Reden auf Betriebsversammlungen

 

730x300 - Publikum eines Vortrags

Mandy Meier hat es geschafft. Mit großer Mehrheit wurde sie zur Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Nun steht „ihre“ erste Betriebsversammlung an und Mandy will es anders gestalten. Nicht wieder diese langweiligen Veranstaltungen, bei denen niemand zuhört, und alle gelangweilt auf das Ende des „Events“ warten. Ja, diesmal soll es anders laufen. Das ist leichter gesagt als getan. Der obligatorische Rechenschaftsbericht ist keine gute Vorlage für fesselnde Reden mit Herz und Verstand. Oder doch?

Jedenfalls will sich Mandy von der ermüdenden Vorlesetristesse ihres Vorgängers im Amt absetzen. „Sehrgeehrtedamenundherrenliebekolleginnenundkollegenichbegrüße-sieganzherzlichzurheutigenbetriebsversammlungundfreuemichdasssie-allesozahlreicherschienensind“

So eben nicht. Aber wie sonst?

In einem Betriebsrats-Seminar zum Thema „Die Betriebsversammlung“ hat Mandy gute Vorschläge zur Gestaltung von Reden auf Betriebsversammlungen erhalten. Diese will sie umsetzten.

Erster Schritt: Klären der Ausgangslage

Wer sind meine Zuhörer*innen? Wen will ich erreichen? Nur meine Kolleg*innen, oder auch die Geschäftsleitung, die Personalabteilung, Abteilungsleiter*innen , Gewerkschaft?
Welche Themen interessieren, welche sind relevant? Wie ist das Vorwissen meiner Zuhörer*innen? Welche (unausgesprochenen) Fragen hat mein Publikum an mich? Bei welchem Thema erwartet man Antworten, Vorschläge von mir?

 

Zweiter Schritt: Antworten

Im Rahmen der Redevorbereitung beantwortet Mandy die Fragen, die ihr Publikum vermutlich an sie als Rednerin und Betriebsratsvorsitzende hat. So stellt sie sicher, dass sie die Interessen und Erwartungen trifft und nicht an ihrer „Zielgruppe“ vorbeiredet. Die Antworten „baut“ sie in ihren Redetext später ein.

 

Dritter Schritt: Gliederung

Das ist denkbar einfach. Was immer funktioniert ist die Abfolge: Was war? Was ist? Was wird?
Was war? Hier wird nur das wirklich Wesentliche aus der Zeit seit der letzten Betriebsversammlung angeführt. Es gilt: Weniger ist mehr. Nur das, was für die Belegschaft wirklich wichtig ist.
Was ist: Womit beschäftigt sich der Betriebsrat aktuell. Auch hier dringend auf die Relevanz achten!!
Was wird: Der Ausblick, also die Schwerpunktaufgaben für die überschaubare, nächste Zeit.

Bei diesen drei Gliederungspunkten immer beachten: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Nicht immer sind die Themen des Betriebsrats auch wichtig und interessant für die Belegschaft. Wird dieser Grundsatz nicht beachtet, gibt es in der anstehenden Rede viel „Gähnpotenzial“!

 

Vierter Schritt: Überprüfung

Mandy überprüft nun, an welchen Stellen sich die Antworten auf die (selbstgestellten) Fragen in den Text einbauen lassen. (Vgl. zweiter Schritt).
Danach steht das Grundgerüst für die Rede. Erst jetzt sollte die Formulierung der Einleitung und des Schlussteils erfolgen.


Fünfter Schritt: Einleitung

Hier ist „Storytelling“ angesagt. Mandy wird wie folgt beginnen:
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor einer Woche hat es mich mehr oder weniger zufällig in die Alpha Abteilung verschlagen. Nichts Böses ahnend, auf dem Weg zur Kantine, werde ich von drei aufgebrachten Kollegen „gestellt“, die ununterbrochen auf mich einreden. Nach ca. fünf Minuten wird klar um was es geht. Die Empörung springt auch auf mich über: Die Abteilung Alpha soll aufgelöst werden, ohne dass im Vorfeld mit dem Betriebsrat oder den unmittelbar Betroffenen gesprochen worden ist. Meine Damen und Herren von der Geschäftsleitung, - die ich an dieser Stelle hier auch begrüßen darf -, wie kann das sein? Sie haben gleich Gelegenheit hier einige Klarstellungen vorzunehmen. Wir werden aufmerksam zuhören.
Aber zunächst mal gehe ich auf ein anderes „Erdbeben“ ein ...“

 

Sechster Schritt: Schlussteil

Die alte Floskel „Ich danke Ihnen fürs Zuhören“ zeugt nicht gerade von übermäßiger Kreativität. Es geht auch schlimmer: “So, das wars eigentlich, falls Sie noch eventuell Fragen haben ...“
Besser, weil mal anders z. B.: „Ich freue mich, dass wir gemeinsam fertig geworden sind. Sie mit dem Zuhören und ich mit meinem Rechenschaftsbericht“. Das kann als (wenig) ironisch interpretiert werden, aber 90 % des Publikums kann damit prima umgehen.
Ansonsten beim Schlussteil darauf achten:

  • Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte, wenn es bei der Rede vorwiegend um die Vermittlung von Informationen geht,
  •  ein konkreter Appell, wenn es sich um eine Überzeugungsrede handelt,
  • eine Wiederholung der offenen Fragen, wenn der Redner Rückmeldungen aus dem Publikum erwartet.

Prinzipiell gilt: „Tritt fest auf, mach´s Maul auf, hör bald auf“ (Martin Luther, Anleitung für einen guten Prediger)

Körpersprache:

Luther beschreibt das mit „Tritt fest auf“. Gemeint ist der Gesamtbereich „nonverbale Kommunikation“. Kein Zweifel, die Authentizität eines Redners, einer Rednerin wird entscheidend von der Körpersprache geprägt. 70 % bis 80 % des Erfolgs sind nonverbalen Wirkungsfaktoren zuzurechnen. Mandy hat beschlossen, auch das in einem Betriebsrats-Seminar zu lernen.

Genauso wie das breite Thema Visualisierung/Präsentation. Hier gibt es eine Vielzahl von Medien und Formaten, die sinnvoll eingesetzt werden können, um Reden auf einer Betriebsversammlung zu unterstützen - eben nicht nur Power Point!

Und schließlich das freie Vortragen einer Rede mit dem Einsatz der Kartentechnik.  
Es gibt also noch viel zu tun ...

von Dr. G. Linn
Trainer und Coach