Erst ermahnen, dann abmahnen?

 

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Um diese Frage zu klären, sollten wir uns erst einmal die Unterschiede zwischen einer Ermahnung und einer Abmahnung näher anschauen. Eine Ermahnung kann durchaus auch eine Abmahnung sein. Es kommt nämlich, wie so oft im Leben, nicht auf das Äußere an, sondern auf die inneren Werte. Die machen hier den Unterschied.

Eine Abmahnung liegt immer dann vor,

  • wenn der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers als Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten beanstandet
  • er den Arbeitnehmer dazu auffordert, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen, und
  • wenn er deutlich macht, dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist.

Eine Ermahnung enthält dagegen in den meisten Fällen nicht die Androhung einer Kündigung. Es fehlt also an der Warnfunktion. Vergleichen wir also die Ermahnung mit der Abmahnung, so stellt die Ermahnung das mildere Mittel dar. So sah es auch der Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit, den das Landesarbeitsgericht Köln AZ. 12 Sa 381/16 mit Urteil vom 20.09.2016 entschieden hat. Dieser war der Auffassung, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Abmahnung erst als milderes Mittel eine Ermahnung hätte aussprechen müssen und die Abmahnung aus diesem Grund rechtswidrig sei. Dies sah das LAG Köln aber nicht so. Denn eine derartige Ausweitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes übersieht, dass gerade die Abmahnung selbst ihre Rechtfertigung im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat. Die Abmahnung ist gegenüber der Kündigung bereits das mildere Mittel.

Zwar ist der Arbeitgeber berechtigt, bei leichterem Fehlverhalten zunächst eine Ermahnung vor einer Abmahnung auszusprechen. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu besteht aber nicht. Auch leichteres Fehlverhalten berechtigt den Arbeitgeber regelmäßig zum Ausspruch einer Abmahnung.

Die Frage des Monats können wir diesmal also mit einem Nein beantworten.

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