Update Arbeitsrecht 2024: Die wichtigsten Gesetzesänderungen zum Jahreswechsel

Von: Heike Holtmann, Ass. jur. & Mediatorin

Ja! Endlich Schluss mit dem Kabelsalat! Zumindest perspektivisch. Ladekabel insbesondere für Smartphones und Tablets werden einheitlich: bis Ende 2024 wird USB-C zum neuen Standard, so die aktuelle Änderung des „Funkanlagengesetzes“. Ab 2026 gilt dies dann auch für Notebooks. Demnächst also kein ständiges Suchen mehr nach dem richtigen Kabel – und weniger Elektroschrott.

Im Jahr 2024 treten aber auch wichtige neue arbeitsrechtliche Gesetze und Gesetzesänderungen in Kraft oder sind konkret in Planung. Die wichtigsten haben wir für Sie zusammengefasst, ebenfalls einen Ausblick auf noch kommende Änderungen.

Vorab: Wie jedes Jahr verändern sich ab dem 01.01. die Rechengrößen in der Sozialversicherung. Bei Interesse sind die aktuellen Daten z. B. hier nachzulesen: Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2024.

 

Darüber hinaus erscheinen uns für Sie folgende Änderungen und Neuerungen wichtig:

 

I. Unternehmensverantwortung: Whistleblower, Menschenrechte & Umweltschutz

Hinweisgeberschutzgesetz und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Ausweitung der Geltungsbereiche

Noch in 2023, nämlich am 17. Dezember, wird die Übergangsregelung des Hinweisgeberschutzgesetzes für mittelständische Unternehmen wichtig (§ 42 HinSchG). Was bisher nur große Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und bestimmte Branchen betraf, gilt ab dem 17.12.23 dann auch für Arbeitgeber mit 50 und mehr Beschäftigten: Auch sie müssen eine Meldestelle für Hinweise auf Rechtsverstöße einrichten.

Ebenso wird der Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ausgeweitet: Ab dem 01.01.2024 gilt es auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmer*innen im Inland. Mittelbar sind übrigens ebenfalls kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) betroffen, da das Gesetz von Großunternehmen verlangt, ihren unmittelbaren Zulieferern aufzugeben, dass auch diese die Vorgaben einhalten und "entlang der Lieferkette angemessen adressieren". Mehr dazu z. B. im Informationsblatt des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), hier zu finden.

II. Entlohnung und Arbeitszeit

Mindestlohnerhöhung: Allgemein und für Azubis

Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn wird zum 1. Januar 2024 von bislang 12,00 € brutto auf 12,41€ brutto pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde erhöht (4. Mindestlohnanpassungsverordnung). Für Beschäftigte in der Pflege gelten abweichende, höhere gesetzliche Mindestlöhne (gestaffelt und differenziert nach Qualifikation).

Auch der „Azubi-Mindestlohn“ wird angehoben: Auszubildende, die in einem nicht tarifgebundenen Ausbildungsbetrieb lernen und arbeiten, haben Anspruch auf eine Mindestausbildungsvergütung. Diese ist in § 17 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) festgelegt und steigt in 2024 auf 649,00 € im ersten Lehrjahr, danach 766,00 € im zweiten, 876,00 € im dritten und 909,00 € im vierten Lehrjahr.

Anpassung der Minijob-Grenze

Die monatliche Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte wird zum Jahresbeginn ebenfalls angehoben. Sie soll künftig 538,00€ brutto betragen (statt bisher 520,00 € brutto). Spricht sich holpriger aus („Fünfhundertachtunddreißig-Euro-Job“), die Dynamisierung der Minijob-Grenze verhindert aber, dass steigende Mindestlöhne bei diesen Beschäftigten nicht zu (prozentual) höheren Sozialabgaben führen. Sie können so weiterhin ca. 43 Stunden monatlich arbeiten.

Inflationsausgleichsprämie – Zahlung bis Ende 2024 möglich

Übrigens – sofern noch nicht geschehen: Noch bis 31.12.2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämie (IAP) von bis zu 3.000,00 € gewähren. Einen Rechtsanspruch auf die Zahlung haben Beschäftigte allerdings nicht. Die freiwillige Prämie muss nicht in einer Summe ausgezahlt werden, sondern kann z. B. auch in monatlichen Teilbeträgen gestückelt werden. Bei der konkreten Ausgestaltung der Sonderzahlung ist jedoch Sorgfalt geboten – insbesondere sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten.

Vergütung von freigestellten Betriebsräten – Änderungen des BetrVG

Das "Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes" (BetrVG) schafft mit einer Neuregelung im BetrVG nun eine explizite gesetzliche Regelung in Bezug auf die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Wir hatten bereits berichtet. Die Änderungen zielen darauf ab, die Unsicherheiten zu beseitigen, die nach dem „VW-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH) im Januar 2023 entstanden waren. Dazu werden zwei Paragraphen im BetrVG ergänzt.

§ 37 Absatz 4 BetrVG wird um folgende Sätze erweitert:

"Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist."

Und § 78 BetrVG erhält einen dritten Satz:

"Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Entgelt nicht vor, wenn das Mitglied der in Satz 1 genannten Vertretungen in seiner Person die für deren Gewährung erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt."

Die Bundesregierung betont, dass die Gesetzesänderungen im Einklang mit der bestehenden Rechtslage und der bisherigen Rechtsprechung des BAG stehen. Dennoch seien die Klarstellungen notwendig, um die Unsicherheiten nach dem BGH-Urteil zu beseitigen. Allerdings gibt der Gesetzeswortlaut an sich nicht wirklich konkrete Anhaltspunkte zur praktischen Umsetzung – dazu lohnt es sich, die Gesetzesbegründung zu lesen. Diese – wie auch den Umsetzungstand des Gesetzes – finden Sie hier.

III. Krankheit – telefonische AU und Kinderkrankengeld

Telefonische Krankschreibungen

Mitarbeitende sollen in Zukunft dauerhaft die Möglichkeit haben, telefonisch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zu erhalten – sofern es sich um Erkrankungen ohne schwere Symptome handelt und auch nur dann, wenn die Personen in der jeweiligen Arztpraxis bekannt sind. Konkrete Vorgaben dazu sollen bis Ende Januar 2024 in einer Richtlinie ausgearbeitet werden und anschließend in Kraft treten.

Neuregelung beim Kinderkrankengeld

Berufstätige Eltern sollen weiter entlastet werden: Die Anspruchsdauer für das Kinderkrankengeld wird mit Wirkung zum 01.01.2024 neu geregelt. Künftig soll der Arztbesuch für das Attest erst ab dem vierten Krankheitstag notwendig sein. Zudem werden gesetzlich krankenversicherte Eltern bis zu 15 Arbeitstage pro Kind, das jünger als zwölf Jahre ist, Kinderkrankengeld beziehen können, für Alleinerziehende sind es 30 Arbeitstage. Die Regelung findet sich im Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG) – der Bundesrat muss noch zustimmen, zum aktuellen Stand geht es hier.

IV. Weiterbildung und Fachkräfte

Reform der Weiterbildungsförderung

Ab April 2024 werden Neuerungen durch das Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung wirksam. Vorgesehen sind unter anderem eine Ausbildungsgarantie, ein Qualifizierungsgeld sowie Verbesserungen der bestehenden Beschäftigtenförderung (ab 01.04.2024), weiter auch Regelungen zur Förderung der außerbetrieblichen Berufsausbildung (ab 01.08.2024). Der ursprünglich geplante Rechtsanspruch auf bezahlte Bildungszeit wurde jedoch nicht umgesetzt.

Das neue Qualifizierungsgeld (ab 01.04.) soll Unternehmen bei der Qualifizierung ihrer Fachkräfte unterstützen. Gefördert werden damit Maßnahmen zur Bewältigung des Strukturwandels (etwa Digitalisierung). Das Qualifizierungsgeld ist eine Entgeltersatzleistung, die von der Agentur für Arbeit an Beschäftigte in Weiterbildung geleistet werden soll.

Die weiter geschaffene sogenannte Ausbildungsgarantie richtet sich vor allem an junge Menschen ohne Berufsabschluss und sieht u. a. „Beratungs- und Unterstützungsangebote  angefangen bei der beruflichen Orientierung und Beratung, bis hin zu Hilfen bei der Aufnahme und für den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung“. Die Bundesagentur für Arbeit (AB) kann dann unter gewissen Voraussetzungen z. B.  Berufsorientierungspraktika fördern oder einen Mobilitätszuschuss für Auszubildende gewähren. Mit Beginn des neuen Ausbildungsjahrs ab August 2024 gibt es weiter einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer außerbetrieblichen Berufsausbildung, sofern bestimmte Fördervoraussetzungen erfüllt werden.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Als ein weiterer Baustein der Fachkräftestrategie der Bundesregierung sollen qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten künftig leichter in Deutschland arbeiten können. Dazu treten Regelungen des reformierten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes bereits seit November 2023 schrittweise in Kraft.  

V. Betriebsfeiern und Dienstreisen

Höherer Freibetrag für Betriebsveranstaltungen und Geschenke

Der steuerliche Freibetrag für Zuwendungen oder Geldwertvorteile des Arbeitgebers im Rahmen von Betriebsveranstaltungen, wie etwa Betriebsausflüge oder Weihnachtsfeiern (aktuell ggf. wichtig), soll zum 1. Januar 2024 von 110,00 € auf 150,00 € je Betriebsveranstaltung und je teilnehmenden Mitarbeitenden angehoben werden – für weiterhin maximal zwei Veranstaltungen im Jahr. Dies ist eine Regelung im Paket des „Wachstumschancengesetzes“, das aktuell aber noch im Vermittlungsausschuss verhandelt wird. Die Freigrenze für betriebliche Geschenke soll ab 2024 von 35,00 € auf 50,00 € erhöht werden. Einen Überblick zu den geplanten lohnsteuerrechtlichen Änderungen gibt es z. B. hier.

Verpflegungspauschalen bei Dienstreisen

Nicht dass es mit Feiern im Zusammenhang steht, aber auch andere Pauschalen sollen erhöht werden, was ggf. auch im Rahmen von Seminarbesuchen interessant sein kann: Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes (das derzeit noch verhandelt wird, s. o.) sollen die steuerfreien Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen für die Zeit ab dem 1. Januar 2024 angehoben werden, und zwar auf 15,00 € für eintägige Dienstreisen (im Inland) von mehr als 8 Stunden, für mehrtägige Reisen auf 30,00 € pro ganzem Tag und auf 15,00 € je An- oder Abreisetag sowie Tage mit über achtstündiger Abwesenheit von der Wohnung oder ersten Tätigkeitsstätte. Stellt bzw. bezahlt der Arbeitgeber dabei Mahlzeiten (z. B. Hotelfrühstück) werden die Werte um 6,00 € für das Frühstück und je 12,00 € für Mittag- und Abendessen gekürzt.

VI. Ausblick: Was kommt noch? Oder (immer) noch nicht:

Auf einige Regelungen müssen wir weiter warten – trotz teilweise wiederholter Ankündigung und/oder Bestandteil des Koalitionsvertrags.

Warten auf… das Familienstartzeit-Gesetz („Vaterschaftsurlaub“)

Im Koalitionsvertrag niedergelegt, aber bisher lediglich im Referentenentwurf und ohne konkrete Maßnahmen, ist der sogenannte bezahlte „Vaterschaftsurlaub“, korrekt bezeichnet als Familienstartzeit. Mit dieser soll „eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes“ eingeführt und damit eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, was anscheinend aber erst 2024 auf den Weg gebracht werden wird.

Warten auf… ein Bürokratieentlastungsgesetz

Vertragsschluss und Kündigung demnächst per E-Mail? Zeugnisse in elektronischer Form? Dies sind einige der Ansätze, die zum Thema „Bürokratie“ (und die zu viel in den verschiedensten Lebensbereichen) nicht erst seit gestern diskutiert werden. Was genau weiter geplant ist, findet sich im Eckpunktepapier zum Bürokratieentlastungsgesetz.

Warten auf… ein neues Arbeitszeitgesetz

Die Reform des Arbeitszeitgesetzes stockt. Ein vom Bundesarbeitsministerium (BMAS) bereits im April 2023 vorgelegter Referentenentwurf für ein Gesetz „zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“, wird derzeit laut BMAS „noch regierungsintern beraten“. Es bleibt abzuwarten, ob im neuen Jahr konkrete gesetzliche Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung erfolgen. Bis dahin ist die Rechtsprechung des BAG zu beachten, wonach Unternehmen bereits jetzt verpflichtet sind, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen (aus Gründen des Arbeitsschutzes).

Für 2024 hat das BMAS zudem angekündigt, einen neuen Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten vorzulegen.

Warten auf… das Beschäftigtendatenschutzgesetz

Ach ja, dann war ja auch noch die Digitalstrategie. Im August 2023 hatte das Bundesministerium des Innern einen Entwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgestellt. Durch das neue Gesetz soll von den Öffnungsklauseln der DSGVO Gebrauch gemacht werden, „um mit einem modernen, handhabbaren Beschäftigtendatenschutzgesetz Rechtsklarheit für Arbeitgeber sowie Beschäftigte zu schaffen und die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten effektiv zu schützen“. Insbesondere ist geplant, den Auskunftsanspruch einzuschränken. Es bleibt weiter abzuwarten, ob und mit welchen Regelungen dieses Gesetzesvorhaben umgesetzt wird. Und auch, ob Regelungen zum Thema Künstliche Intelligenz dann mit aufgenommen werden, was weiter davon abhängt, wann und wie die KI-Verordnung auf Europäischer Ebene verabschiedet wird. Näheres nachzulesen z. B. im Expertenforum Arbeitsrecht.

Und zum Schluss:

Maßnahmen zur Inklusion im Alltag – ab Mitte 2025 müssen z. B. auch Webseiten barrierefrei sein! Darauf können Unternehmen sich am besten schon einmal in 2024 vorbereiten, sonst kann es laut Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) teuer werden (10.000,00 € bis 100.000,00 €).