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Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin immateriellen Schadenersatz i. H. v. 4.000 € zugesprochen, LAG und BAG haben die Klage abgewiesen. Die Begründung des BAG:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Die Klägerin hatte bereits keinen Schaden dargelegt (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2024 – 8 AZR 209/21).

  • Auch fehlt es an einem Verstoß gegen die DSGVO sowie
  • an einem Kausalzusammenhang zwischen Schaden und dem Verstoß (vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2024 - C-687/21 – MediaMarktSaturn).
  • Zudem können negative Gefühle (Befürchtungen) zwar einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Dies setzt aber voraus, dass das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ (EuGH 14.12.2023 – C-340/21 – Natsionalna agentsia za prihodite).

Im Ergebnis hat die Klägerin keinen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dargelegt. Sie hatte zwar ihre aus Unkenntnis der Datenverarbeitung resultierenden Befürchtungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Solche Befürchtungen liegen bei einer nicht oder unvollständig erteilten Auskunft jedoch in der Natur der Sache. Für die Darlegung eines Schadens reicht auch die Hervorhebung besonderer Spannungen mit dem Auskunftsverpflichteten nicht aus.

Hinweis für die Praxis:

Es bleibt aufgrund dieser Entscheidung zu hoffen, dass das Vehikel des Schadensersatzes nach DSGVO nun endgültig begraben wird. Jeder Arbeitnehmende hat das Recht, das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen, wenn ihm/ihr die Arbeitsbedingungen oder das Verhalten des Arbeitgebers nicht gefallen. Daraus noch Kapital zu schlagen, dürfte angesichts der klaren Rechtsprechung des BAG sowie des EuGH aber schwierig werden!

Die Lösung:

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings haben die Gerichte bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren konfligierenden Grundrechte des Arbeitgebers sowie die ebenfalls berührten Grundrechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich Folgendes:

  • Der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag ist unbegründet. Ein solches isoliertes Begehren ermöglicht keine Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit.
  • Auch der Hilfsantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielte, war unbegründet. Die damit einhergehenden Belastungen der Arbeitgeberin beeinträchtigen sie erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen – schon jeweils für sich genommen – ihr überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme.
  • Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass damit für die Klägerin keine Möglichkeit eröffnet wäre, das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Ihr steht die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Auch für deren grundrechtlich verbürgten Belange stellt dies den schonendsten Ausgleich dar. 
  • Auch der auf die Vornahme einer Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielende Klageantrag war unbegründet. Jedenfalls kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein auf ihre Webseite verweisender Link auf der Startseite des Intranets angebracht wird.

Hinweis für die Praxis: Ein für die Gewerkschaft ernüchterndes, aber richtiges Ergebnis. Die Gewerkschaft kann sich bei den Arbeitnehmern – sofern sie dies wollen – ihre dienstlichen E-Mailadressen beschaffen und ihnen dorthin Mails zuschicken. Es ist aber nicht Aufgabe des Arbeitgebers, dies zu tun.

Die Lösung:

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das LAG hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass einer Arbeitsunfähigkeit, die in einem Land außerhalb der EU ausgestellt wurde, grundsätzlich der gleiche Beweiswert wie einer nationalen Bescheinigung zukommt, wenn sie erkennen lässt, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat.

Das LAG hat aber bei der Würdigung der tatsächlichen Umstände nur jeden einzelnen Aspekt isoliert betrachtet und die rechtlich gebotene Gesamtwürdigung unterlassen.

  • Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der tunesische Arzt dem Kläger für 24 Tage AU bescheinigte, ohne eine Wiedervorstellung anzuordnen.
  • Weiter buchte der Kläger bereits einen Tag nach der attestierten Notwendigkeit häuslicher Ruhe und des Verbots, sich bis zum 30.09.2022 zu bewegen und zu reisen, ein Fährticket für den 29.09.2022 und trat an diesem Tag die lange Rückreise nach Deutschland an.
  • Zudem hatte er bereits in den Jahren 2017 bis 2020 dreimal unmittelbar nach seinem Urlaub AUB vorgelegt.

Diese Gegebenheiten mögen für sich betrachtet unverfänglich sein. In einer Gesamtschau begründen sie indes ernsthafte Zweifel am Beweiswert der AUB. Das hat zur Folge, dass nunmehr der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit trägt. Da das LAG hierzu keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Hinweis für die Praxis:

Das Thema beschäftigt die Arbeitsgerichte zurzeit andauernd. Es ist erstaunlich, mit welcher „kriminellen“ Energie Arbeitnehmer und auch teilweise Ärzte vorgehen, um sich Freizeit bei voller Entgeltfortzahlung zu erschleichen.

Die Lösung:

Die Klage hatte beim Arbeitsgericht keinen Erfolg. Eine Haftung der ehemaligen Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemannes der Klägerin kam bereits unter Berücksichtigung von § 104 Abs. 1 SGB VII aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Denn sie hat den Arbeitsunfall jedenfalls nicht vorsätzlich i. S. d. Norm verursacht, sondern allenfalls fahrlässig durch unzureichende Absperrung der Maschine bzw. durch fehlende Abschaltungseinrichtungen. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert Vorsatz doppelten Vorsatz, der sich zum einen auf die Verletzungshandlung und zum anderen auf den Verletzungserfolg bezieht (vgl. statt aller BAG, Urteile vom 28.11.2019 – 8 AZR 35/19, 25.04.2011 – 8 AZR 769/09 und 19.02.2009 – 8 AZR 188/08; LAG Nürnberg, Urteil vom 20.12.2022 – 7 Sa 243/22). Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale.

Eine Haftung des Arbeitgebers nach einem Arbeitsunfall kommt nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich – ausnahmsweise - in Betracht, wenn dieser in Kenntnis der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers dies zumindest billigend in Kauf genommen hat. Das Vertrauen darauf, „es werde schon gutgehen“ und das schädigende Ereignis werde nicht eintreten lässt Vorsatz entfallen (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 16.10.2007 BSG, Urteil vom 26.09.2024 – B 2 U 15/22 R

 19 Sa 1891/06). Selbst wenn die Beklagte vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift unbeachtet gelassen hätte und hofft, dass dem Arbeitnehmer kein Unfall wiederfährt, scheidet Vorsatz aus (vgl. BAG, Urteile vom 27.06.1975 – 3 AZR 457/74 und 10.10.2002 – 8 AZR 103/02; ArbG Hamm, Urteil vom 10.10.2018 – 3 Ca 809/18).

Hinweis für die Praxis:

Der Gesetzgeber hat bereits vor vielen Jahrzehnten (vgl. zur Vorgängerregelung des §§ 636, 637 RVO) entschieden, dass Arbeitnehmer, die infolge eines Arbeitsunfalls versterben oder verletzt werden, umfassend durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sind. Gleiches gilt für Hinterbliebene wie Ehegatten und Kinder. Damit soll Streit zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmer bzw. dessen Hinterbliebenen vermieden werden.

Der Preis dafür ist, dass Hinterbliebene nur im Ausnahmefall unmittelbare Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen können und zwar dann, wenn der Arbeitsunfall vom Arbeitgeber vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Diesen gesetzgeberischen Willen haben die Arbeitsgerichte selbstverständlich zu akzeptieren!

Die Lösung:

Zwar war die vereinbarte Probezeit von sechs Monaten unverhältnismäßig i.S.v. § 15 Abs. 3 TzBfG und damit unwirksam. Durch diese Regelung wurden die Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 S. 1 aus Kapitel III („Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen“) der Richtlinie EU 2019/1152 (Arbeitsbedingungen-RL) umgesetzt. Denn endet das Arbeitsverhältnis durch eine Befristung, darf eine vereinbarte Probezeit jedenfalls ohne Hinzutreten von besonderen Umständen nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen.

  • Weder Art. 8 Abs. 2 S. 1 der Arbeitsbedingungen-RL noch § 15 Abs. 3 TzBfG enthalten nach ihrem Wortlaut ausdrückliche Regelungen zur zulässigen absoluten oder relativen Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis.
  • Im Schrifttum wird die Frage des angemessenen Verhältnisses von Befristungsdauer und Probezeit unterschiedlich beurteilt.
  • Der Senat musste aber nicht abschließend entscheiden, nach welchen Grundsätzen sich das Verhältnis zwischen der Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der für dieses vereinbarten Probezeit bestimmt. Es konnte insbesondere dahinstehen, ob die Arbeitsgerichte angesichts der bewusst unbestimmt gehaltenen Ausgestaltung von § 15 Abs. 3 TzBfG berechtigt sind, feste Bezugsgrößen für die maßgeblichen Parameter (Probezeit-/Befristungsdauer) zu bestimmen.

Jedenfalls ist nach den normativen Vorgaben ohne Hinzutreten von besonderen Umständen die Vereinbarung einer Probezeit unwirksam, die der gesamten Dauer der vereinbarten Befristung entspricht.

Die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung ließ jedoch die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses unberührt. Sind AGB ganz oder teilweise unwirksam,
(1) bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB)
(2) und sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB).

Hier haben die Parteien eine sprachlich und inhaltlich unabhängige Abrede über die Kündbarkeit während der Befristungszeit getroffen.

Das LAG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beklagte den Arbeitsvertrag mit einer Frist von zwei Wochen gem. § 622 Abs. 3 BGB kündigen konnte. Eine Kündigung war nämlich nur mit der Frist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats (Grundkündigungsfrist) möglich.

Die Lösung:

Arbeitsgericht und LAG haben die Arbeitgeberin verpflichtet, die Umgruppierung aufzuheben und beim Betriebsrat ein Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG einzuleiten, das BAG wies den Antrag des Betriebsrats ab.

  • Dem Betriebsrat steht bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage von § 37 Abs. 4 oder § 78 S. 2 BetrVG kein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 BetrVG zu.
  • § 99 BetrVG sieht zwar eine Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen vor, sofern eine Zuordnung der zu verrichtenden Tätigkeit eines*r Arbeitnehmenden zu einer bestimmten im Betrieb anwendbaren Vergütungsgruppe der maßgebenden Vergütungsordnung erfolgt.
  • Bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 S. 2 BetrVG erfolgt demgegenüber keine solche Einordnung, sondern eine Anpassung der Vergütung nach Maßgabe allein der gesetzlichen Vorgaben. Danach ist die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds entweder entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer*innen oder zur Vermeidung einer Benachteiligung anzupassen, weil das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte.

Hinweis für die Praxis:

Eine für die Praxis sehr wichtige Entscheidung des BAG. Das BAG hat festgestellt, dass sich der Höhergruppierungsanspruch des Betriebsratsvorsitzenden eben

  • gerade nicht aus der von ihm geleisteten qualifizierteren Tätigkeit ergibt,
  • sondern allein deshalb, weil er, wäre er nicht von der Erbringung der Arbeitsleistung zur Wahrnehmung des Betriebsratsmandats freigestellt, die qualifiziertere Tätigkeit mit entsprechend höherer Vergütung ausgeübt hätte.
  • Dies ist aber eben eine fiktive Höhergruppierung zur Vermeidung einer gesetzlich verbotenen Benachteiligung des freigestellten Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage des § 37 Abs. 4 BetrVG und gerade keine Umgruppierung i. S. v. § 99 BetrVG wegen der Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben.

Die Lösung:

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben dem Antrag des Betriebsrats statt, das BAG wies ihn ab. Dem Betriebsrat steht bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage von § 37 Abs. 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG kein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 BetrVG zu.

  • Denn eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung i. S. d. § 99 BetrVG setzt voraus, dass sich die Zuordnung der vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeit ändert.
  • Bei der bloßen Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 S. 2 BetrVG – etwa zur Vermeidung seiner Benachteiligung – erfolgt demgegenüber keine solche Einordnung, sondern eine Anpassung der Vergütung des Betriebsratsmitglieds nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben zur Vermeidung einer ansonsten vorliegenden „Benachteiligung“.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des BAG ist logisch, bedeutet aber auch, dass Gehaltsrunden zum Vorteil von freigestellten Betriebsratsmitgliedern am Betriebsrat vorbeigehen. Der Betriebsrat kann allenfalls durch Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten durch Zufall Kenntnis von solchen Tatbeständen erlangen (vgl. § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG).

Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Verhalten des Beklagten war nicht rechtswidrig, weil der Kläger als Vorgesetzter von Frau N seine Vorgesetztenstellung zum Nachteil von Frau N „ausgenutzt“ habe, die seine „Wünsche“ ausdrücklich abgelehnt habe.
Der Chatverlauf zeigt ein erhebliches und mehrfach von Frau N zurückgewiesenes Drängen des Klägers auf ein persönliches Treffen und stellt damit eine Belästigung i. S. v. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 3 AGG dar. Frau N. war somit berechtigt, über den Kläger in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender beim Arbeitgeber eine Beschwerde gem. § 13 Abs. 1 S. 1 AGG bzw. § 84 Abs. 1 BetrVG zu führen.

Danach hat jeder Arbeitnehmer das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen (§ 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des Beschwerderechts gem. § 13 Abs. 1 AGG. Der Beklagte hat den Chatverlauf auch nicht eigenmächtig, d.h. ohne Wunsch von Frau N.  an die Personalabteilung weiterleitet, sondern leistete in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender dieser Unterstützung in Wahrnehmung seines gesetzlichen Auftrags aus § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG.

Hinweis für die Praxis:

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Betriebsratsvorsitzende hat eine Beschwerde der Arbeitnehmerin entgegengenommen (§ 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG) und diese auf ihren Wunsch hin unterstützt (§ 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG), indem er den Vorgang der Arbeitgeberin mitgeteilt hat. Dies stellt keinen Verstoß gegen die DSGVO dar. Aus keinem rechtlichen Grund haftet der Betriebsvorsitzende somit für dieses Verhalten.

Die Lösung:

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab, das BAG gab ihr statt. Die Beklagte ist zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie verpflichtet.

  • Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
  • Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. In der Bestimmung des Leistungszwecks sind die Tarifvertragsparteien zwar weitgehend frei. Mit der Regelung im Tarifvertrag haben sie ihre Befugnisse jedoch überschritten. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten lässt sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten.
  • Die im Tarifvertrag geregelten Anspruchsvoraussetzungen zeigen, dass die Inflationsausgleichsprämie nicht (auch) eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit ist.
  • Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, sind nicht erkennbar.

Hinweis für die Praxis:

Der Kläger befand sich (noch) im Arbeitsverhältnis, wenn auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Zwar wird in der Freistellungsphase der Altersteilzeit grundsätzlich nur spiegelbildlich das in der Arbeitsphase angesparte Guthaben ratierlich ausgezahlt. Wird aber tarifvertraglich eine Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers zum Ausgleich von (Inflations-) Belastungen durch Corona, den Ukraine-Krieg oder die dadurch gestiegene Inflation geregelt, die nur abstellt auf ein Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Fälligkeitszeitpunkt, ist eine Herausnahme der Arbeitnehmer, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, sach- und gleichheitswidrig. Die benachteiligten Arbeitnehmer haben dann über den Tarifvertrag hinaus unmittelbar einen Zahlungsanspruch.

 

Exkurs: Das BAG (vgl. Urteil vom 25.07.2023 – 9 AZR 332/22) hat bereits zum Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung sowie zur Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld – TVöD) entschieden, dass diese Leistung auch Arbeitnehmern in der Freistellungsphase der Altersteilzeit zusteht. Dies ergebe sich daraus, dass nach dem Tarifvertrag

  • alleinentscheidend das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Sonderzahlung sei,
  • ohne dass es darauf ankomme, ob sich der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinde.
  • Denn die besonderen Belastungen durch Corona, Krieg etc. treffen eben auch Arbeitnehmer, die sich zwar (noch) im Arbeitsverhältnis befinden, aber während der Freistellungsphase der Altersteilzeit „nur noch“ das ersparte Arbeitszeitguthaben verbrauchen.
  • Jede andere Lösung würde befristet beschäftigte Arbeitnehmer zu Unrecht schlechter behandeln als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 1 TzBfG).
  • Ggf. haben diese Arbeitnehmer aber sowohl in der Arbeits- wie der Freistellungsphase der Altersteilzeit aber nur Anspruch auf anteilige Sonderzahlungen. Denn in der Arbeitsphase arbeiten sie zwar vollschichtig, bauen sich damit aber ein für die Bemessung der Sonderzahlung nicht zu berücksichtigendes Guthaben für die Freistellungsphase auf und erhalten auch in der Arbeitsphase nur Leistungen auf Teilzeitbasis.