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Die Lösung:
Die Klage auf Anerkennung als Arbeitsunfall hatte in beiden Instanzen nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des behandelnden Arztes keinen Erfolg.
Die Einnahme von Medikamenten gehört nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten, sondern ist dem nicht versicherten, persönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Hätte die Klägerin mit der Einnahme der Epilepsie-Tabletten bis zum Schichtende gewartet, wäre ihre Arbeitsfähigkeit nicht gefährdet gewesen (so das Ergebnis der Beweisaufnahme). Besteht ein bloß abstraktes Risiko, dass es ohne die regelmäßige Einnahme der Tabletten während der Arbeitszeit zu einem Epilepsie-Anfall kommen könne, so liegt die Einnahme vorrangig im privaten Interesse und damit im nicht versicherten Bereich. Die Einholung der Erlaubnis des Vorgesetzten, die Tabletten aus dem Wagen zu holen, ist irrelevant. Denn dieser hat die Klägerin gerade nicht angewiesen, dies zu tun, sondern ihr allenfalls gestattet, das Betriebsgelände zu verlassen, um einer privaten Besorgung nachzugehen.

Die Lösung:

Die Anträge des Betriebsrats hatten in allen Instanzen keinen Erfolg.

  • Zwar unterlag die Einführung und Anwendung des Headset-Systems der betrieblichen Mitbestimmung. Denn nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u. a. bei der Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, wenn diese dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.
  • Das von der Arbeitgeberin eingeführte Headset-System ist auch eine technische Einrichtung, die aufgrund ihrer Nutzungsmöglichkeiten dazu bestimmt und geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmenden zu überwachen. Denn die in der Filiale tätigen Führungskräfte können damit die Kommunikation der anderen Arbeitnehmenden jederzeit mithören. Der Überwachungsdruck besteht auch, obwohl die Headsets einzelnen Arbeitnehmenden nicht zugeordnet werden.
  • Unerheblich ist, dass die Gespräche der Arbeitnehmer weder aufgezeichnet noch gespeichert werden, da dies für eine mögliche Überwachung nicht erforderlich ist. Denn der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist bereits dann berührt, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt.
  • Das Mitbestimmungsrecht steht jedoch nicht dem antragstellenden (örtlichen) Betriebsrat, sondern dem (deutschen) Gesamtbetriebsrat zu. Denn das Headset-System ist im gesamten Unternehmen eingeführt worden und betrifft somit sämtliche Betriebe der Arbeitgeberin. Es besteht zudem ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung. Das System wird über ein Portal von den Arbeitnehmenden der IT-Zentrale in Dublin einheitlich betreut und gewartet. Der Betrieb in Deutschland verfügt über keine eigene IT-Abteilung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es (technische und personelle) Möglichkeiten gäbe, die Aufgaben des Helpdesks jeweils in den einzelnen Filialen vor Ort wahrzunehmen.
  • An dem zwingenden Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung fehlt es auch nicht deshalb, weil dass die durch die technische Einrichtung begründete Überwachungsmöglichkeit lediglich auf der jeweiligen betrieblichen Ebene besteht. Zwar können die im Portal abrufbaren Daten in der IT-Abteilung in Dublin nicht den einzelnen Arbeitnehmenden zugeordnet werden. Das Headset-System, das in den Betrieben der Arbeitgeberin zum Einsatz kommen soll, besteht aber nicht nur aus der Hard-, sondern auch aus der damit verbundenen Software sowie untrennbar dem Portal, das vom Anbieter zur Verfügung gestellt wird. Damit handelt es sich um eine einheitliche technische Einrichtung i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und folglich eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit, die insgesamt der nationalen Mitbestimmung – allerdings des Gesamtbetriebsrats und nicht des örtlichen Betriebsrats – unterliegt.

Das Landesarbeitsgericht Köln ist kürzlich der Vorinstanz gefolgt und hat entschieden, dass Arbeitgeber auch innerhalb der so genannten Wartezeit, innerhalb der ein*e schwerbehinderte*r Beschäftigte*r noch keinen Kündigungsschutz genießt, vor einer etwaigen Trennung ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchführen müssen (Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln, 12.09.2024 – 6 SLa 76/24).

Es ging es um einen schwerbehinderten Sachbearbeiter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50, der bei der Stadt Freiburg (im Breisgau) Mitte Oktober 2023 seine Stelle angetreten hatte. Nachdem es in seinem Team dem Arbeitgeber zufolge vor allem aufgrund des menschlichen Umgangs „erhebliche Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit gegeben“ hatte, fanden Ende 2023 und Anfang 2024 mehrere Personalgespräche statt.

Da diese keine Verhaltensänderung bewirkten und er zudem eigenmächtig „Dinge in Arbeitsabläufen geändert“ und „seine Führungskraft in Frage gestellt“ hätte, sprach die Kommune nach Anhörung von Personalrat und Schwerbehindertenvertretung Anfang Februar 2024 zu Ende des Monats die Kündigung aus. Das Integrationsamt wurde darüber informiert.

Dagegen klagte der Mitarbeiter: Er sei weder ordnungsgemäß eingearbeitet noch eingeführt worden. Das habe aufgrund seines Krankheitsbilds, so das Gericht, dazu geführt, dass er sich orientierungslos, „als Last für das gestresste Team empfunden“ und mit Rückzug reagiert habe. Seine Kündigung sei insofern unwirksam, da es die Stadt pflichtwidrig versäumt habe, ein Präventionsverfahren gemäß § 167 Abs. 1 SBG IX durchzuführen, um ihn entweder auf einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen, seinen Arbeitsplatz anzupassen oder ihn zumindest angemessen zu begleiten und zu unterstützen. Das gebiete auch die europäische Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/78/EG).

Das Arbeitsgericht sah das auch so: „Bei Auftreten von Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Menschen“, so die Kammer, „sind Arbeitgeber auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen“. Werde dagegen verstoßen, könne das „eine verbotene Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung indizieren und zur Unwirksamkeit einer Wartezeitkündigung führen“.

Die Richter verwiesen zur Begründung auch auf europarechtliche Vorgaben: So gelte Art. 5 (Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung) der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie “ebenfalls bereits in der Probezeit”. Das habe der Europäische Gerichtshof klargestellt (EuGH 10.02.2022 – C-485/20). Entsprechend müssten Arbeitgeber, sofern ihnen dabei keine unverhältnismäßigen Belastungen entstehen, “die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreifen”, um einem “Menschen mit Behinderung die Ausübung eines Berufes zu ermöglichen”.

Die Lösung:

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 21.08.2024, Az. 10 AZR 190/23) hat die Rechte von Beschäftigten im Schichtdienst bezüglich tariflicher Freistellungstage weiter präzisiert. Das Gericht entschied, dass der Freistellungsanspruch im Schichtdienst anteilig berechnet wird, wenn die Arbeitszeit regelmäßig auf weniger als fünf Tage pro Woche verteilt ist. In diesem Fall ergab sich ein Anspruch von 7,3 Freistellungstagen. Wichtig: Das Gericht stellte klar, dass auch Bruchteile eines Freistellungstags – wie hier 0,3 Tage – als Anspruch bestehen bleiben und nicht einfach durch Stundenbuchung auf dem Arbeitszeitkonto erlöschen. Der Kläger hat somit weiterhin einen Anspruch auf Freistellung im Umfang dieser 0,3 Tage.

Daraus folgt:

  • Die Berechnung der Freistellungstage muss die tatsächliche Verteilung der Arbeitstage berücksichtigen.
  • Tarifliche Freistellungsansprüche, auch in Bruchteilen von Tagen, verfallen nicht automatisch und können weiterhin geltend gemacht werden.
  • Betriebsräte sollten darauf achten, dass tarifliche Regelungen zur Freistellung korrekt umgesetzt werden und im Zweifel auf Erfüllung des Anspruchs bestehen.

Dieses Urteil verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung einer genauen Überprüfung tariflicher Regelungen und ihrer Anwendung im betrieblichen Alltag. Betriebsräte spielen hier eine zentrale Rolle, um die Rechte der Beschäftigten auf tarifliche Freistellung durchzusetzen.

Die Lösung:
Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg. Ein Vergütungsanspruch besteht nicht.
Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag und dem Arbeitszeitgesetz ist Arbeitsvergütung u. a. nicht geschuldet, wenn der*die Arbeitnehmende Pause nimmt. Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 S. 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung des „im Voraus feststehend“ auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause hat, und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger war auch bei entsprechendem Bedarf nicht verpflichtet, seine Pause zu unterbrechen. Der Kläger hatte außer seiner subjektiven Wahrnehmung einer Hab-Acht-Stellung, in der er sich beim Aufenthalt in der Kantine während der Pausen wegen des dortigen Monitors befunden haben will, nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen könnten, er habe seine Pausen zwingend in der Kantine und dort mit Blick auf den Monitor verbringen müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass ihm von der Beklagten Einschränkungen von solcher Art auferlegt worden seien, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten.

Hinweis für die Praxis:
Das Ergebnis ist richtig; die Klage ist unschlüssig! Der Kläger war weder verpflichtet noch durfte er sich für verpflichtet halten, bei Störungen in der Produktion seine Pause zu unterbrechen. Er war noch nicht einmal verpflichtet, während der Pause den in der Kantine befindlichen Monitor zu beobachten.

Die Lösung:

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das LAG wies sie überwiegend ab.

  • Nach dem Wortlaut des Tarifvertrags hat die Klägerin keine weiteren finanziellen Ansprüche auf „Inflationsausgleich“.
  • Die tarifliche Regelung ist wirksam und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Arbeitsentgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen, weil der Inflationsausgleich auch arbeitsleistungsbezogen ist und einen Vergütungszweck verfolgt.
  • Die Klägerin hat lediglich aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit im Dezember 2023 Anspruch auf Inflationsausgleich in Höhe von 220 €, da sie in diesem Monat Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte.

Hinweis für die Praxis:

Die Klägerin hat auch eine Entschädigung nach dem AGG wegen „Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts“ verlangt. Auch dieser Antrag ist selbstverständlich abgewiesen worden, da die bloße Anwendung eines möglicherweise unwirksamen Tarifvertrags nicht diskriminierend sein kann.

2. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit i.S.v. § ZPO § 292 ZPO mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre. Der Arbeitgeber ist nicht auf die in § SGB V § 275 Abs. SGB V § 275 Absatz 1a SGB V aufgeführten Regelbeispiele ernsthafter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit beschränkt. Den Beweiswert erschütternde Tatsachen können sich auch aus dem eigenen Sachvortrag des Arbeitnehmenden oder aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst ergeben.

3. Ein gegen den Beweiswert sprechender Umstand kann darin liegen, dass zwischen der durch Folgebescheinigungen festgestellten Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz besteht.

4. Bei der Bewertung der Umstände des Einzelfalls dürfen an den Vortrag des Arbeitgebers zur Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, weil er nur über eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten verfügt. Der Arbeitgeber muss nicht Tatsachen darlegen, die den Beweis des Gegenteils begründen können. (amtl. Leitsätze)

Die Lösung:

Arbeitsgericht und LAG haben die Klage abgewiesen. Das BAG hat die Entscheidung des LAG teilweise aufgehoben, das Verfahren an das LAG zurückverwiesen und festgestellt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, der Klägerin eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2020 zu gewähren.

  • Die Jahressonderzahlung hat Vergütungscharakter und stellt eine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung dar.
  • Die bis zum Beginn der Freistellungsphase am 01.10.2020 von der Klägerin erbrachten Arbeitsleistungen sind für den Anspruch auf Sonderzahlung zu berücksichtigen.
  • Die Höhe des Anspruchs der Klägerin (9/12 des maximalen Betrags?) konnte das BAG wegen Fehlens von Sachverhalt nicht berechnen, weshalb das Verfahren an das LAG zurückverwiesen wurde.

 

Hinweis für die Praxis:

Bei Altersteilzeit im Blockmodell wird in der Freistellungsphase das Guthaben verbraucht, welches der/die Arbeitnehmer*in in der Arbeitsphase aufgebaut hat. Bei der Berechnung der Jahressonderzahlung bzw. des Weihnachtsgelds ist auch ein unterjähriger Wechsel von der Arbeits- zur Freistellungsphase ratierlich zu berücksichtigen. Danach dürfte die Klägerin wohl Anspruch auf 9/12 der Gratifikation für das Kalenderjahr 2020 haben.

Die Lösung:
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat dem Kläger Schmerzensgeld i. H. v. 1.500 € zugesprochen. Dagegen haben beide Parteien im Ergebnis erfolglos Revision bzw. Anschlussrevision eingelegt.

  • Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist u. a. die Verarbeitung von Gesundheitsdaten grundsätzlich verboten. Art. 9 Abs. 2b DSGVO lässt dieses Verbot aber entfallen, falls die Verarbeitung erforderlich ist, damit der/die Verantwortliche die ihm/ihr „aus dem Arbeitsrecht … erwachsenden Rechte“ ausüben kann, soweit dies nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person vorsieht, zulässig ist.
  • Nach § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten i. S. d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten u. a. aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. 
  • Mit diesen Regelungen hat der deutsche Gesetzgeber in zulässiger Weise von der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO Gebrauch gemacht. Durch das Kriterium der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG ist sichergestellt, dass ein an sich legitimes Ziel nicht zum Anlass genommen wird, überschießend personenbezogene Daten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DSGVO zu verarbeiten.
  • Hier handelt es sich wegen der Dokumentation des sichtbaren Gesundheitszustands des Klägers, insbesondere seines Gangs, zum Teil um Gesundheitsdaten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Nr. 15 DSGVO. Demzufolge ist die Zulässigkeit der Datenverarbeitung insgesamt nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 3, § 22 Abs. 2 BDSG zu beurteilen.
  • Hegt der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und möchte er den Arbeitnehmenden deshalb durch Detektive oder andere Personen beobachten lassen, kann die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten nur zulässig sein, wenn der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nach § 275 Abs. 1a S. 3 SGB V nicht möglich ist oder objektiv keine Klärung erwarten lässt. Anderenfalls ist die Ermittlung als Datenverarbeitung nicht erforderlich i. S. v. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG.
  • In der Rechtsprechung des BAG war schon vor dem Inkrafttreten der DSGVO und des BDSchG anerkannt, dass bei einem Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit trotz einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Observation des/der Arbeitnehmenden durch Detektive wegen des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) nur in Betracht kommt, falls begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen AUB bestehen. Aber selbst wenn solche Zweifel an der AU bestehen, hat der Arbeitgeber ggf. mittels einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenkasse nach § 275 Abs. 1a S. 3 SGB V als milderes Mittel einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des/der betroffenen Arbeitnehmenden zu vermeiden.
  • Demnach war die in Rede stehende Observation durch eine Detektei zur Ausübung von Rechten aus dem Arbeitsrecht nicht erforderlich (Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG) und stellt damit einen Verstoß gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO dar.
  • Der Beweiswert der beiden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 ist nicht erschüttert.
  • Der Kläger hat – wovon das LAG (zurecht) ausgegangen ist – durch die rechtswidrige Observation einen immateriellen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO erlitten. … Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast hat der Gerichtshof der Europäischen Union klargestellt, dass die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung nachweisen muss, sondern auch, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden ist (vgl. EuGH 11. April 2024 – C-741/21; 25. Januar 2024 – C-687/21 –  Rn. 60 f.). Der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten kann einen immateriellen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen, der einen Schadenersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten hat (EuGH 11.04.2024 – C-741/21 – Rn. 42; 25.01.2024 – C-687/21 –  Rn. 66). Dabei können negative Gefühle (auch bereits eine Befürchtung) einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus. Das Gericht hat vielmehr zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ (EuGH 14.12.2023 – C-340/21 – Rn. 85). Dies setzt zwingend die Anwendung eines objektiven Maßstabs voraus (BAG 20.06.2024 – 8 AZR 124/23 – Rn. 15).
  • Das LAG hat zu Recht angenommen, der Schaden liege hier entsprechend dem Vortrag des Klägers in dem durch die Überwachung erlittenen Kontrollverlusts und insbesondere im Verlust der Sicherheit vor Beobachtung im privaten Umfeld.
  • Die Höhe des nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu zahlenden Schadenersatzes ist durch das Landesarbeitsgericht frei von Rechtsfehlern bestimmt worden.

Die Lösung:
Das Hauptziel der Richtlinie besteht darin, dass vor Massenentlassungen Konsultationen mit der Arbeitnehmervertretung stattfinden und die zuständige Behörde entsprechend unterrichtet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt eine Massenentlassung im Sinne der Richtlinie vor, wenn Beendigungen von Arbeitsverträgen ohne Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmenden erfolgen.

Daher ist das spanische Gesetz mit der Richtlinie unvereinbar. Diese findet nämlich im Fall des Eintritts des Arbeitgebers in den Ruhestand Anwendung, sofern die vorgesehenen Schwellenwerte für Entlassungen erreicht sind. Dieser Fall ist nicht mit dem Fall des Todes des Arbeitgebers (dazu EuGH, Urteil vom 10.12.2009 – C 328/08) vergleichbar, da ein Arbeitgeber, der in den Ruhestand tritt (im Gegensatz zu einem verstorbenen Arbeitgeber) grundsätzlich in der Lage ist, Konsultationen durchzuführen, um u. a. die Beendigungen zu vermeiden, ihre Zahl zu verringern oder jedenfalls ihre Folgen abzumildern.