Schulungsanspruch für Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen

Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen vertreten eine besonders schutzwürdige Arbeitnehmergruppe und sind dabei weitgehend auf sich gestellt. Deshalb bedürfen gerade sie sorgfältiger Schulungen auf allen Gebieten, auf denen sie Kenntnisse zur Ausübung ihres Amts benötigen (LAG Hessen 14.01.2010 – 9a TaBVGa 229/09).

 Das Sozialgesetzbuch (SGB) IX sieht in § 179 Abs. 4 S. 1, 3 vor, dass Vertrauenspersonen für die Teilnahme an Schulungen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit werden, soweit die Schulungen Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der SBV erforderlich sind. Sämtliche Kosten (Seminargebühr, Fahrt, Unterkunft und Verpflegung) sind vom Arbeitgeber zu tragen (§ 179 Abs. 8 S. 1, 2 SGB IX).

Wann sind Seminare für Vertrauenspersonen »erforderlich«?

Die Erforderlichkeit jedes Seminarbesuchs muss im Einzelfall geprüft werden:

  1. Stets erforderlich ist aber der Besuch von Grundlagenseminaren zum Schwerbehindertenrecht und zum Recht der Schwerbehindertenvertretung, soweit die Vertrauensperson nicht bereits über solche Grundkenntnisse verfügt.
  2. Darüber hinaus ergibt sich die Erforderlichkeit i. d. R. aus aktuellem Anlass, wenn spezielle Kenntnisse sofort oder demnächst benötigt werden, damit die Vertrauensperson ihre Aufgaben sachgerecht wahrnehmen kann (BAG 08.06.2016 – 7 ABR 39/14). Dazu können auch Kenntnisse über die DSGVO und das neue Bundesdatenschutzgesetz gehören (LAG Berlin-Brandenburg 11 TaBV 1371/20).

Zu den unbestritten erforderlichen Kenntnissen gehören:

Erforderlich sind i. d. R. außerdem Seminare, die nicht unmittelbar behindertenbezogene Themen behandeln, sofern dennoch ein konkreter Bezug zu den Aufgaben der SBV besteht (ArbG Heilbronn 18.03.2021 – 7 BV2/20; LAG Hessen 12.10.2006 – 9 TaBV 57/06). Spezialwissen, das eine gewisse Aktualität im Betrieb hat oder in absehbarer Zeit erhalten wird, ist i. S. v. § 179 Abs. 4 SGB IX i. d. R. ebenfalls erforderlich, wenn das dafür notwendige Wissen fehlt.

Wer entscheidet über die Erforderlichkeit und den Seminaranbieter?

Allein die Vertrauensperson, nicht Arbeitgeber oder Betriebsrat! Zu beachten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach der Arbeitgeber durch die Kosten, die ein Seminarbesuch verursacht (Seminargebühr, Fahrt, Unterkunft und Verpflegung), nicht unverhältnismäßig belastet werden darf.

Wer hat außerdem einen Schulungsanspruch?

Der Schulungsanspruch nach § 179 Abs. 4 S. 4 SGB IX gilt nach § 179 Abs. 8 S. 2 SGB IX auch für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied der SBV und die herangezogenen Vertrauenspersonen.

Generell sind Schulungen über die o. g. Kenntnisse für ein Mitglied jedes Betriebsratsgremiums erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG – selbst dann, wenn eine Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen ebenfalls Mitglied des Betriebsrats ist (VGH Hessen 15.11.1989 – HPV TL 2960/87). Das gilt für Betriebe mit mindestens einem beschäftigten schwerbehinderten Menschen.

Die Häufigkeit des Schulungsbesuchs und die jeweilige Dauer sind gesetzlich nicht geregelt.