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Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin immateriellen Schadenersatz i. H. v. 4.000 € zugesprochen, LAG und BAG haben die Klage abgewiesen. Die Begründung des BAG:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Die Klägerin hatte bereits keinen Schaden dargelegt (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2024 – 8 AZR 209/21).

  • Auch fehlt es an einem Verstoß gegen die DSGVO sowie
  • an einem Kausalzusammenhang zwischen Schaden und dem Verstoß (vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2024 - C-687/21 – MediaMarktSaturn).
  • Zudem können negative Gefühle (Befürchtungen) zwar einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Dies setzt aber voraus, dass das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ (EuGH 14.12.2023 – C-340/21 – Natsionalna agentsia za prihodite).

Im Ergebnis hat die Klägerin keinen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dargelegt. Sie hatte zwar ihre aus Unkenntnis der Datenverarbeitung resultierenden Befürchtungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Solche Befürchtungen liegen bei einer nicht oder unvollständig erteilten Auskunft jedoch in der Natur der Sache. Für die Darlegung eines Schadens reicht auch die Hervorhebung besonderer Spannungen mit dem Auskunftsverpflichteten nicht aus.

Hinweis für die Praxis:

Es bleibt aufgrund dieser Entscheidung zu hoffen, dass das Vehikel des Schadensersatzes nach DSGVO nun endgültig begraben wird. Jeder Arbeitnehmende hat das Recht, das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen, wenn ihm/ihr die Arbeitsbedingungen oder das Verhalten des Arbeitgebers nicht gefallen. Daraus noch Kapital zu schlagen, dürfte angesichts der klaren Rechtsprechung des BAG sowie des EuGH aber schwierig werden!

Worum ging es in der Entscheidung?

In dem Unternehmen, einem IT-Dienstleister, arbeiteten Arbeitnehmer aus verschiedenen Organisationseinheiten in Teams zusammen. Die Teams wurden von sogenannten Matrix-Führungskräften, die keine leitenden Angestellten sind (!), geführt. Letztere nahmen an einer Betriebsratswahl außerhalb des Stammbetriebs teil, die vom Arbeitgeber angefochten wurde. Anders als noch die Vorinstanzen hat das BAG nun das aktive Wahlrecht dieser Personen grundsätzlich bestätigt.

Wie ist sie begründet?

Das BAG führt aus: Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, hat bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe das aktive Wahlrecht. Das gilt auch für Führungskräfte in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrix-Struktur. Die Wahlberechtigung knüpfe an die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb an, die durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet werde. "Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einem Betrieb eingegliedert und damit in diesem wahlberechtigt ist, steht seiner Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen". Der Fall wurde zurück an das LAG Baden-Württemberg zur Prüfung von Detailfragen verwiesen.

Merke also:

Es ist grundsätzlich möglich, in mehreren Betrieben wahlberechtigt zu sein. In Matrixstrukturen oder sonstigen Organisationsformen mit betriebsübergreifenden Weisungsrechten muss im Vorfeld einer Betriebsratswahl sehr sorgfältig geprüft werden, welche Mitarbeiter in welchen Betrieben wahlberechtigt sind. Bei einer unrichtigen Zuordnung droht eine Wahlanfechtung (§ 19 BetrVG).

 

Hier geht es zur Pressemitteilung des BAG vom 22.05.2025

 

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Sachverhalt

Ein Vorarbeiter war auf einer Baustelle tätig. Während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer trank er Kaffee, verschluckte sich, ging hustend nach draußen und verlor dort kurz das Bewusstsein. Er stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter und zog sich einen Nasenbeinbruch zu.
Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Das Kaffeetrinken diene nicht betrieblichen Zwecken, sondern gehöre zum privaten Lebensbereich, argumentierte sie. Auch das erstinstanzlich zuständige SG folgte dieser Sichtweise.

LSG Sachsen-Anhalt: Kaffee diente Arbeitszwecken

Das LSG Sachsen-Anhalt bewertete den Vorfall anders. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII  ist ein Unfall dann versichert, wenn er im Zusammenhang mit einer Tätigkeit steht, die dem versicherten Aufgabenbereich zuzurechnen ist. Der bloße Konsum von Speisen und Getränken falle zwar grundsätzlich nicht darunter, wenn lediglich ein Grundbedürfnis wie Durst gestillt werde. Im konkreten Fall habe das Kaffeetrinken jedoch auch einem betrieblichen Zweck gedient, so das Gericht.

Entscheidend sei, dass der Kaffee während einer verpflichtenden Arbeitsbesprechung getrunken worden sei. Der gemeinsame Konsum habe die Arbeitsatmosphäre gestärkt und das kollegiale Miteinander gefördert, erklärten die Richterinnen und Richter. Zudem habe das Getränk zur Wachsamkeit und besseren Konzentration beigetragen – Aspekte, die dem betrieblichen Interesse dienen. Der Arbeitgeber habe dies auch bewusst gefördert und sich teils selbst um die Kaffeeversorgung gekümmert. Der Fall unterscheide sich daher wesentlich von einer privaten Kaffeepause, etwa mit einem mitgebrachten Getränk während der Frühstückszeit, so die Richterinnen und Richter, die die Revision zum BSG zuließen.
 

2.Eine offensichtliche Unwirksamkeit einer Kündigung ergibt sich weder aus einem etwaigen Beweisverwertungsverbot infolge der Auswertung der Arbeitsergebnisse eines Arbeitnehmers noch aus der Frage, ob es einer vorherigen Abmahnung des Arbeitnehmers bedurfte; insoweit obliegt die Prüfung alleine dem Arbeitsgericht. (amtl. Leitsätze)

Die Lösung: Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat ausreichend dargelegt, unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Anspruchs auf Gleichbehandlung im Verhältnis zu einer vergleichbaren Beschäftigungsgruppe, nämlich der übrigen gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebs benachteiligt worden zu sein (vgl. zur Darlegungslast BAG, Urteil vom 19.02.2014 – 10 AZR 293/13). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bezieht sich auf Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. Eine solche ist regelmäßig gegeben, wenn Arbeitnehmer gleichwertige Arbeit verrichten (vgl. BAG, Urteil vom 21.10.2009 – 10 AZR 664/08). Demzufolge oblag es nunmehr der Beklagten, die sachlichen Gründe für die Differenzierung substantiiert darzulegen (vgl. BAG, Urteil vom 27.07.2010 – 1 AZR 874/08).

Mit der ständigen Rechtsprechung des BAG geht die Kammer davon aus, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, hergeleitet aus Art 3 Abs. 1 GG, eine Anspruchsgrundlage auf Gleichbehandlung „nach oben“ für den Arbeitnehmer darstellen kann, der auch auf ungleich behandelnde Gesamtzusagen Anwendung findet (vgl. BAG, Urteil vom 03.06.2020 – 3 AZR 730/19). Erhöht der Arbeitgeber – wie hier bei den beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern – freiwillig Arbeitsentgelte kollektiv nach einem generalisierenden Prinzip, hat er den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten und darf einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen nicht aus unsachlichen Gründen von einer Erhöhung des Arbeitsentgelts ausnehmen (vgl. BAG, Urteile vom 17.03.2010 – 5 AZR 168/09 und 19.08.2008 – 3 AZR 194/07).

Bei einer nicht billigem Ermessen entsprechenden Entscheidung zur Entgeltanpassung hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (sog. Gleichbehandlung nach oben; vgl. BAG, Urteil vom 03.09.2014 – 5 AZR 6/13).

Unter Berücksichtigung dessen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte den Kläger gleichheitswidrig und zu Unrecht schlechter gestellt hat als vergleichbare andere gewerbliche Arbeitnehmer. Soweit die Beklagte gemeint hat, sie sei wegen der aus ihrer Sicht hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit nicht zur Anpassung der Grundvergütung verpflichtet gewesen, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Zwar eröffnet § 4 a EFZG dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Sondervergütungen für Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu kürzen. Sondervergütungen sind gem. § 4 a EFZG aber nur solche Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt und gerade nicht die (angepasste) Grundvergütung.

Die Lösung:

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

  • Die Kündigung ist wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam.
  • Das Gegenteil wird nicht nach § 7 Halbs. 1 KSchG fingiert. Zwar hat die Klägerin mit der Klageerhebung am 13.06.22 die am 7.6.22 abgelaufene Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG nicht gewahrt.
  • Die verspätet erhobene Klage war jedoch gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen. Die Klägerin hat aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17.06.2022 positive Kenntnis davon erlangt, dass sie bei Zugang der Kündigung am 14.05.2022 schwanger war. Der etwas mehr als zwei Wochen danach durchgeführte Schwangerschaftstest vom 29.05.2022 konnte ihr diese Kenntnis nicht vermitteln.
  • In der vom Senat vorgenommenen Auslegung genügt das bestehende System der §§ 4, 5 KSchG und des § 17 Abs. 1 MuSchG den Vorgaben der Richtlinie 92/85/EWG, wie sie der EuGH in der Sache „Haus Jacobus“ (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – C-284/23 -) herausgearbeitet hat.

Hinweis für die Praxis:

Der EuGH hat mit Urteil vom 27.6.2024 – C-284/23 in einem anderen vergleichbaren Verfahren festgestellt:

Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG … vom 19. Oktober 1992 … sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine schwangere Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der für die Erhebung einer Klage gegen ihre Kündigung vorgesehenen Frist Kenntnis erlangt hat, eine solche Klage nur dann erheben kann, wenn sie binnen zweier Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellt, sofern die Verfahrensmodalitäten im Zusammenhang mit diesem Zulassungsantrag insoweit nicht den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügen, als sie Nachteile mit sich bringen, die geeignet sind, die Umsetzung der Rechte übermäßig zu erschweren, die Art. 10 dieser Richtlinie schwangeren Arbeitnehmerinnen vermittelt.

Aus der Begründung des EuGH:

  • Erstens ist … darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses für die Klageerhebung zu stellen ist, was nach Auffassung des Gerichtshofs in Anbetracht insbesondere der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn der Schwangerschaft befindet, eine besonders kurze Frist darstellt ….
  • Zweitens ist diese zweiwöchige Frist kürzer als die in § 4 S. 1 KSchG vorgesehene ordentliche Frist von drei Wochen für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
  • Eine so kurze Frist kann, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Klagefrist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar sein.
  • In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, kann diese kurze Frist nämlich dazu angetan sein, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und ggf. einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen.
  • Es wird … Sache des deutschen Arbeitsgerichts sein, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.

Das BAG hat diese Entscheidung des EuGHs nunmehr sehr zeitnah „umgesetzt“.

Wichtig: Für die nachträgliche Klagezulassung muss die Arbeitnehmerin Fristen einhalten:

  • Grundsätzlich beträgt die Klagefrist 3 Wochen ab Zugang der Kündigung (§ 4 S. 1 KSchG)
  • Die nachträgliche Klagezulassung (§ 5 KSchG) setzt voraus,
    (1) dass der Arbeitnehmer innerhalb der regulären Klagefrist (s.o.) gehindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben, was anzunehmen ist, wenn die Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Klagefrist - sichere - Kenntnis erlangt (§ 5 Abs. 1 S. 2 KSchG) und
    (2) dass die Arbeitnehmerin die Klage innerhalb von 2 Wochen nach „Behebung des Hindernisses“, also der sicheren Kenntnis ihrer Schwangerschaft, erhoben hat (§ 5 Abs. 3 S. 1 KSchG). Wird diese Frist versäumt, dürfte es für die Arbeitnehmerin schwierig sein, das Kündigungsschutzverfahren erfolgreich zu führen!

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, offene Stellen der Agentur für Arbeit zu melden und dabei aktiv um Vermittlung geeigneter schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber zu bitten (§ 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Unterbleibt dies, kann dies als Indiz für eine Benachteiligung nach dem AGG gewertet werden.

Im verhandelten Fall hatte das Unternehmen keine Vermittlung bei der Agentur für Arbeit beauftragt, sondern lediglich eine Stellenanzeige auf deren Jobseite geschaltet. Das reicht laut Gericht nicht aus. Ein echter Vermittlungsauftrag ist erforderlich, um der gesetzlichen Pflicht nachzukommen. Diese Pflicht gilt nicht nur für öffentliche Arbeitgeber, sondern auch für private Unternehmen.

Allerdings scheiterte die Klage des schwerbehinderten Bewerbers letztlich daran, dass seine Bewerbung erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens einging. Das BAG stellte klar: Maßgeblich für die Frage einer Diskriminierung ist der Zeitpunkt der Entscheidung, eine schwerbehinderte Person nicht einzustellen. Da die Stelle hier bereits vergeben war, lag keine Benachteiligung mehr vor.

Die Lösung:

ArbG und LAG wiesen die Klage des Arbeitnehmers ab und gaben der Widerklage des Arbeitgebers statt.

  • Die außerordentliche Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang beendet.
  • Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmenden vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmenden und füllt ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch (= „Arbeitszeitbetrug“) dar. Der oder die Arbeitnehmende verletzt damit in erheblicher Weise die Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber.
  • Somit besteht ein wichtiger Grund für die Kündigung des Klägers.
    Denn der Kläger hat verschiedenen Tagen erhebliche Pausenzeiten vorsätzlich nicht in dem Zeiterfassungssystem dokumentiert, wozu er aufgrund der Betriebsvereinbarung und einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht jedoch verpflichtet war. Das ArbG hat etwa festgestellt, dass der Kläger am 9.12.2022 rd. 40 Minuten lang in der Wohnung seiner Freundin privaten Tätigkeiten nachgegangen ist, ohne dies als Pausenzeit zu erfassen. Es ist auszuschließen, dass er in der Zeit dort Fahrkarten kontrolliert hat. Dass er in der Wohnung eine andere Arbeitsleistung für die Arbeitgeberin erbracht hat, ist nicht ersichtlich.
  • Der Kläger ist auch verpflichtet, den Schaden der Arbeitgeberin i. H. v. 21.600 € für die Beauftragung des Detektivs zu erstatten. Die Observation des Klägers durch die Detektei war nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zulässig und erforderlich. Es besteht kein Beweisverwertungsverbot. Die Überwachung des Klägers durch Detektive, die beobachten, fotografieren und dokumentieren, sowie die Anbringung eines GPS-Senders an dem während der Schichtzeiten genutzten Dienstfahrzeug stellen zwar einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser Eingriff ist aber von geringer Intensität, weil er nur während seiner Schichtzeiten im öffentlichen Verkehrsraum über einen Zeitraum von wenigen Tagen erfolgt ist und praktisch nur das dokumentiert wurde, was jeder beliebige Passant ebenfalls hätte wahrnehmen können. Eine vom Kläger behauptete „Orwellsche“ Überwachung" lag nicht vor.
    Die Beklagte hat gegen den Kläger auch Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten i. H. v. rd. 21.600 € netto aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB. Nach der Rechtsprechung des BAG hat der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dem Arbeitgeber die durch das zulässige Tätigwerden eines Detektivs (vgl. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16) entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird (vgl. BAG, Urteil vom 28.10.2010 – 8 AZR 547/09).

Hinweis für die Praxis: Das vom LAG gefundene Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des BAG. Der Kläger hat durch sein schuldhaftes Verhalten zurecht nicht nur seinen Arbeitsplatz verloren, sondern schuldet der Arbeitgeberin Schadensersatz in erheblicher Höhe.

Die Lösung:
LAG und BAG haben der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben. Denn die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass der Klägerin das Kündigungsschreiben zwischen dem 26.07.22 und dem 28.07.22 zugegangen ist.

  • Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 2 AZR 213/23) und des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2022 – VII ZR 895/21) geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden i.S.v. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers – etwa in den Briefkasten – gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen.
  • Dies hat die Arbeitgeberin darzulegen und im Streitfall zu beweisen (vgl. BAG, Urteil vom 22.08.2019 – 2 AZR 111/19).
  • Die Beklagte hat für den von ihr behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens am 28.07.2022 in den Hausbriefkasten der Klägerin keinen Beweis angeboten, insbesondere keinen Zeugenbeweis der Person, die den Einwurf vorgenommen haben soll. Es bestand zudem auch kein Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten, dass ein Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin erfolgt war. Jedenfalls genügte der von ihr vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit einem von der Beklagten im Internet abgefragten Sendungsstatus nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist. Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.

Die Lösung:

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings haben die Gerichte bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren konfligierenden Grundrechte des Arbeitgebers sowie die ebenfalls berührten Grundrechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich Folgendes:

  • Der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag ist unbegründet. Ein solches isoliertes Begehren ermöglicht keine Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit.
  • Auch der Hilfsantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielte, war unbegründet. Die damit einhergehenden Belastungen der Arbeitgeberin beeinträchtigen sie erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen – schon jeweils für sich genommen – ihr überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme.
  • Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass damit für die Klägerin keine Möglichkeit eröffnet wäre, das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Ihr steht die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Auch für deren grundrechtlich verbürgten Belange stellt dies den schonendsten Ausgleich dar. 
  • Auch der auf die Vornahme einer Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielende Klageantrag war unbegründet. Jedenfalls kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein auf ihre Webseite verweisender Link auf der Startseite des Intranets angebracht wird.

Hinweis für die Praxis: Ein für die Gewerkschaft ernüchterndes, aber richtiges Ergebnis. Die Gewerkschaft kann sich bei den Arbeitnehmern – sofern sie dies wollen – ihre dienstlichen E-Mailadressen beschaffen und ihnen dorthin Mails zuschicken. Es ist aber nicht Aufgabe des Arbeitgebers, dies zu tun.