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Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin immateriellen Schadenersatz i. H. v. 4.000 € zugesprochen, LAG und BAG haben die Klage abgewiesen. Die Begründung des BAG:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Die Klägerin hatte bereits keinen Schaden dargelegt (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2024 – 8 AZR 209/21).

  • Auch fehlt es an einem Verstoß gegen die DSGVO sowie
  • an einem Kausalzusammenhang zwischen Schaden und dem Verstoß (vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2024 - C-687/21 – MediaMarktSaturn).
  • Zudem können negative Gefühle (Befürchtungen) zwar einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Dies setzt aber voraus, dass das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ (EuGH 14.12.2023 – C-340/21 – Natsionalna agentsia za prihodite).

Im Ergebnis hat die Klägerin keinen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dargelegt. Sie hatte zwar ihre aus Unkenntnis der Datenverarbeitung resultierenden Befürchtungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Solche Befürchtungen liegen bei einer nicht oder unvollständig erteilten Auskunft jedoch in der Natur der Sache. Für die Darlegung eines Schadens reicht auch die Hervorhebung besonderer Spannungen mit dem Auskunftsverpflichteten nicht aus.

Hinweis für die Praxis:

Es bleibt aufgrund dieser Entscheidung zu hoffen, dass das Vehikel des Schadensersatzes nach DSGVO nun endgültig begraben wird. Jeder Arbeitnehmende hat das Recht, das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen, wenn ihm/ihr die Arbeitsbedingungen oder das Verhalten des Arbeitgebers nicht gefallen. Daraus noch Kapital zu schlagen, dürfte angesichts der klaren Rechtsprechung des BAG sowie des EuGH aber schwierig werden!

Worum ging es in der Entscheidung?

In dem Unternehmen, einem IT-Dienstleister, arbeiteten Arbeitnehmer aus verschiedenen Organisationseinheiten in Teams zusammen. Die Teams wurden von sogenannten Matrix-Führungskräften, die keine leitenden Angestellten sind (!), geführt. Letztere nahmen an einer Betriebsratswahl außerhalb des Stammbetriebs teil, die vom Arbeitgeber angefochten wurde. Anders als noch die Vorinstanzen hat das BAG nun das aktive Wahlrecht dieser Personen grundsätzlich bestätigt.

Wie ist sie begründet?

Das BAG führt aus: Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, hat bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe das aktive Wahlrecht. Das gilt auch für Führungskräfte in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrix-Struktur. Die Wahlberechtigung knüpfe an die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb an, die durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet werde. "Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einem Betrieb eingegliedert und damit in diesem wahlberechtigt ist, steht seiner Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen". Der Fall wurde zurück an das LAG Baden-Württemberg zur Prüfung von Detailfragen verwiesen.

Merke also:

Es ist grundsätzlich möglich, in mehreren Betrieben wahlberechtigt zu sein. In Matrixstrukturen oder sonstigen Organisationsformen mit betriebsübergreifenden Weisungsrechten muss im Vorfeld einer Betriebsratswahl sehr sorgfältig geprüft werden, welche Mitarbeiter in welchen Betrieben wahlberechtigt sind. Bei einer unrichtigen Zuordnung droht eine Wahlanfechtung (§ 19 BetrVG).

 

Hier geht es zur Pressemitteilung des BAG vom 22.05.2025

 

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Die Lösung:

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

  • Die Kündigung ist wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam.
  • Das Gegenteil wird nicht nach § 7 Halbs. 1 KSchG fingiert. Zwar hat die Klägerin mit der Klageerhebung am 13.6.22 die am 7.6.22 abgelaufene Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG nicht gewahrt.
  • Die verspätet erhobene Klage war jedoch gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen. Die Klägerin hat aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17. Juni 2022 positive Kenntnis davon erlangt, dass sie bei Zugang der Kündigung am 14. Mai 2022 schwanger war. Der etwas mehr als zwei Wochen danach durchgeführte Schwangerschaftstest vom 29. Mai 2022 konnte ihr diese Kenntnis nicht vermitteln.
  • In der vom Senat vorgenommenen Auslegung genügt das bestehende System der §§ 4, 5 KSchG und des § 17 Abs. 1 MuSchG den Vorgaben der Richtlinie 92/85/EWG, wie sie der EuGH in der Sache „Haus Jacobus“ (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – C-284/23 -) herausgearbeitet hat.

Hinweis für die Praxis:

Der EuGH hat mit Urteil vom 27.6.2024 – C-284/23 in einem anderen vergleichbaren Verfahren festgestellt:

Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG …vom 19. Oktober 1992 … sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine schwangere Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der für die Erhebung einer Klage gegen ihre Kündigung vorgesehenen Frist Kenntnis erlangt hat, eine solche Klage nur dann erheben kann, wenn sie binnen zweier Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellt, sofern die Verfahrensmodalitäten im Zusammenhang mit diesem Zulassungsantrag insoweit nicht den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügen, als sie Nachteile mit sich bringen, die geeignet sind, die Umsetzung der Rechte übermäßig zu erschweren, die Art. 10 dieser Richtlinie schwangeren Arbeitnehmerinnen vermittelt.

Aus der Begründung des EuGH:

  • Erstens ist … darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses für die Klageerhebung zu stellen ist, was nach Auffassung des Gerichtshofs in Anbetracht insbesondere der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn der Schwangerschaft befindet, eine besonders kurze Frist darstellt ….
  • Zweitens ist diese zweiwöchige Frist kürzer als die in § 4 S. 1 KSchG vorgesehene ordentliche Frist von drei Wochen für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
  • Eine so kurze Frist kann, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Klagefrist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar sein.
  • In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, kann diese kurze Frist nämlich dazu angetan sein, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und ggf. einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen.
  • Es wird … Sache des deutschen Arbeitsgerichts sein, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.

Das BAG hat diese Entscheidung des EuGHs nunmehr sehr zeitnah „umgesetzt“.

Wichtig: Für die nachträgliche Klagezulassung muss die Arbeitnehmerin Fristen einhalten:

  • Grundsätzlich beträgt die Klagefrist 3 Wochen ab Zugang der Kündigung (§ 4 S. 1 KSchG)
  • Die nachträgliche Klagezulassung (§ 5 KSchG) setzt voraus,
    (1) dass der Arbeitnehmer innerhalb der regulären Klagefrist (s.o.) gehindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben, was anzunehmen ist, wenn die Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Klagefrist -sichere- Kenntnis erlangt (§ 5 Abs. 1 S. 2 KSchG) und
    (2) dass die Arbeitnehmerin die Klage innerhalb von 2 Wochen nach „Behebung des Hindernisses“, also der sicheren Kenntnis ihrer Schwangerschaft erhoben hat (§ 5 Abs. 3 S. 1 KSchG). Wird diese Frist versäumt, dürfte es für die Arbeitnehmerin schwierig sein, das Kündigungsschutzverfahren erfolgreich zu führen!

Die Lösung:
LAG und BAG haben der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben. Denn die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass der Klägerin das Kündigungsschreiben zwischen dem 26.07.22 und dem 28.07.22 zugegangen ist.

  • Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 2 AZR 213/23) und des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2022 – VII ZR 895/21) geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden i.S.v. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers – etwa in den Briefkasten – gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen.
  • Dies hat die Arbeitgeberin darzulegen und im Streitfall zu beweisen (vgl. BAG, Urteil vom 22.08.2019 – 2 AZR 111/19).
  • Die Beklagte hat für den von ihr behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens am 28.07.2022 in den Hausbriefkasten der Klägerin keinen Beweis angeboten, insbesondere keinen Zeugenbeweis der Person, die den Einwurf vorgenommen haben soll. Es bestand zudem auch kein Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten, dass ein Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin erfolgt war. Jedenfalls genügte der von ihr vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit einem von der Beklagten im Internet abgefragten Sendungsstatus nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist. Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.

Die Lösung:

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings haben die Gerichte bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren konfligierenden Grundrechte des Arbeitgebers sowie die ebenfalls berührten Grundrechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich Folgendes:

  • Der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag ist unbegründet. Ein solches isoliertes Begehren ermöglicht keine Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit.
  • Auch der Hilfsantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielte, war unbegründet. Die damit einhergehenden Belastungen der Arbeitgeberin beeinträchtigen sie erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen – schon jeweils für sich genommen – ihr überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme.
  • Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass damit für die Klägerin keine Möglichkeit eröffnet wäre, das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Ihr steht die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Auch für deren grundrechtlich verbürgten Belange stellt dies den schonendsten Ausgleich dar. 
  • Auch der auf die Vornahme einer Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielende Klageantrag war unbegründet. Jedenfalls kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein auf ihre Webseite verweisender Link auf der Startseite des Intranets angebracht wird.

Hinweis für die Praxis: Ein für die Gewerkschaft ernüchterndes, aber richtiges Ergebnis. Die Gewerkschaft kann sich bei den Arbeitnehmern – sofern sie dies wollen – ihre dienstlichen E-Mailadressen beschaffen und ihnen dorthin Mails zuschicken. Es ist aber nicht Aufgabe des Arbeitgebers, dies zu tun.

Die Lösung:
Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Der Kläger hat weder vollständig noch i. H. v. 8/12 Anspruch auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 2023.

  • Setzt die Zahlung einer Sonderzuwendung den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag, etwa am 01.12., voraus, dient dies auch dazu, die Betriebstreue in dem zu Ende gehenden Jahr zu honorieren.
  • Darüber hinaus sollen die Arbeitnehmer durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu engagierter Mitarbeit motiviert werden (BAG, Urt. v. 08.09.2021 – 10 AZR 322/19).
  • Solche tarifvertraglichen Stichtagsregelungen sind auch grundsätzlich zulässig. Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die vor dem Stichtag ausscheiden, und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis am Stichtag noch besteht, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt, sofern die Jahressonderzahlung auch bezweckt, Betriebstreue zu belohnen und die Arbeitnehmer für die Zukunft zu engagierter Mitarbeit zu motivieren. Bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern kann die Jahressonderzahlung diesen Zweck nicht mehr erfüllen.
  • Auch der Wortlaut des Tarifvertrags spricht für dieses Ergebnis. Die Formulierung "... erhalten mit dem Novemberentgelt ..." setzt begrifflich voraus, dass der Mitarbeiter ein Entgelt für den Monat November erhält, was wiederum ein bestehendes Arbeitsverhältnis, zumindest an einem Novembertag, voraussetzt. Die Tarifvertragsparteien haben damit nicht nur die Fälligkeit des Anspruchs geregelt, sondern auch eine Bedingung für den Anspruch festgelegt. Dafür spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien im Jahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Quotelung (Anspruch auf 1/12 pro Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr bzw. Bezugszeitraum) vorgenommen haben.

Hinweis für die Praxis: Der Entscheidung ist vollinhaltlich zuzustimmen. Sie entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BAG zu „Stichtagsklauseln“.

Die Lösung:

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das LAG hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass einer Arbeitsunfähigkeit, die in einem Land außerhalb der EU ausgestellt wurde, grundsätzlich der gleiche Beweiswert wie einer nationalen Bescheinigung zukommt, wenn sie erkennen lässt, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat.

Das LAG hat aber bei der Würdigung der tatsächlichen Umstände nur jeden einzelnen Aspekt isoliert betrachtet und die rechtlich gebotene Gesamtwürdigung unterlassen.

  • Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der tunesische Arzt dem Kläger für 24 Tage AU bescheinigte, ohne eine Wiedervorstellung anzuordnen.
  • Weiter buchte der Kläger bereits einen Tag nach der attestierten Notwendigkeit häuslicher Ruhe und des Verbots, sich bis zum 30.09.2022 zu bewegen und zu reisen, ein Fährticket für den 29.09.2022 und trat an diesem Tag die lange Rückreise nach Deutschland an.
  • Zudem hatte er bereits in den Jahren 2017 bis 2020 dreimal unmittelbar nach seinem Urlaub AUB vorgelegt.

Diese Gegebenheiten mögen für sich betrachtet unverfänglich sein. In einer Gesamtschau begründen sie indes ernsthafte Zweifel am Beweiswert der AUB. Das hat zur Folge, dass nunmehr der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit trägt. Da das LAG hierzu keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Hinweis für die Praxis:

Das Thema beschäftigt die Arbeitsgerichte zurzeit andauernd. Es ist erstaunlich, mit welcher „kriminellen“ Energie Arbeitnehmer und auch teilweise Ärzte vorgehen, um sich Freizeit bei voller Entgeltfortzahlung zu erschleichen.

Die Lösung:
Das Arbeitsgericht hat der Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme i. H. v. 898 € stattgegeben. Das LAG hat dies im Berufungsverfahren bestätigt.
 

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz i. H. v. 898 € aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, da dieser eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt hat, indem er in dem ihm überlassenen Fahrzeug geraucht und den Innenraum stark verschmutzt hat.

  • Nach § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitnehmer zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers verpflichtet. Bei der Überlassung eines Fahrzeugs ist der Arbeitnehmer u.a. verpflichtet, den Arbeitgeber über Unfälle und auftretende Mängel unverzüglich zu informieren, damit dieser die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten kann. Zu den Pflichten des Arbeitnehmers gehört es aber auch, das ihm überlassene Fahrzeug pfleglich zu behandeln und keine Schäden zu verursachen, die über die üblichen Gebrauchsspuren (= bestimmungsgemäßer Gebrauch) hinausgehen.
  • Der stark verschmutzte Innenraum und der starke Rauchgeruch stellt keine „übliche Nutzung“ des Fahrzeugs dar. Das Verhalten des Arbeitnehmers war auch schuldhaft, selbst wenn die Arbeitgeberin kein „ausdrückliches Rauchverbot“ ausgesprochen hat.
  • Denn selbstverständlich, dass man fremdes Eigentum sorgsam und pfleglich behandelt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Zigarettenrauch nicht nur übel riecht, sondern sich bekanntlich auch in Textilien und auf Oberflächen „festsetzt“. Durch einfaches „Durchlüften“ und „Durchwischen“ kann man diese Geruchsbelästigung und die Nikotinablagerungen nicht beseitigen. Raucherfahrzeuge haben daher regelmäßig einen Minderwert.
  • Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung finden keine Anwendung, da kein betrieblich veranlasstes Handeln des Beklagten vorliegt. Denn das Fahrzeug war dem Beklagten für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte -also privat- zur Verfügung gestellt worden.

Hinweis für die Praxis:

Für Schäden des Arbeitgebers, die durch schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers verursacht worden sind, hat das BAG seit vielen Jahren eine nur eingeschränkte Haftung des Arbeitnehmers angenommen mit der Begründung, „jeder Mensch, also auch der Arbeitgeber, mache Fehler“. Diese Rechtsprechung gilt aber nur für eine betrieblich veranlasste Tätigkeit des Arbeitnehmers und gerade nicht für eine privat veranlasste Tätigkeit, hier für den Weg zur und von der Arbeitsstätte. Rauchen im Fahrzeug ist kein „bestimmungsgemäßer Gebrauch“ des Fahrzeugs. Ggfls. hat der Arbeitnehmer für Raucherpausen die Fahrt zu unterbrechen und außerhalb des Fahrzeugs zu rauchen.

Die Lösung:

Die Klage hatte beim Arbeitsgericht keinen Erfolg. Eine Haftung der ehemaligen Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemannes der Klägerin kam bereits unter Berücksichtigung von § 104 Abs. 1 SGB VII aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Denn sie hat den Arbeitsunfall jedenfalls nicht vorsätzlich i. S. d. Norm verursacht, sondern allenfalls fahrlässig durch unzureichende Absperrung der Maschine bzw. durch fehlende Abschaltungseinrichtungen. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert Vorsatz doppelten Vorsatz, der sich zum einen auf die Verletzungshandlung und zum anderen auf den Verletzungserfolg bezieht (vgl. statt aller BAG, Urteile vom 28.11.2019 – 8 AZR 35/19, 25.04.2011 – 8 AZR 769/09 und 19.02.2009 – 8 AZR 188/08; LAG Nürnberg, Urteil vom 20.12.2022 – 7 Sa 243/22). Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale.

Eine Haftung des Arbeitgebers nach einem Arbeitsunfall kommt nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich – ausnahmsweise - in Betracht, wenn dieser in Kenntnis der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers dies zumindest billigend in Kauf genommen hat. Das Vertrauen darauf, „es werde schon gutgehen“ und das schädigende Ereignis werde nicht eintreten lässt Vorsatz entfallen (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 16.10.2007 BSG, Urteil vom 26.09.2024 – B 2 U 15/22 R

 19 Sa 1891/06). Selbst wenn die Beklagte vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift unbeachtet gelassen hätte und hofft, dass dem Arbeitnehmer kein Unfall wiederfährt, scheidet Vorsatz aus (vgl. BAG, Urteile vom 27.06.1975 – 3 AZR 457/74 und 10.10.2002 – 8 AZR 103/02; ArbG Hamm, Urteil vom 10.10.2018 – 3 Ca 809/18).

Hinweis für die Praxis:

Der Gesetzgeber hat bereits vor vielen Jahrzehnten (vgl. zur Vorgängerregelung des §§ 636, 637 RVO) entschieden, dass Arbeitnehmer, die infolge eines Arbeitsunfalls versterben oder verletzt werden, umfassend durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sind. Gleiches gilt für Hinterbliebene wie Ehegatten und Kinder. Damit soll Streit zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmer bzw. dessen Hinterbliebenen vermieden werden.

Der Preis dafür ist, dass Hinterbliebene nur im Ausnahmefall unmittelbare Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen können und zwar dann, wenn der Arbeitsunfall vom Arbeitgeber vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Diesen gesetzgeberischen Willen haben die Arbeitsgerichte selbstverständlich zu akzeptieren!