Der Betriebsrat hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich erforderliches Wissen anzueignen. Weiterbildung – ja! Aber in welcher Form? Längeres Präsenzseminar oder kürzeres Webinar oder eine Inhouse-Schulung? Sechs Irrtümer zu drei Kernfragen, auf die es ankommt!
Irrtümer sind – wie Glaubenssätze – weit verbreitet im Alltag. Und auch der Betriebsratsalltag ist davon betroffen. Hartnäckig halten sich bestimmte Ansichten insbesondere zum Seminarbesuch. Dabei muss der Betriebsrat ja eigentlich nur eine Bestandsaufnahme dazu machen, wer im Gremium noch nicht über welches grundsätzliche oder aus aktuellem Grund erforderliche Wissen im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG verfügt und sodann (ggf. im Rahmen einer umfassenden Bildungsplanung) Beschlüsse zu Seminarbesuchen der jeweiligen BR-Mitglieder fassen. Dies natürlich nach Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange.
Der Betriebsrat hat also einen Ermessensspielraum bei der Auswahl der Weiterbildungen und bei der Seminarplanung. Ist nun die Auswahl getroffen, tauchen oftmals Glaubenssätze auf (oder einfach eine irrtümliche Einschätzung der Rechtslage) zu drei Kernfragen: die zulässigen Inhalte, die Kosten wie auch die Dauer bzw. Häufigkeit von Seminaren. Diese Irrtümer sind manchmal auch im Gremium vorhanden oder (weit verbreitet) werden seitens des Arbeitgebers als Einwand bzgl. der Kostenübernahme entgegengehalten.
Falsch: Die Inhalte sind nicht per se begrenzt. Auch Spezialseminare sind in der Regel erforderlich, wenn Sie demnächst aus aktuellen betrieblichen Gründen über spezielle – aber Ihnen derzeit noch fehlende – Kenntnisse verfügen müssen (BAG 14.01.2015 – 7 AZR 95/12 und BAG 12.01.2011 – 7 ABR 94/09, Rhetorik). Wenn Sie darüber hinaus spezielle Aufgaben oder Ämter (z. B. in einem Ausschuss) übernehmen, sind in der Regel auch dafür weiterführende oder Spezialseminare erforderlich. Ob ein Spezialseminar für einzelne Betriebsratsmitglieder erforderlich ist, ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen!
Falsch: Dazu gehört auch der weitere Irrtum: Bei der Auswahl der Seminare müsse die jeweils kürzeste Veranstaltung genommen werden. Da kürzere Seminare in der Regel auch günstiger sind. Aber: Im Rahmen der Auswahlentscheidung müssen Sie nur darauf achten, dass der Arbeitgeber durch die Kosten (Seminargebühr, Fahrt, Unterkunft und Verpflegung) nicht unverhältnismäßig belastet wird. Vergleichen Sie daher Seminare verschiedener Anbieter und berücksichtigen Sie dabei auch Inhalt und Umfang des vermittelten Wissens (Stichwort „Gleichwertigkeit“) sowie die Vertrauenswürdigkeit des Veranstalters.
Falsch: Auch die Entscheidung, ob Sie ein Inhouse-Seminar machen oder ein externes Seminar, unterliegt Ihrem Beurteilungsspielraum. Der Arbeitgeber kann Sie also nicht zu einem Inhouse-Seminar zwingen, allerdings müssen Sie im Rahmen der Ermessensabwägung immer auch die Kosten berücksichtigen. Es gilt die Faustregel: Je günstiger und organisatorisch einfacher die Inhouse-Schulung im Vergleich zu einer externen (gleichwertigen) Schulung ist, umso höher sind die Anforderungen an die Begründung für das externe Seminar (vgl. z. B. ArbG Trier, Urteil vom 20.11.2014 – 3 BV 11/14: Kostenmehrbelastung + 70 %).
Dennoch: Gerade wenn es um unternehmensspezifische Fragestellungen geht, wie z. B. Arbeitszeitregelungen, Vorbereitung auf Verhandlungen von Betriebsvereinbarungen etc., oder um Fragen der Arbeitsorganisation im Gremium und/oder Teambildung, sollten Sie doch über ein Inhouse-Seminar nachdenken. So können Sie ungestört und abgestimmt auf Ihre Situation an Ihren speziellen Themen arbeiten! Und als Team zusammenfinden. Ihre Themen stehen im Vordergrund, näheres unter www.poko.de/betriebsrat/inhouse-service – fragen Sie uns und lassen sich beraten!
Falsch: Der Arbeitgeber kann grundsätzlich nicht verlangen, dass Betriebsratsschulungen in virtueller Form („Webinare“) besucht werden (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21). Webinare sind – gerade bei Grundlagenschulungen – hinsichtlich des Lerneffektes nicht vergleichbar mit Präsenzseminaren. Es geht nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch darum, in Diskussionen und mit Fragen an die Gruppe oder den/die Referent*in ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man sein Mandat sachgerecht auch im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Absatz 1 BetrVG) ausübt. Das kann der Besuch eines Webinars nicht bzw. nur sehr eingeschränkt leisten. Sollte aus privaten Gründen oder persönlichen Präferenzen für Sie dennoch ein Webinar in Betracht kommen – auch das finden Sie bei uns: www.poko.de/betriebsrat/webinare. Tipp: Geht übrigens auch als Inhouse-Webinar.
Falsch: Der Schulungsanspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG zu erforderlichen Inhalten unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung im Kalenderjahr. Die 3-Wochen-Begrenzung betrifft ausschließlich Schulungen nach § 37 Abs. 7 BetrVG, einen Schulungsanspruch zu Inhalten, die lediglich „geeignet“ sind. Dieser besteht zusätzlich zum Schulungsanspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG für erforderliche Schulungsinhalte, d. h. ist ein (zeitlich begrenzter) Weiterbildungsanspruch „on top“, für den Sie der Arbeitgeber ebenfalls von der Arbeit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge freistellen muss. Die Kosten für solche zusätzlichen Schulungen müssen Sie allerdings als Betriebsratsmitglied selber übernehmen.
Falsch: Es gelten dazu die allgemeinen Grundsätze der Erforderlichkeit von Grundlagen- und Spezialseminaren, s. o. Weit verbreitet ist auch die Abwandlung des Irrtums, am Ende der Amtszeit könnten keine Seminare mehr besucht (oder inhouse durchgeführt) werden. Nach der Rechtsprechung des BAG bestehen insbesondere für Grundlagenseminare keine festgelegten zeitlichen Grenzen (BAG, Urteil v. 07.05.2008, Az. 7 AZR 90/07), so dass sogar direkt vor anstehenden Betriebsratswahlen ein Seminarbesuch möglich ist. Eine besondere Darlegung der Erforderlichkeit der Schulung durch den Betriebsrat ist nicht (mehr) notwendig, die vermittelten Inhalte müssen allein relevant sein für die Betriebsratsarbeit. Entscheidend ist also nicht, dass konkrete Situationen absehbar sind, die besondere Kenntnisse aus Schulungen voraussetzen, sondern dass der Betriebsrat bei der Beschlussfassung dies nicht ausschließen kann und die Kenntnisse möglicherweise benötigt. Dies betrifft insbesondere Schulungen, bei denen Wissen zu Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt wird.
Was können Sie tun, wenn der Arbeitgeber dem Seminarbesuch bzw. Ihrem geplanten Inhouse-Seminar widerspricht?
Hält der Arbeitgeber bei der Auswahl des Seminartermins betriebliche Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt, kann er die Einigungsstelle anrufen. Bestreitet der Arbeitgeber die Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit der Seminarteilnahme, können Sie sich als Betriebsrat an das Arbeitsgericht wenden.
Weiterführende Infos hier