Änderung des BetrVG: Neue Regelungen zur Vergütung von Betriebsräten

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Ende Juni 2024 ist das „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ im Bundestag einstimmig beschlossen worden und mit Verkündung im Bundesgesetzblatt seit dem 24.07.2024 nun auch in Kraft (BGBl. 2024 I Nr. 248 v. 24.7.2024). Mit den Neuregelungen soll mehr Klarheit und Rechtssicherheit für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern geschaffen werden.

 

Dazu wird insbesondere nun neu die Möglichkeit geschaffen, mittels Betriebsvereinbarung ein Verfahren für die Festlegung der Vergleichsgruppen zu regeln. Betriebsrat und Arbeitgeber sollten – um klare betriebliche Regelungen zu schaffen – davon Gebrauch machen bzw. bereits bestehende unternehmensinterne Regelungen überprüfen und als Betriebsvereinbarung neu abfassen.

Die Hintergründe

Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Das gilt auch für ihre berufliche Entwicklung und das Arbeitsentgelt. Das Benachteiligungsverbot wird ergänzt durch einen Mindestvergütungsanspruch. So darf das Arbeitsentgelt nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmender mit betriebsüblicher Entwicklung. Insbesondere bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern gab es dazu in der Vergangenheit enorme Rechtsunsicherheiten.

 

Diese Unsicherheiten resultierten aus dem sogenannten VW-Urteil des BGH (BGH 10.1.2023 – 6 StR 133/22) von Januar 2023. Um sich nicht dem (strafrechtlichen) Vorwurf der Untreue wegen des Verstoßes gegen das Vergünstigungsverbot auszusetzen, hatten nach diesem Urteil viele Unternehmen präventiv bei (freigestellten) Betriebsräten die Vergütung gekürzt. Mit der weiteren Folge, dass viele Betriebsräte gegen diese Kürzung geklagt hatten.

Was ist jetzt neu?

Die Neuregelungen betreffen § 37 Abs. 4 und § 78 BetrVG.

Es gilt zunächst weiterhin der Grundsatz des § 37 Abs. 1 Satz 1 BetrVG: Bei der Gehaltsentwicklung von Betriebsratsmitgliedern ist diejenige von mit dem jeweiligen Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer*innen und Arbeitnehmern zugrunde zu legen.

Gesetzlich wird nun weitergehend explizit klargestellt:

  • Maßgeblich für die Bestimmung der Vergleichspersonengruppe ist der Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts (§ 37 Abs. 4 Satz 3 BetrVG-Neufassung). Nicht also der Zeitpunkt der Freistellung des Betriebsratsmitglieds. Das gilt gleichermaßen für nicht freigestellte wie für freigestellte Mitglieder des Betriebsrats.
  • Bei Vorliegen eines sachlichen Grunds kann eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe vorgenommen werden (§ 37 Abs. 4 Satz 3 BetrVG-Neufassung). Was alles ein sachlicher Grund sein kann, wird sich vermutlich erst durch die Rechtsprechung konkretisieren. Denkbar wäre dies z.B. bei Ausscheiden aller Vergleichspersonen aus dem Unternehmen oder grundsätzlicher Neustrukturierung der betrieblichen Gehaltsstruktur. Auch etwa bei einem beruflichen Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds, das die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, kann im Anschluss daran die Vergleichsgruppe aus sachlichem Grund neu zu bestimmen sein (so die Gesetzesbegründung).
  • Die Betriebsparteien können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung der Vergleichsgruppe/Vergleichspersonen regeln (§ 37 Abs.4 Satz 4 BetrVG-Neufassung).
  • Die Vergleichspersonen können auch einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt werden. Dies muss in Textform dokumentiert werden (§ 37 Abs. 4 Satz 5 BetrVG-Neufassung).
  • Sowohl die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in der Betriebsvereinbarung als auch eine einvernehmliche Festlegung der konkreten Vergleichspersonen kann (gerichtlich) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 37 Abs. 4 Satz 5 BetrVG-Neufassung).

Wie bisher gilt das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot nach § 78 BetrVG.

  • Die Maßstäbe werden neu (zumindest) etwas konkretisiert: § 78 BetrVG wird nun in einem neuen Satz 3 durch den Hinweis ergänzt, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die betrieblichen Anforderungen dafür erfüllt (und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft ist). D.h. konkret: Hat das Betriebsratsmitglied im Rahmen seines BR-Amts Fähigkeiten und Kenntnisse erworben, so sind diese bei der Gehaltsentwicklung zur berücksichtigen, sofern sie außerhalb des BR-Mandats eingesetzt werden können und vergütungsrelevant sind.

Das Änderungs-Gesetz ist bereits Anfang Juli 2024 im Bundesrat verhandelt worden und tritt mit Verkündung in Kraft.

Praxisfragen

Für Betriebsräte und Arbeitgeber gilt es nun, durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Regelung in Textform das Verfahren und die Vergleichsgruppen transparent und fehlerfrei festzulegen. Allerdings werden durch die gesetzlichen Neuregelungen keine konkreten Kriterien zur Bestimmung der jeweiligen Vergleichsvorgaben gemacht. Dies sei – so die Gesetzesbegründung – angesichts der Vielfalt betrieblicher Stellenanforderungen und Bewertungen bewusst so erfolgt. Für die praktische Umsetzung muss sich daher weiter an der bisherigen BAG-Rechtsprechung orientiert werden.

Weitere Hinweise:

  • Zur Gesetzesbegründung geht es hier.
  • Die gesetzlichen Änderungen im Wortlaut:

Das nun beschlossene Gesetz "Zweites Gesetz zur Änderung des „Betriebsverfassungsgesetzes" ergänzt zwei Paragrafen im BetrVG.

§ 37 Absatz 4 BetrVG wird um folgende Sätze (3-5) erweitert:
"Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt.
Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln.
Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist."

Und § 78 BetrVG erhält einen dritten Satz:
"Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Entgelt nicht vor, wenn das Mitglied der in Satz 1 genannten Vertretungen in seiner Person die für deren Gewährung erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt."