Textbausteine für BR-Geschäftsordnungen aufgrund der Neufassung des § 30 BetrVG - mit Inkrafttreten des Betriebsrätemoderisierungsgesetzes

 

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Nach der im Betriebsrätemodernisierungsgesetz vorgesehenen Neufassung des § 30 BetrVG sind die Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz in der Geschäftsordnung festzulegen. Zwingende Mindestinhalte einer solchen Festlegung sind:

  • Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung
  • Kein Widerspruch von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist
  • Sicherstellung, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Betriebsräte müssen entsprechende Vorschriften in ihre Geschäftsordnung aufnehmen oder – soweit noch nicht vorhanden – sich eine entsprechende Geschäftsordnung geben, um damit Beschlüsse mittels Video- und Telefonkonferenzen zu ermöglichen.

 

Formulierungs- und Gestaltungsvorschläge für entsprechende (Ergänzungen von) Geschäftsordnungen:

Grundsatz der Präsenzsitzung

  • Der Betriebsrat räumt der Präsenzsitzung grundsätzlich Vorrang ein. Nur so ist die Wahrnehmung von Körpersprache, Mimik oder Gestik gesichert und besteht auch die Möglichkeit für einen vertraulichen Einzelaustausch von einzelnen Betriebsratsmitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann.
  • Grundsätzlich sollen nur maximal x BR-Sitzungen im Monat/Jahr per Video- oder Telefonkonferenz stattfinden.
  • Die BR-Sitzung finden per Video- oder Telefonkonferenz statt, wenn es aus dringenden sachlichen Gründen nicht möglich ist, im Betrieb zu einer Präsenzsitzung zusammenzukommen. Ein solcher sachlicher Grund liegt insbesondere vor:
    • in Fällen, in denen die digitale Durchführung der Sitzung dem Arbeits- und Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder dient,
    • bei Anhörungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG,
    • bei Eintritt eines unvorhersehbaren Ereignisses, aufgrund dessen eine schnelle Beschlussfassung geboten ist.Allein die Dauer der Anreise für die Teilnahme an der Präsenz-Betriebsratssitzung stellt keinen Sachgrund für die Durchführung einer Video- oder Telefonkonferenz dar. 
  • Über die Durchführung der Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz entscheidet der/die Vorsitzende.
  • Jedes einzuladende Betriebs- und Ersatzmitglied, das an einer Video- oder Telefonkonferenz teilnimmt, hat dafür Sorge zu tragen, dass kein unbefugter Dritter vom Inhalt der Sitzung Kenntnis erlangt oder erlangen kann. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.

Widerspruch gegen das Abhalten von Video- und Telefonkonferenzen:

  • Der/die Vorsitzende weist mit der Einladung darauf hin, dass und in welcher Weise die Nutzung von Video- und Telefonkonferenz beabsichtigt ist und setzt eine angemessene Frist zum Widerspruch. Angemessen ist in der Regel eine Frist von … Tagen. Der Widerspruch hat gegenüber dem/der Vorsitzenden zu erfolgen. Er ist nicht formgebunden.
  • Wenn ¼ der BR-Mitglieder der virtuellen Durchführung widerspricht, hat der/die Betriebsratsvorsitzende eine Präsenz-Sitzung einzuberufen.

Teilnahmerechte SBV, JAV und Gewerkschaften:

  • Das Recht zur innerbetrieblichen (zum Beispiel §§ 32, 52, 59a für die jeweilige Schwerbehindertenvertretung oder § 67 für die Jugend- und Auszubildendenvertretung) wie außerbetrieblichen (zum Beispiel Gewerkschaftsmitglieder nach § 31) Teilnahme bleibt unberührt und ist auch für eine Teilnahme mittels Video- oder Telefonkonferenz sicherzustellen.

Dokumentation der Anwesenheit bei Video- und Telefonkonferenzen:

  • Jedes Betriebsratsmitglied, das per Video- oder Telefonkonferenz an der Betriebsratssitzung teilnimmt, bestätigt vor der Sitzung gegenüber dem/der Vorsitzende/n in Textform (i.d.R. per E-Mail),
    • dass es die Nichtöffentlichkeit wahrt, dass also nur teilnahmeberechtigte Personen in dem von ihnen genutzten Raum anwesend sind. Sobald nicht teilnahmeberechtigte Personen den Raum betreten, ist hierüber unverzüglich zu informieren.
    • dass es keine Bild-/Tonaufzeichnungen vornimmt und weist unverzüglich aktiv auf gegenüber dem Beginn/Ende der Betriebsratssitzung abweichende Anwesenheiten bzw. Anwesenheitsunterbrechungen hin.
  • Auf der Anwesenheitsliste wird bei einer virtuellen Teilnahme die Art der Teilnahme (per Video/Telefon) vermerkt. Nach der Sitzung bestätigen die virtuell teilnehmenden Mitglieder dem/der Vorsitzenden in Textform ihre Anwesenheitszeiten. Bei persönlicher Teilnahme erfolgt die Unterzeichnung auf der Anwesenheitsliste.

Betriebsratssitzung als Präsenzsitzung unter Teilnahme einzelner Mitglieder mittels Video- oder Telefonkonferenz (Hybridsitzung):

  • Eine Präsenzsitzung kann mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme einzelner Betriebsrats- oder Ersatzmitglieder mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden.
  • Für die Ansetzung und Durchführung der Hybridsitzung gelten die Regelungen in § … der Geschäftsordnung entsprechend.

Beschlussfassung bei virtuellen Sitzungen:

  • Der/die Vorsitzende stellt bei Teilnahme von Mitgliedern per Video- oder Telefonkonferenz zum Nachweis der Anwesenheiten und der Beschlussfähigkeit vor jeder Beschlussfassung die Teilnehmer namentlich fest. Die Abfrage, wie die per Video- oder Telefonkonferenz teilnehmenden Betriebsrats-/ Ersatzmitglieder abstimmen, erfolgt ebenfalls namentlich.
  • Die Beschlussfassung erfolgt bei hybriden Sitzungen, also bei Sitzungen, die aus anwesenden und virtuell zugeschalteten Mitgliedern bestehen, indem der/die Vorsitzende die BR-Mitglieder der Reihen nach befragt. Diese Antworten mit Zustimmung, Ablehnung oder enthalten sich.
  • Ein Betriebsratsmitglied kann verlangen, dass eine Abstimmung geheim stattfindet. Bei hybriden oder virtuellen Sitzungen stellt der/die Vorsitzende die Anonymität der Abstimmung durch entsprechende Einstellungen im verwendeten Abfrageprogramm sicher. Außerdem verpflichtet er/sie sich dazu die Ergebnisse der Abstimmung vertraulich zu behandeln; das gilt insbesondere für den Fall, dass er/sie die Abstimmungsergebnisse der einzelnen Betriebsratsmitglieder einsehen kann.
  • Wenn bei einer Betriebsratssitzung geheime Wahlen stattfinden sollen, wie z.B. die Wahl der Mitglieder des Betriebsausschusses nach § 27 BetrVG oder sonstiger Ausschüsse nach § 28 BetrVG, so kann diese Betriebsratssitzung nur unter Nutzung entsprechender technisch-organisatorischer Maßnahmen, die eine geheime Abstimmung sicherstellen, stattfinden. Hierfür wird z.B. das tool des Poko-Instituts für geheime Abstimmungen in virtuellen BR-Sitzungen genutzt. Ansonsten muss diese Sitzung in Präsenzform stattfinden.
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