Wann ist eine erforderliche Schulung gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingbar?

 

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Ein typischer Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat:

Der Betriebsrat beschließt in seiner Sitzung einstimmig, ein Betriebsratsmitglied zu einer erforderlichen Schulung (§ 37 Absatz 6 BetrVG) zu entsenden und teilt dies dem Arbeitgeber anschließend mit. Der Arbeitgeber bestreitet die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme, verweigert die Kostenübernahme und kündigt an, dass das Betriebsratsmitglied, sollte es gleichwohl an der Schulung teilnehmen, keine Arbeitsvergütung erhalte und er darüber nachdenken werde, gegenüber dem Betriebsratsmitglied wegen unentschuldigten Fehlens eine Abmahnung zu erteilen oder gar eine Kündigung auszusprechen.

Wie geht man als Betriebsrat bzw. betroffenes Betriebsratsmitglied damit um?

  • Das Betriebsratsmitglied nimmt an der Schulung teil. Anschließend wird im gerichtlichen Verfahren geprüft, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Kosten des Seminars zu übernehmen und die Arbeitsvergütung fortzuzahlen.
     
    Achtung: Diese Vorgehensweise hat für das an dem Seminar teilnehmende BR Mitglied unter Umständen die unangenehme Konsequenz, auf den Kosten "sitzenzubleiben" und keine Arbeitsvergütung für die Zeit der Teilnahme zu erhalten, sofern es sich nicht um eine erforderliche Schulung handeln sollte. Es besteht ein nicht unerhebliches Kostenrisiko!
  • Der Betriebsrat beantragt vorab im Wege der einstweiligen Verfügung die Genehmigung zur Entsendung des Betriebsratsmitglieds.
     
    Achtung: Dieser Weg dürfte untauglich sein (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 10.5.2004 - 10 TaBV 41/04). Denn der begehrten "Freistellung" durch das Gericht bedarf es nicht!! Allein der Beschluss des Betriebsrats, ein Mitglied zu einem bestimmten Seminar im Sinne von § 37 Absatz 6 BetrVG zu entsenden, stellt eine ausreichende Legitimationsgrundlage dar, an dem Seminar teilzunehmen, ohne Nachteile in Form der Abmahnung oder Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens befürchten zu müssen. Das Verhalten des teilnehmenden Betriebsratsmitglieds ist nicht schuldhaft, selbst wenn es sich im Ergebnis nicht um ein für den Betriebsrat "erforderliches" Seminar handeln sollte.
  • In der Sache geht es dem antragstellenden Betriebsrat darum, im einstweiligen Verfügungsverfahren Rechtssicherheit darüber zu erlangen, ob es sich um ein erforderliches Seminar handelt, der Arbeitgeber also verpflichtet ist, die Seminar-, Hotel-, Fahrt und Lohnkosten zu tragen. Dies kann das einstweilige Verfügungsverfahren aber nicht leisten. Ansprüche des betroffenen Betriebsratsmitglieds sind von diesem oder dem Betriebsrat nach Abschluss des Seminars beim Arbeitsgericht einzuklagen, verbunden mit erheblichen Kosten- und Prozessrisiken.
      
  • Der Betriebsrat kann zwar auch im Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht beantragen, festzustellen, dass die Schulungsveranstaltung erforderlich im Sinne von § 37 Absatz 6 BetrVG ist. Allerdings kommt eine rechtskräftige Entscheidung in der Regel zu spät, denn bis zum Abschluss des Verfahrens durch 2 Instanzen vergeht häufig ein Jahr.
       
  • Findige Rechtsanwälte haben sich daher folgendes Vorgehen überlegt:

Es wird beim Arbeitsgericht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, gerichtet auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kostenübernahme oder jedenfalls auf Zahlung eines Vorschusses.

  1. Dazu hat das LAG Hessen (Urteil vom 04.11.2013 - 16 TaBVGa 179/13) entschieden, dass die Zahlung eines Reisekostenvorschusses in § 37 Abs. 6 BetrVG nicht vorgesehen ist und allenfalls in Betracht kommt, wenn im Betrieb des Arbeitgebers eine Reisekostenordnung angewendet wird, aus der sich ein derartiger Anspruch ergibt. Hinsichtlich der Ansprüche auf Erstattung der Seminar- und Hotelkosten entstehen diese erst nach Abschluss des Seminars. Einen Vorschuss verlangen die Seminarveranstalter und Hotelbetreiber nicht. Zudem kommt eine Verpflichtung zur Vorschussleistung nur dann in Betracht, wenn der Schulungsteilnehmer zumindest glaubhaft macht, die Kosten der Schulung nicht vorfinanzieren zu können.
       
  2. Das LAG Düsseldorf (Beschluss vom 5.12.2017 - 4 TaBVGa 7/17) hat einen Antrag des Betriebsrats auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur vollen Kostenübernahme abgewiesen und zwar bereits deshalb, weil der Betriebsrat nicht vorgetragen hat, welche konkreten Nachteile für die Betriebsratsarbeit entstehen, wenn das oder die Mitglieder des Betriebsrats nicht an der Schulung teilnehmen.
       
  3. Selbst wenn der Betriebsrat im einstweiligen Verfügungsverfahren obsiegen würde und der Arbeitgeber verpflichtet wäre, einen Vorschuss auf Reise- oder Hotelkosten zu erbringen, schafft auch dies keine Rechtssicherheit. Stellt nämlich das Arbeitsgericht später im "Hauptsacheverfahren" fest, dass die Seminarteilnahme aus welchen Gründen auch immer nicht erforderlich war, so müsste der Vorschuss an den Arbeitgeber zurückgezahlt werden.

Insgesamt eine für Betriebsräte unbefriedigende Lösung. Es sollte in diesen Fällen immer versucht werden, mit dem Arbeitgeber einvernehmliche Kompromisslösungen zu finden.