Betriebsratswahl und Wahlwerbung – was ist zulässig?

Um als Person oder Liste für die Wähler sichtbar zu sein, ist Werbung unerlässlich. Aber was ist noch Werbung und wann liegt eine verbotene Wahlbeeinflussung oder sogar strafbare Wahlbehinderung vor? Und darf sich eigentlich der Arbeitgeber einmischen? Wir klären auf.

Die Wahl des Betriebsrats unterliegt besonderen Schutzvorschriften, die eine freie und unbeeinflusste Wahl sicherstellen sollen. Gemäß § 20 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind sowohl eine Behinderung der Wahl als auch eine unzulässige Wahlbeeinflussung verboten. Diese Regelung gilt nicht nur für den Arbeitgeber oder die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs, sondern auch für außenstehende Dritte. Ziel dieser Vorschrift ist es, die Betriebsratswahl von jeder Art der Einflussnahme zu schützen.

1. Verbot der Wahlbehinderung gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG

Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern. Dies umfasst alle mit der Wahl zusammenhängenden oder ihr dienenden Handlungen, Betätigungen und Geschäfte. Auch Wahlwerbung, sowohl durch Arbeitnehmende als auch durch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, ist in diesem Zusammenhang relevant.

Eine Wahlbehinderung liegt insbesondere vor, wenn:

  • Wahlräume oder notwendige Wahlunterlagen nicht zur Verfügung gestellt werden
  • Die für die Aufstellung von Wählerlisten notwendigen Angaben und Unterlagen vorenthalten werden
  • Die erforderliche Arbeitsbefreiung für die Mitglieder des Wahlvorstands verweigert wird
  • Arbeitnehmende am Betreten des Wahllokals gehindert werden
  • Wahlzettel gefälscht oder unterschlagen werden
  • Kurzfristig (z. B. eine Woche vorher) alle Arbeitnehmer dienstlich verpflichtet werden, am Tag der Wahlversammlung eine Schulung zu absolvieren (z. B. ArbG Berlin, Urteil vom 29.05.2009 - BB 09, 1928)

Eine Wahlbehinderung stellt nicht nur einen Verstoß gegen das BetrVG dar, sondern ist zugleich ein Straftatbestand nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Keine Wahlbehinderung liegt vor bei:

  • Propaganda für oder gegen einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin oder eine Wahlliste – selbst dann, wenn diese Propaganda wahrheitswidrig ist („Propagandalüge“).
  • Unwahre Aussagen sind grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht mit Zwang oder Drohungen verbunden sind. Eine reine Falschdarstellung ist nicht rechtswidrig, es sei denn, sie führt zu weiteren vermögensschädigenden Wirkungen.

2. Verbot unzulässiger Wahlbeeinflussung gemäß § 20 Abs. 2 BetrVG

Die Wahl des Betriebsrats darf nicht durch die Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch die Gewährung oder das Versprechen von Vorteilen beeinflusst werden.

Verbotene Formen der Wahlbeeinflussung:

  • Zufügung von Nachteilen (z. B. Kündigung, Versetzung auf einen schlechteren Arbeitsplatz) oder deren Androhung.
  • Gewährung von Vorteilen (z. B. Beförderung, Gehaltserhöhung, bevorzugte Versetzung, Geschenke, Zuwendungen) oder das Versprechen solcher Vorteile zur Beeinflussung der Wahl.

Zulässig ist jedoch:

  • Werbung und Propaganda durch im Betrieb vertretene Gewerkschaften oder Gruppierungen von Arbeitnehmenden
  • Wahlwerbung durch sonstige Personen

Unzulässig ist dagegen:

  • Jegliche Propaganda durch den Arbeitgeber
  • Finanzielle Unterstützung einer bestimmten Vorschlagsliste oder deren Wahlpropaganda durch den Arbeitgeber

3. Zulässige Wahlwerbung und Propaganda im Wahlkampf

Wahlkampfbezogene Werbung und Propaganda mit dem Ziel, die Willensentscheidung der Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen, sind grundsätzlich zulässig. Der Wahlkampf lebt von der Gegenüberstellung unterschiedlicher Standpunkte, solange die Entscheidungsfreiheit des Wählenden gewahrt bleibt. Eine gewisse überzeichnete Darstellung von Positionen ist dabei nicht als unzulässige Wahlbeeinflussung zu bewerten.

Erlaubt sind insbesondere:

  • Unsachliche Propaganda, sofern sie keine unzulässige Wahlbeeinflussung darstellt
  • Kritische Auseinandersetzungen mit anderen kandidatinnen und Kandidaten oder Listen
  • Vergleichende Werbung, sofern keine falschen Hoffnungen geweckt werden
  • Angreifende Werturteile – auch die sogenannte "Propagandalüge" bleibt zulässig

4. Rechtsfolge​​​​​​​n eines Verstoßes

Ein Verstoß gegen die oben genannten Vorschriften kann erhebliche rechtliche Konsequenzen haben:

  • Anfechtbarkeit der Wahl unter den Voraussetzungen des § 19 BetrVG
  • Strafrechtliche Sanktionen nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sofern der Verstoß vorsätzlich erfolgt
  • Nichtigkeit der Wahl, jedoch nur in extremen Fällen, z. B. wenn die Wahl durch offenen Terror beeinflusst wird und sich dieser unmittelbar auf den Wahlakt erstreckt

Merke also:

Die Betriebsratswahl soll frei und unbeeinflusst erfolgen. Während ein aktiver Wahlkampf mit pointierten oder gar polemischen Inhalten zulässig ist, sind gezielte Behinderungen oder unzulässige Einflussnahmen durch Drohungen, Vorteile oder die Arbeitgeberseite verboten. Verstöße gegen diese Vorschriften können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, bis hin zur Anfechtung oder strafrechtlichen Verfolgung.