Der (Un)-Sinn von Mitarbeiterbefragungen

 

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Mitarbeiterbefragungen gehören seit vielen Jahren zum Standardinstrument in Unternehmen. Die Ergebnisse sollen als Stimmungsbarometer dienen, mögliche Schwachstellen in den Organisationsprozessen, Strategien und Ausrichtungen identifizieren und Rückmeldungen über das Thema Führungsverhalten geben. Anbieter von Mitarbeiterbefragungen werben damit, dass dieses Instrument die Leistungsbereitschaft und die Motivation der Mitarbeiter steigern kann, weil die Unternehmensleitung mit den Befragungen Interesse an den Meinungen der Mitarbeiter bekundet.

Schon 2003 führten 82 % der 100 umsatzstärksten deutschen Unternehmen laut einer Studie von Bungard/Steimer (1) Mitarbeiterbefragungen durch. Zweifelsfrei können die Umfrageergebnisse auf Stärken und Schwächen eines Unternehmens hinweisen. Die entscheidenden Fragen sind jedoch, welche konkreten Konsequenzen aus den Ergebnissen gezogen werden und welche daraus resultierenden Maßnahmen umgesetzt werden. Genau hier setzt in der Fachdiskussion die wesentliche Kritik an. So lautet die Überschrift eines Artikels zum Thema Mitarbeiterbefragungen im Handelsblatt (06/ 2014) kurz und bündig: „Wenn keine Wirkung folgt, ist die Motivation tot.“ Und auch schon 2002 kommt das Institut für Kommunikationsanalyse und Evaluation (com.x) in einer umfassenden Studie, in der Personaler und Mitarbeiter befragt wurden, u. a. zu dem Schluss: „Der „Hauptfeind“ einer Mitarbeiterbefragung ist aber oft nicht die Befragung selbst, sondern enttäuschte Erwartungen, wenn sich aus der Befragung keine Änderungen ableiten.“ (2) Die Studie weist aber auch auf das Dilemma hin, dass unter Konsequenzen jeder nur das verstehen will, was seiner Meinung nach für ihn von Nutzen ist. Unangenehme Konsequenzen werden negativ gesehen und die Mitarbeiterbefragung dann entsprechend als nicht nützlich bewertet. In jedem Falle muss eine transparente Begleitung folgen, die über - die Ergebnisdarstellung hinaus - Veränderungsprozesse erklärt und langfristig begleitet.

Sicherlich haben Unternehmen und Institute, die diese Befragungen durchführen, aus den bekannten Kritikpunkten gelernt und sie tragen Sorge dafür, dass die Nachbereitung transparent ist und die Mitarbeiter eingebunden werden. Allerdings gibt es aber auch Unternehmen, die nicht den Anspruch haben, offen und transparent zu kommunizieren und ihre Mitarbeiter „mitnehmen“ zu wollen. So kommt die Studie des Instituts com.x zu dem Schluss: „Besteht also von Anfang an kein Wille zu Kommunikation, Offenheit und Konsequenz, sollte man erst gar keine Mitarbeiterbefragung starten.“ (3)

Kritisch in Bezug auf die Wirksamkeit ist zudem der Aspekt der „Vorgesetztenbewertung“, die in jeder Mitarbeiterbefragung direkt oder indirekt abgefragt wird. So bieten die Befragungen zwar für Mitarbeiter eine gute Chance, ihre eventuell kritische Haltung gegenüber ihren Vorgesetzten - im Rahmen einer anonymen Befragung - kundzutun. Aber die Workshops, die nicht selten als Reaktion auf schlechte Vorgesetztenbeurteilungen folgen, sind nicht immer darauf angelegt, die wirklich kritischen Punkte anzusprechen. Oder die Vorgesetzten führen mit ihrem jeweiligen Vorgesetzten ein Gespräch über die „schlechte“ Bewertung und bekommen Appelle mit auf den Weg.

Konstruktive Veränderungen können aber nur dann stattfinden, wenn die Kritikpunkte persönlich adressiert werden, das heißt Mitarbeiter und Führungskraft in einen Dialog treten. Das bedeutet, dass Kritikpunkte gemeinsam analysiert werden müssen: Wie realistisch sind gegenseitige Erwartungen? Wer hat wo, welchen Einfluss und welche Verantwortung? Gibt es vielleicht „blinde Flecken“ im Verhalten? Welche Rolle ist nicht klar? Welche Ursachen liegen evtl. an der Unternehmensstruktur? Welche Unternehmensstrategie ist nicht genügend vermittelt worden?

Eine ernsthafte Klärung setzt natürlich die Bereitschaft und die persönliche Kompetenz voraus, konstruktiv mit Kritik umzugehen. Und diese Haltung muss durch die Unternehmensleitung bzw. durch die Unternehmenskultur unterstützt werden.

Deshalb plädiere ich dafür, das Thema Vorgesetztenbeurteilung „niedrigschwelliger“ anzugehen. Das bedeutet auf unterschiedlichen Ebenen eine Feedbackkultur zu implementieren und alle Führungskräfte darin zu schulen, professionelle Feedbackgespräche zu führen.

Aber auch hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Wenn die Unternehmensleitung keine offene Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Führungskräften wünscht, guten Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften keinen besonderen Wert beimisst, Mitarbeitergespräche und Veränderungsvorschläge von „unten“ als lästig wahrnimmt, dann nützen auch einzelne Feedbackgespräche langfristig wenig.

Aber zum Glück hat sich herumgesprochen, dass das Interesse der Führungskraft an seinen einzelnen Mitarbeitern ein wichtiger Motivationsfaktor ist. Es schafft die Basis für eine Feedbackkultur, in der Schwachstellen direkt und lösungsorientiert kommuniziert werden können - und das ist manchmal sinnvoller als eine groß angelegte Mitarbeiterbefragung.

(1) Bungard, W. & Steimer, S. (2005). Feedback-Kultur in deutschen Unternehmen: Ergebnisse einer Expertenstudie bei den 100 umsatzstärksten Unternehmen. In I. Jöns & W. Bungard (Hrsg.)
(2) http://www.comx-forschung.de/dl/mitarbeiterbefragung_studie.pdf
(3) http://www.comx-forschung.de/dl/mitarbeiterbefragung_studie.pdf