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Die Lösung:
Der Kläger hatte sowohl beim Arbeitsgericht als auch beim Landesarbeitsgericht Erfolg.
Die Kündigung ist bereits wegen fehlerhafter Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) sozial ungerechtfertigt und somit rechtsunwirksam.
Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt kündigt. Es sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmenden innerhalb der Vergleichsgruppen mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen, soweit diese hinsichtlich ihrer Qualifikation in der Lage sind, die anfallenden Restarbeiten zu erledigen. Dazu hat der Insolvenzverwalter nur unzureichend vorgetragen.

Was lernen wir daraus?

Der Arbeitgeber muss auch bei einer in Etappen durchgeführten Betriebsstilllegung im Rahmen der Sozialauswahl die schutzwürdigsten Arbeitnehmenden bis zur endgültigen Schließung des Betriebs weiterbeschäftigen, soweit sie für die anfallenden Arbeiten aufgrund ihrer Qualifikation und Fähigkeiten in der Lage sind. Ansonsten ist möglicherweise die Kündigung unwirksam und der Insolvenzverwalter muss eine weitere Kündigung aussprechen, nachdem der Betrieb längst insgesamt „abgewickelt“ und geschlossen ist.

Die Lösung:
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Beim LAG haben die Parteien auf Vorschlag der Kammer einen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher Kündigung zum 28.02.2022 sein Ende gefunden hat und sich die Beklagte verpflichtete, an den Kläger eine Abfindung i. H. v. 8.000 € zu zahlen.

Das LAG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass die Kündigungsschutzklage wohl Erfolg haben würde und das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht. Warum?

  • Das unerlaubte Laden des Privatfahrzeugs auf Kosten des Arbeitgebers ist ein an sich geeigneter Kündigungsgrund. Dies gilt erst recht, weil das Laden an einer 220-Volt-Steckdose und nicht an einer Wallbox oder eingerichteten Ladestation erfolgt (Brandgefahr durch Überhitzung etc.).
  • Aber: Handelt es sich um ein „unerlaubtes Laden“? Nach streitigem Vortrag des Klägers war ausdrücklich „nur“ Hotelgästen das Laden von PKW verboten. Dazu hätte es somit einer umfangreichen Beweisaufnahme bedurft. Mit anderen Worten war das Ergebnis der Beweisaufnahme „offen“ und es bestand ein erhebliches finanzielles „Annahmeverzugsrisiko“ auf Seiten der Arbeitgeberin.
  • Außerdem: Die (Strom-)Kosten für den Ladevorgang sollen lediglich 0,41 € betragen haben. Dies spricht dafür, dass die Kündigung möglicherweise auch „unverhältnismäßig“ gewesen sein könnte, zumal die Arbeitgeberin das Laden anderer elektronischer Geräte (Handys, Tablets etc.) durch Mitarbeitende „geduldet“ hat.

 

Hinweis für die Praxis:
Es handelt sich sicherlich um Einzelfallentscheidung. Die Rechtsansicht des LAG Düsseldorf ist vertretbar.

  • Man kann aber sicherlich auch gut vertreten, dass auch ein „Schaden“ auf Arbeitgeberseite i. H. v. 0,41 € ein ausreichender Grund für eine außerordentliche oder jedenfalls ordentliche Kündigung sein kann.
  • Dass Mitarbeitende während der Arbeitszeit auf Kosten der Arbeitgeberin ihre Handys bzw. Tablets laden, ist mit dem Ladevorgang eines Hybrid- und erst recht eines rein elektrisch betriebenen PKW wohl bereits wegen der Höhe der Stromkosten, aber auch wegen der „Brandgefahr“ bei nicht ausreichender Absicherung der Steckdose, nicht vergleichbar.

Die Lösung:
Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam gehalten, die außerordentliche Kündigung mit „Auslauffrist“ jedoch für wirksam.  Das LAG hat auf die Berufung allein der Klägerin gemeint, auch die außerordentliche Kündigung mit „Auslauffrist“ sei unwirksam. Dagegen richtet sich die Revision der Arbeitgeberin. Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung an das LAG zurückverwiesen.

  • In der wahrheitswidrig erfolgten Behauptung durch die Klägerin gegenüber ihrem Arbeitgeber, aufgrund einer ärztlichen Untersuchung (Anamnese) sei festgestellt worden, dass sie vorläufig nicht gegen das Coronavirus geimpft werden könne, lag eine erhebliche Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB, die „an sich“ als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.
  • Das gilt ungeachtet der Frage, ob die Klägerin „laienhaft“ davon ausging, sie sei tatsächlich (vorläufig) impfunfähig. Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin sich wegen der Vorlage eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach §§ 277 ff. StGB strafbar gemacht hat. Maßgebend ist vielmehr der mit der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch.
  • Eine vorherige Abmahnung des Fehlverhaltens der Klägerin war entbehrlich. Die Klägerin hat mit ihrer aktiv versuchten Täuschung über eine angeblich ärztlich festgestellte Impfunfähigkeit versucht, sich der Impfung bzw. einem Beschäftigungsverbot zu entziehen.

Das LAG wird nun zu prüfen haben,

  • ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich „ordentlich unkündbar“ war oder nicht, und
  • für den Fall, dass dies erwiesen ist, ob eine fristlose außerordentliche Kündigung oder eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gerechtfertigt ist.

 

Hinweis für die Praxis:
Die Ausführungen des BAG sind eindeutig. Das Fehlverhalten der Klägerin ist erheblich und rechtfertigt ggf. sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, jedenfalls aber eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder eine außerordentliche Kündigung mit „Auslauffrist“.
 

Übrigens: In einem weiteren – vergleichbaren – Fall hat das LAG Hamm mit Urteil vom 30.03.2023 – 18 Sa 1048/22 (wohl rechtskräftig) entschieden, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist und nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat.

Die Lösung:
Das ArbG wies die Kündigungsschutzklage ab. Die Kündigung ist wirksam.

  • Die Zustimmung des Betriebsrats (§ 103 BetrVG) liegt vor.
  • Es liegt auch ein wichtiger Kündigungsgrund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vor.
    Denn der Kläger hat am 06.02. und 07.02.2023 nicht an dem von der Arbeitgeberin finanzierten Seminar teilgenommen, sondern stattdessen Gewerkschaftsarbeit geleistet. Zudem hat er die Fahrtkosten nach Berlin und Hannover zur Erstattung gegenüber der Arbeitgeberin geltend gemacht, worauf er keinen Anspruch hatte.
  • Die Teilnahme an den Veranstaltungen in Berlin und Hannover war auch nicht erforderlich für die Betriebsratsarbeit.
  • Zudem hat der Kläger durch die falsche Angabe von vermeintlich geleisteter Arbeitszeit und angefallener Spesen das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört.

 

Hinweis für die Praxis:

Der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist zuzustimmen! Der Kläger hat sich Arbeitsvergütung und Fahrtkostenerstattung für Gewerkschaftsarbeit „erschlichen“, auf die er keinen Anspruch hatte. Außerdem hat er beim Arbeitgeber vorsätzlich einen „finanziellen Schaden“ wegen der Anmietung des PKW und der angefallenen Seminarkosten verursacht mit der Folge, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitgeberin unzumutbar ist.

Die Lösung:

Die Kündigungsschutzklage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Die Kündigung ist wirksam.

  • Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG noch keine Anwendung, da es noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat (§§ 1, 23 KSchG).
  • Demgemäß bedurfte die Kündigung keines „ausreichenden“ Kündigungsgrunds im Sinne von § 1 KSchG.
  • Daran ändert sich auch nichts deshalb, weil der Arbeitgeber nur eine dreimonatige Probezeit im Arbeitsvertrag vereinbart hat. Denn mit dieser Regelung hat er erkennbar gerade nicht regeln wollen, dass der Arbeitnehmer bereits nach 3 Monaten vom Geltungsbereich des KSchG profitieren sollte. Lediglich die gesetzliche Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit (§ 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB) war länger als während der vereinbarten Probezeit (§ 622 Abs. 3 BGB).
  • Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung auch ausreichend i. S. v. § 102 BetrVG angehört. Ihm sind die wesentlichen Kündigungsgründe mitgeteilt worden. Denn bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Dies folgt aus dem Grundsatz der subjektiven Determination. Infolgedessen ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Somit genügte die Anhörung des Betriebsrats vom 17.08.2022 diesen Anforderungen. Sie enthielt die Sozialdaten des Klägers und die Mitteilung, dass das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung finde, ferner den Hinweis, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht im Interesse der Beklagten liege. Damit hatte die Beklagte ihre subjektive Entscheidung als Ergebnis ihrer Abwägungen - das Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortsetzen zu wollen, weil dies nicht in ihrem Interesse liege - dem Betriebsrat vollständig und hinreichend deutlich mitgeteilt. Auf einzelne diesem Werturteil zugrundeliegenden Vorfälle hatte die Beklagte sich zur Rechtfertigung ihrer Kündigung nicht berufen. Ihre Vorüberlegungen, die zu ihrer Entscheidung geführt haben, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Wartezeit zu kündigen, musste sie dem Betriebsrat entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht mitteilen.

Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der betroffenen Kollegin als Zeugin sowie des Klägers als Partei und die Kündigungsschutzklage anschließend abgewiesen. Die ausgesprochene Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet.

  • Das Arbeitsgericht hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme den Vortrag des Klägers als bloße Schutzbehauptung angesehen.
  • Die Schilderung der Kollegin sei hingegen glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, die Kollegin wolle den Kläger zu Unrecht einer sexuellen Belästigung bezichtigen, seien nicht erkennbar.
  • Wegen der Schwere der Pflichtverletzung, die möglicherweise sogar strafrechtlich relevant sei, sei eine Abmahnung entbehrlich.
  • Unter Berücksichtigung dessen sei die Kündigung auch nach durchgeführter Interessenabwägung trotz des langjährigen und bis dahin unbelasteten Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

 

Hinweis für die Praxis:

  • Dass eine sexuelle Belästigung (vgl. § 3 Abs. 4 AGG) – erst recht, wenn sie während der Arbeitszeit gegenüber einer Arbeitskollegin begangen wurde – grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, dürfte unproblematisch sein.
  • Sollte der Kläger entgegen seines Vortrags bewusst und gewollt eine Hand auf die Brust der Kollegin gelegt haben, so würde dies eine sexuelle Belästigung darstellen.
  • Die Beweisaufnahme scheint eindeutig ausgegangen zu sein. Jedenfalls hat die Aussage der Arbeitskollegin die Kammer überzeugt.

Das Problem des Falles ist, dass keine dritten Personen anwesend waren, die als Zeugen in Betracht kamen. Die Gefahr, einen „Unschuldigen“ zu treffen, ist in solchen Fällen sehr groß. Aber wenn das vermeintliche Opfer anlässlich ihrer Zeugenvernehmung „gelogen“ haben sollte, hätte sie dies offensichtlich für die Kammer überzeugend getan.

 

Ggf. wird das LAG Berlin-Brandenburg im Berufungsverfahren die Zeugin sowie den Kläger erneut vernehmen und sich dann eine eigene Meinung bilden. Sollte der dringende Tatverdacht bestehen bleiben, dürfte der Arbeitnehmer endgültig seinen Job verloren haben.

Die Lösung:

Die Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Die Kündigung der Arbeitgeberin ist unwirksam.

  • Zwar galt das KSchG für das Arbeitsverhältnis noch nicht, da die Klägerin nicht länger als 6 Monate für die Beklagte tätig war (§§ 1, 23 KSchG).
  • Die Kündigung ist aber wegen bestehender Schwangerschaft der Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam. Dass die Klägerin schwanger war und ist, ergibt sich aus mehreren ärztlichen Bescheinigungen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 24.11.2022 – 2 AZR 11/22) wird der Beginn des Kündigungsverbots bei natürlicher Empfängnis berechnet, indem von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Tag der Entbindung – ohne diesen mitzuzählen – um 280 Kalendertage zurückgerechnet wird. Selbst unter Berücksichtigung eines Geburtstermins erst am 19.10.2023 war die Klägerin offensichtlich und rechnerisch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 25.01.2023 schwanger.
  • Der Beklagten war am 25.01.2023 auch durch Mail der Klägerin vom 19.01.2023 bekannt, dass diese schwanger war. Dies war ausreichend i. S. v. § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG (vgl. dazu BAG, Urteil vom 24.11.2022 – 2 AZR 11/22, Rdnr. 37; Tillmanns/Mutschler, Praxiskommentar zum MuSchG und BEEG, 3. Auflage 2021, § 17 MuSchG, Rdnr. 25, 26). Der Mail war zwar keine ärztliche Bescheinigung beigefügt, dies war aber auch nicht erforderlich, um den besonderen Kündigungsschutz zu erhalten, zumal nach der Rechtsprechung des BAG selbst eine vorsorgliche Mitteilung der Arbeitnehmerin an den Arbeitgeber, sie sei „wahrscheinlich schwanger“ oder „eine Schwangerschaft werde vermutet“, ausreichend ist, um den Arbeitgeber vom Sonderkündigungsschutz – sollte er im Ergebnis bestehen – in Kenntnis zu setzen (vgl. BAG, Urteil vom 06.06.1974 – 2 AZR 278/73).

 

Hinweis für die Praxis: Der Arbeitgeber hat im Prozess vorgetragen, eigentlich habe man die Kündigung bereits vor Weihnachten aussprechen wollen, dies aber aus Rücksicht auf die Klägerin „wegen Weihnachten“ nicht getan. Im Dezember 2022 bestand noch kein Sonderkündigungsschutz, jetzt aber schon! Emotionen und Gefühle sind – wie man sieht – nicht immer gute „Berater“ bei der Personalarbeit!

Die Lösung:

Arbeitsgericht und LAG gaben der Klage statt. Die Revision der Arbeitgeberin hatte beim Bundesarbeitsgericht Erfolg und führte zur Zurückweisung des Verfahrens an das LAG.

  • Das LAG hat fehlerhaft eine „berechtigte Vertraulichkeitserwartung“ des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und deshalb das Vorliegen eines Kündigungsgrunds verneint.
  • Eine Vertraulichkeitserwartung ist aber nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können.
  • Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.
  • Sind Gegenstand der Nachrichten – wie hier – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das LAG wird nunmehr dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

 

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des BAG betrifft Mitarbeiter*innen einer deutschen Fluggesellschaft (TUI Fly) und war so nicht vorhersehbar. Bislang liegt natürlich nur die Pressemitteilung vor. Danach scheint für den Senat jedenfalls relevant zu sein,

  • dass die Chatgruppe „groß“ war und deren Mitglieder häufig wechselten mit der Folge, dass Chatnachrichten einem großen Personenkreis zugänglich waren mit der Gefahr der Verbreitung dieser Nachrichten auch an nicht gruppenangehörige Dritte, und
  • dass es sich um menschenverachtende und beleidigende Nachrichten handelte,
  • die ein Arbeitgeber nicht hinnehmen muss.

Der Spruch „Das Netz vergisst nichts.“ gilt auch hier wieder. Also sollte jede*r, der meint, irgendetwas „posten zu müssen“, vorsichtig sein, ob er/sie dadurch

  • Straftatbestände (Beleidigung, Verleumdung etc.) oder
  • das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen verletzt. Ansonsten riskiert er (wie hier)
  • bei einem Bezug zum Arbeitsverhältnis seine berufliche Existenz,
  • muss ggf. auch Schadensersatz und Schmerzensgeld leisten
  • und muss damit rechnen, dass eine Strafanzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede etc. erhoben wird.

Was sich dann während der Feier ereignete, fand der Arbeitgeber hingegen wohl nicht so lustig. Es begab sich nämlich, dass einer der anwesenden Gäste – seines Zeichens als Trainee bei besagtem Arbeitgeber beschäftigt – zu späterer Stunde vom Schiff ging, sich am Ufer bis auf die Unterhose entkleidete und um das Schiff herumschwamm. Er lief dann so be- bzw. entkleidet über das Partydeck an den übrigen Gästen vorbei zum Ausgang.

Der ab 14:00 Uhr auf dem Schiff ausgeschenkte Alkohol mag bei dieser tollkühnen Aktion eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben … Ob darüber hinaus weitere Rauschmittel den jungen Mann hierzu veranlasst haben, ist zwischen den Parteien streitig. So soll er laut dem Arbeitgeber auf der Toilette von einer Reinigungskraft beim Konsumieren eines weißen Pulvers beobachtet worden sein, was der Unterhosen-Schwimmer indes bestreitet.

Der Arbeitgeber hörte den Betriebsrat aus Anlass dieses Vorkommnisses an und kündigte das Arbeitsverhältnis drei Tage nach der Feier fristlos. Er warf dem betreffenden Mitarbeiter vor, dass dieser mit seinem Verhalten massiv den Betriebsfrieden gestört habe. Er habe sich selbst und andere erheblichen Gefahren ausgesetzt, da die Strömung im Rhein an der Anlegestelle sehr stark sei und dort reger Schiffsverkehr herrsche. Die Stimmung auf der Feier sei nach dem Zwischenfall jäh gekippt.

Gegen die Kündigung wehrte sich der Trainee mit einer Kündigungsschutzklage, die in der ers­ten In­stanz Erfolg hatte. Das Arbeitsgericht Düsseldorf erklärte die Kündigung aufgrund fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats für unwirksam. Auf die vom Arbeitgeber hiergegen eingelegte Berufung endete das Be­ru­fungs­ver­fah­ren vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf schließlich durch einen ge­richt­li­chen Ver­gleich (LAG Düsseldorf, Vergleich vom 18.07.2023 - 3 Sa 211/23).

Nach An­sicht des LAG hat der Mit­ar­bei­ter mit seinem Verhalten zwar eine Pflichtverletzung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis be­gan­gen und den Be­triebs­frie­den ge­stört. Letztlich wäre vor einer Kündigung aber eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen.

Das Gericht schlug den Par­tei­en einen Ver­gleich vor: Das Un­ter­neh­men be­schäf­tigt den jungen Mann wei­ter, die­ser müsse im Ge­gen­zug aber eine Ab­mah­nung ak­zep­tie­ren. Dem stimm­ten beide Sei­ten zu und be­en­de­ten damit den Rechts­streit. Der bis dahin freigestellte Spaßvogel konnte seinen Dienst also wieder antreten.

Nur am Rande sei erwähnt, dass der Mitarbeiter laut Vortrag des Arbeitgebers bereits zuvor bei einer betrieblichen Feier durch ungebührliches Verhalten aufgefallen sei. Da­mals hatte er – wie er ein­räum­te – mit einem lebensgroßen Deko-Plastik-Flamingo getanzt. Er war mit diesem schließlich mit dem Aufzug zu einem Bildautomaten gefahren und hatte Selfies gemacht. Dafür war er sei­ner­zeit er­mahnt, aber nicht ab­ge­mahnt wor­den.

Nicht auszuschließen also, dass wir von diesem spaßigen Gesellen in Zukunft wieder einmal in einem unserer skurrilen Rechtsfälle berichten werden…

Die Lösung:

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Widerklage der Arbeitgeberin wurde in allen Instanzen abgewiesen.

  • § 13 des Arbeitsvertrags benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
  • Der Kläger wird hierdurch in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet.
  • Es besteht deshalb kein billigenswertes Interesse der Beklagten, solche Kosten auf den Kläger zu übertragen. Der Kläger erhält auch keinen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahlfreiheit ausgleichen könnte.

 

Hinweis für die Praxis:

Das Risiko, dass Beschäftigte nach Beginn des Arbeitsverhältnisses dieses selbst kündigen, trägt der Arbeitgeber. Denn Beschäftigte sind – anders als der Arbeitgeber – frei, zu entscheiden, ob sie das bereits begonnene Arbeitsverhältnis fortsetzen oder beenden möchten. Sie müssen dafür – anders als der Arbeitgeber bei Anwendbarkeit des KSchG – auch keinen ausreichenden Grund haben.

 

Diese Freiheit würde Arbeitnehmenden genommen, wenn sie nach Erklärung einer Eigenkündigung verpflichtet wären, die Vermittlungsprovision ganz oder teilweise zurückzuzahlen. Dies ist unzulässig, weil es zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung des/der Arbeitnehmenden führt.