Integration älterer Arbeitnehmer in den technologischen Wandel

Von: M. Bösl, Prakt. Betriebswirt, Betriebs,- Wirtschaft,- und Konfliktberater

Kaum ein Tag vergeht in Deutschland, Europa oder der Welt, an dem nicht mindestens eine sogenannte Botschaft – oder anders formuliert: eine negative Information – verbreitet wird.

Warum ist das so?

Volkswirtschaftlich Interessierte finden darauf zahlreiche Antworten. Auch in Unternehmen stehen Verantwortliche –  darunter insbesondere Betriebsräte –  im Fokus, die sich für die Entwicklung relevanter Kennzahlen interessieren. Globale Krisenherde wie etwa Donald Trump, der Krieg in der Ukraine oder wirtschaftliche Schocks dienen häufig als Erklärungen. Doch oft genug sind es hausgemachte Probleme, die uns zunehmend beschäftigen.

Das Rentenproblem und seine betrieblichen Auswirkungen

Das Rentensystem ist seit Jahrzehnten reformbedürftig. Viele politisch Verantwortliche scheuen sich jedoch – oft aus Rücksicht auf die Wählergunst – vor tiefgreifenden Reformen.
Glaubt man offiziellen Statistiken, setzt sich das durchschnittliche Bruttoeinkommen der über 65-Jährigen wie folgt zusammen:.

  • 53 % gesetzliche Rente
  • 17 % sonstige Alterssicherungsleistungen
  • 13 % Erwerbseinkommen
  • 7 % betriebliche Altersversorgung
  • 6 % private Vorsorge
  • 1 % Transferleistungen
  • 3 % sonstige Einkünfte

Daraus ergibt sich: Für viele ältere Menschen ist Erwerbsarbeit im Ruhestand nicht nur ein Wunsch, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. 2023 waren rund 1,7 Millionen Menschen über 65 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Daraus ergibt sich nicht nur eine gesamtgesellschaftliche, sondern auch eine betriebliche Verantwortung, gezielt Programme und Strukturen für diese Zielgruppe zu schaffen.

Handlungsfelder für Betriebsräte

Daraus leiten sich zwei zentrale Fragestellungen ab:

  1. Welche Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten haben Betriebsräte oder vergleichbare Gremien?
  2. Wie lassen sich Programme zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer umsetzen, ohne gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu verstoßen?

Betriebsräte haben reale Chancen, sich aktiv an der Gestaltung altersgerechter Beschäftigung zu beteiligen. Ein Blick in das Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere auf § 92 BetrVG, zeigt konkrete Ansatzpunkte. Unternehmen, die proaktiv mit diesem Thema umgehen, schaffen nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern stärken auch langfristig ihre Unternehmenskultur und Wettbewerbsfähigkeit. .

Alterswissen als strategischer Vorteil

Produktivität, Fehlervermeidung und Erfahrungswissen sind zentrale Erfolgsfaktoren, die sich auch wirtschaftlich messen lassen. Wissensmanagement spielt dabei eine entscheidende Rolle – insbesondere im Zusammenspiel mit Digitalisierung und KI. In einer nachhaltigen Unternehmenskultur muss sich der Wert von Erfahrung und Betriebszugehörigkeit wieder stärker abbilden.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Der Begriff „Social Rating“, der in den 2000er-Jahren aufkam, findet sich heute in ESG-Kriterien wieder. Man muss das Rad also nicht neu erfinden – nur neu denken.

AGG – Hürde oder Chance?

In der Praxis wird häufig auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verwiesen, wenn Programme für ältere Mitarbeitende diskutiert werden. Die Sorge vor Diskriminierung bremst jedoch oftmals Innovation. Doch ist es wirklich eine Benachteiligung, wenn jemand aufgrund seines Alters weiterbeschäftigt wird, um selbstbestimmt und würdevoll zu leben?

Programme zur Förderung älterer Beschäftigter sind nicht automatisch diskriminierend – im Gegenteil: Sie können gegenseitige Vorteile schaffen. Auch die Vertragsfreiheit lässt Raum für flexible Lösungen. Noch immer besteht kein gesetzlicher Zwang zum Renteneintritt ab 67.

Fazit: Praktikable Lösungen statt Scheindebatten

Für Betriebsräte bleibt es eine Herausforderung, kollektive Lösungen zu entwickeln, die für alle Seiten tragfähig sind. Doch aus meiner Beratungspraxis weiß ich: Lösungen gibt es immer – auch wenn sie nicht sofort sichtbar sind.

Mein Appell:

Lasst uns praktikable Programme entwickeln, die wirklich etwas bewirken – vielleicht nicht unter dem Titel „Förderprogramm für ältere Mitarbeitende“, sondern z. B. als „Statusprogramm für langjährige Fachkräfte“ oder als Weiterbeschäftigungsmodell nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeit. Inspiration liefern uns z. B. bestehende Entgeltmodelle. In diesem Sinne: alles Gute!

Michael Bösl