich gar nichts. Außer die Arbeitgeberin sucht jede Möglichkeit den Betriebsrat los zu werden. Und hierfür gibt es § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Danach kann der Arbeitgeber die Auflösung des Betriebsrats verlangen, wenn dieser seine Pflichten grob verletzt hat. Zu prüfen ist also, ob der Betriebsrat hier seine Pflichten grob verletzt hat, indem er seit seiner Wahl keine Betriebsversammlungen einberufen hat. Neun hätten es ein müssen. Dies sah das Arbeitsgericht Hamburg so und fand, dass die fortgesetze Verletzung des Anspruchs der Belegschaft auf kontinuierliche Unterrichtung, die weitere Amtsausübung untragbar macht. Das Gericht konnte auch nicht erkennen, dass der Betriebsrat seitens der Arbeitgeberin an der Durchführung der Betriebsversammlungen gehindert wurde. Zwar behauptete er dieses, trug dazu aber nicht weiter vor. (Anmerkung des Autors: Grrr. Wenn ich das immer lese!) Anwaltlich vertreten? Also nach dem guten alten Grundsatz: „Gut behauptet ist besser als schlecht bewiesen.“
Im Ergebnis wurde dem Auflösungsantrag der Arbeitgeberin statt gegeben.

(Wenn ich meine obigen Zeilen so lese, habe ich das Gefühl, ich habe die Seiten gewechselt. Arrrg! Das muss sich ändern.)

Den Beschluss gibts hier. ArbG Hamburg, Beschluss v. 27.06.2012 Az. 27 BV 8/12

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

...oder was ich alles nicht wusste.

Der Zoo als Tendenzbetrieb

An dieser Stelle erstmal vielen Dank an den beck-blog für den Artikel über die Mitarbeiter im Berliner Zoo. Und natürlich an meine Kollegin, die mich auf diesen Beitrag aufmerksam gemacht hat. Liest man so einen Beitrag, so stellt sich natürlich immer die Frage, was ist für einen persönlich daran wichtig. Ist es die Tatsache, dass die Mitarbeiter des Berliner Zoos gestreikt haben? Sind es die niedrigen Löhne der Tierpfleger? Oder, dass trotz des Streiks im Zoo alles reibungslos ablief. Nein. Dies alles ist sicherlich auch interessant, aber nicht so interessant, wie die für mich neue Erkenntnis, dass zoologische Gärten Tendenzbetriebe im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sein können. Als ordentlicher Jurist (zu denen ich sicherlich nicht gehöre) schaue ich also mal ins Gesetz und mache mich mit den Tatbestandvoraussetzungen des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vertraut.

Auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend

1. politischen – Die Tierpartei? Passt nicht. Parteien sind weder Unternehmen noch Betriebe
2. koalitionspolitischen – siehe oben
3. konfessionellen – katholisch, evangelisch, tierisch… Unsinn!
4. karitativen – Blutspendedienst der Tiere? Nein. Der DRK-Blutspendedienst ist auch nicht karitativ. Siehe hier.
5. erzieherischen – Die Häschenschule (Albert Sixtus). Könnte passen, wenn sie denn privat ist.
5. wissenschaftlichen – dazu später
6. künstlerischen – malende Tiere? Auch nicht wirklich.

Bestimmungen dienen, finden die Vorschriften des BetrVG teilweise keine Anwendung.

Jetzt weiß ich aber, dass laut dem BAG zoologische Gärten Tendenzbetriebe im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sein können, soweit sie dazu bestimmt sind, Erkenntnisse über Tierbiologie zu gewinnen oder Methoden der Arterhaltung zu erforschen oder zu entwickeln. Es dürfte sich also um Wissenschaft handeln.
Wieder was gelernt. Und die Häschenschule ist es also doch nicht.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Hier kann mann lesen, dass Bill Gates, der Gründer von Microsoft, erstmals seit dem Jahr 2010 wieder der reichste Mensch der Welt ist.Laut einem Zwischenbericht des Finanzdienstleisters Bloomberg und des Magazins Forbes führt Bill Gates wieder die Liste der reichsten Menschen der Welt an. Forbes schätzt das Vermögen von Gates auf 69,9 Milliarden US-Dollar, Bloomberg sogar auf 72,7 Milliarden Dollar. Na, das ist doch mal was. Und nun stellen wir uns die Frage aller Fragen. Macht Geld glücklich? Fragen wir jemanden außerhalb seiner Arbeitszeit, so wird er sagen, dass Geld natürlich nicht glücklich macht. Viel wichtiger sind doch Gesundheit und Liebe. Fragen wir ihn während seiner Arbeitszeit, so wird er sagen, dass ohne Kohle gar nichts geht. Man arbeite ja schließlich nicht für Luft und Liebe. So sieht es im Übrigen auch das Gesetz.

Dort steht in § 611 BGB „…, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.“ Dort steht eben nicht: „…, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Gesundheit und Liebe verpflichtet.“

In § 612 BGB heißt es, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Da steht nicht, dass Gesundheit und Liebe als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen Gesundheit und Liebe zu erwarten ist.

Was lernen wir daraus? Bill Gates ist ein gesetzestreuer und glücklicher Mensch. Er wusste was im BGB steht.

 

Kuriositäten

Was muss ich gerade auf der juristischen Master-Seite www.focus.de lesen: Der Gemobbte (nicht Gemoppte) muss das Mobbing beweisen, wenn er Schmerzensgeld haben möchte. So hat zumindest das LAG Rheinland-Pfalz (Az.: 11 Sa 731/11) entschieden. Im vorliegenden Fall fühlte sich ein Pfleger gemobbt. Seinen Kollegen warf er vor, dass sie ihn als unentschuldigt ins Gruppenbuch eingetragen hätten, obwohl er sich doch krankgemeldet hatte. Pfui!!! Dann wurde er auch noch von seinem Arbeitgeber durch einen Detektiv überwacht. Dieser hatte einen GPS-Sender am Fahrzeug des Pflegers montiert. Nochmal Pfui!!! Dabei fand man heraus, dass der Pfleger während seiner Krankschreibung auf einer Baustelle arbeitete. Ist auch Pfui!!! Das LAG Rheinland-Pflaz entschied, dass der Arbeitgeber weder die Detektei benennen muss, noch die Unterlagen herausgeben muss. Der Kläger müsse das Mobbing beweisen um seinen Entschädigungsanspruch zu begründen. Andernfalls würde dies die Beweislast umkehren. Richtig!! Also nicht Pfui!!!

War es nicht schon immer so, dass derjenige, der einen Entschädigunsganspruch geltend macht, Grund und Höhe beweisen muss. Oder irre ich mich?? Das wäre dann auch Pfui!!!

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Urlaubsabgeltung… dachte sich ein Arbeitnehmer, nachdem er sich durch gerichtlichen Vergleich eine Abfindung in Höhe von 11.500,00 EUR „sicherte“, im Gegenzug natürlich aber wechselseitig auf alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, verzichtet wurde. Der arbeitsrechtliche Vergleichsklassiker halt. Insofern nicht wirklich von großem Interesse. Interessant mag allenfalls sein, dass der Arbeitnehmer später wohl feststellte, dass ihm noch Urlaubsabgeltungsansprüche aus den Jahren 2006 bis 2008 in Höhe von 10.656,72 EUR zustehen würden. Diese machte er dann auch gerichtlich geltend. Zunächst auch erfolgreich. Das zuständige Landesarbeitsgericht gewährte ihm Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.543,60 EUR. Der vorerst fiktive Geldsegen währte jedoch nicht lange. Denn die von der Beklagten eingelegte Revision führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Das BAG stellte fest, dass der Arbeitnehmer (hier der Kläger) wirksam auf seine Urlaubsabgeltung verzichtet habe. Zwar kann gem § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht von der Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Diese Regelung verhindert jedoch nur einzelvertragliche  Abreden, die das Entstehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausschließen. Im vorliegenden Fall hattte der Arbeitnehmer aber die Möglichkeit, Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen. Sieht er davon ab, steht auch Unionsrecht (Welches??) einem Verzicht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung nicht entgegen.

OK!?! Was lernen wir daraus?
1. Lieber öfter mal Urlaub nehmen.
2. Dieser Vergleich war wohl nicht wirklich ein Vergleich.
3. Das Problem wurde hier zwar klar definiert, aber eben nicht gelöst.
4. Ich mag Unionsrecht nicht.

Die Pressemitteilung gibt es hier.

 

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Beschluss des LAG Baden-Württemberg v. 21.03.2013 Az. 6 TaBV 9/12

Die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG ist etwas, was Arbeitgeber nicht so gerne sehen. Hat doch der Betriebsrat hier tatsächlich die Möglichkeit, einer Einstellung zu widersprechen. Voraussetzung ist natürlich, dass Gründe vorliegen, weshalb man der Einstellung widerspricht. Solche Gründe findet man im Gesetz. Anmerkung des Verfassers: Wo auch sonst! Wer einen Grund aber auf der Straße findet, der möge sich bei mir melden. Ich baue das dann unverzüglich in meine Seminare ein. „Unser“ Betriebsrat hat seinen Grund nicht auf der Straße gefunden, sondern im Gesetz und zwar in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Danach besteht ein Grund zur Zustimmungsverweigerung, wenn die Maßnahme (also die Einstellung) gegen ein Gesetz verstößt. Hintergrund dieser Suche ist, dass die Firma UPS so eine Art „Dreischicht-Teilzeit-max. 17 Stunden-ohne Möglichkeit auf mehr-Modell“ fährt. Vereinfacht gesagt, beschäftigt die Firma UPS am Standort Ditzingen Arbeitnehmer nur in einer von drei Schichten mit einer Wochenarbeitszeit von 17 Stunden. Wer mehr machen will, hat Pech. Arbeitszeiterhöhungen auf 34 Stunden, also zwei Schichten am Tag, lehnt das Unternehmen ab. Auch neue Arbeitnehmer sollten nur auf Einschicht-Arbeitsplätze mit max. 17 Stunden pro Woche eingestellt werden. Und hier kommt nun der Betriebsrat ins Spiel. Dieser macht von seinem Recht der Zustimmungsverweigerung Gebrauch und verwies auf  § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrvG. Das Konzept Arbeitnehmer nur in Teilzeit zu beschäftigen, verstößt gegen § 9 TzBfG. Danach hat ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen. Und da es im vorliegenden Fall offensichtlich etliche freie Arbeitsplätze gab -ansonsten hätte UPS ja nicht vorgehabt, jemanden einzustellen- hätte man diesem Wunsch nachkommen müssen. Tat man aber nicht, so dass der Betriebsrat in über einhundert Fällen seine Zustimmung erfolgreich verweigerte.

Was lernen wir daraus? Einiges! Aber das sage ich hier nicht.

Den Beschluss des LAG Baden-Württenberg gibt es hier.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

BAG Urteil v. 20.12.2012 Az. 2 AZR 32/11

Die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen einer ordentlichen Kündigung ist nicht immer einfach zu vermitteln. Vielleicht ist dieser nicht mehr ganz taufrische Fall aber hilfreich. Vorliegend gehts es um einen alkoholabhängigen Suchttherapeuten. Wer jetzt glaubt, dass dies ein Widerspruch an sich ist, der sollte bedenken, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wenn der Therapeut über eigene Erfahrungen verfügt. Er sollte nur eben „trocken“ sein. Bei einem „untrockenen“ (der Begriff ist unfachmännisch – ich weiß) Therapeuten könnte es dann doch gegebenenfalls mal zu merkwürdigen Begebenheiten kommen. Dies dürfte nachvollziehbar sein. Ebenso werden Mobbing-Seminare auch nicht von erfahrenen Mobbern gehalten. Geschweige denn, dass hier ausgeklügelte Mobbingstrategien erarbeitet werden. Alles Gerüchte und völliger Unsinn. Das Thema ist im Übrigen viel zu wichtig, um darüber Späße zu machen. Doch zurück zu „unserem“ Therapeuten. Dieser war als Ergotherapeut im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. Ziel dieser Therapie ist die Entwöhnung von Suchtmitteln. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“, was dem Beklagten -ein Verein, der eine Fachklinik für Suchterkrankungen betreibt- bei der Einstellung auch bekannt war. Allerdings ging man davon aus, dass der Kläger „trocken“ war. Ende 2006 kam es zu mehreren Rückfällen, auf die der Beklagte mit Abmahnungen reagierte. Von März bis April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die aber letztlich erfolglos blieb. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Im Gütetermin einigte man sich auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung sämtlicher Abmahnungen aus der Personalakte. Der Kläger wurde im Mai 2009 abermals rückfällig, so dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte.

Das BAG hielt die fristlose Kündigung für unwirksam, da es vorliegend an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB fehlt. Tatsachen, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, lagen nicht vor. Anders lag der Fall aber bei der ordentlichen Kündigung. Diese hielt das BAG für gerechtfertigt, da der Kläger aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr biete, seine Tätigkeit auf Dauer ordnungsgemäß zu erbringen. Das BAG sah hier eine Gefahr für die Patienten, wenn diese erkennen, dass ihr Therapeut alkoholisiert ist. Auch die erforderlich negative Prognose hielt das BAG für gegeben, da der Kläger bereits in der Vergangenheit mehrfach rückfällig wurde. Auch die Interessenabwägung fiel zugunsten des Beklagten, also des Arbeitgebers, aus. Diesem sind die Belastungen, die durch die Alkoholabhängigkeit des Klägers entstehen, auf Dauer nicht zuzumuten. Insbesondere besteht ein erhebliches betriebliches Interesse daran, die dem Beklagten anvertrauten Suchtkranken nicht in die Hände eines Therapeuten zu geben, bei dem die ständige Gefahr besteht, dass dieser während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht.

Nachvollziehbar…

Das Urteil gibt es hier.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

BAG Beschluss vom 13.03.2013 Az. 7 ABR 70/11

Betriebsratswahlen finden gem. § 1 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich in den Betrieben statt. Das dürfte allgemein bekannt sein, wobei es mit dem Begriff des Betriebes doch immer wieder Schwierigkeiten gibt. Ich möchte mich mit dem Thema hier aber erstmal nicht weiter befassen, sondern mein Augenmerk auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG richten. Danach können andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen gebildet werden, soweit dies aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernstruktur einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Aus diesem Grund schlossen zwei Arbeitgeberinnen aus dem Bereich des Eventmanagements zusammen weiteren verbundenen Unternehmen mit der Gewerkschaft ver.di  am 11. April 2002 einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen. Nach diesem wurden mehrere Betriebe an verschiedenen Standorten in Deutschland zu neun Wahlregionen zusammengefasst. Dort sollte jeweils ein Regionalbetriebsrat gegründet werden. Grund war, dass die Betriebe unternehmensübergreifend durch Regionalleitungen geführt wurden. Diese Leitungsstruktur wurde aber mit Wirkung ab 01. April 2004 aufgehoben. Dennoch wurde im Jahr 2004 erneut ein Tarifvertrag geschlossen, der abermals die Errichtung von Regionalbetriebsräten vorsah, auch wenn es diese Stukturen in den Unternehmen so schon gar nicht mehr gab.

Egal, wir ignorieren einfach die Wirklichkeit und machen munter weiter. So fanden auch im Jahr 2010 Betriebsratswahlen auf der Grundlage des Tarifvertrages von 2004 statt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitgeberinnen verlangten, die Betriebsratswahlen wieder auf der Grundlage der gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen (also nach dem Betriebsbegriff) durchzuführen, was in diesem Fall vollkommen richtig gewesen wären. Die Arbeitgeberinnen fochten daraufhin erfolgreich die Betriebsratswahl an. Das BAG vertrat die Auffassung, dass die Betriebsratswahlen ungültig waren, da der Tarifvertrag nicht mehr dem in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG genannten Zweck diene, nachdem im Jahr 2004 die Regionalleitungen abgeschaftt wurden.

Was lernen wir daraus? Im Zweifel auch mal auf den Arbeitgeber hören. Auch wenn es mir schwer fällt, das zu sagen. 🙂

Die Pressemitteilung gibt es hier. Den Beschluss hab ich noch nicht.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte