Die Arbeitsstättenverordnung

 

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Was hat sich geändert?

Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) ist bereits seit 01.05.1976 in Kraft und damit eine der ältesten Arbeitsschutzvorschriften. Ziel der ArbStättV ist der Schutz der Beschäftigten vor den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit, die von der Einrichtung und dem Betreiben von Arbeitsstätten ausgehen (vgl. § 1 Abs. 1 ArbStättV).

Der Begriff der Arbeitsstätte ist weit gefasst und umfasst alle Orte in Gebäuden oder im Freien, die sich auf dem Gelände eines Betriebs befinden, sowie Orte auf Baustellen, die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind oder zu denen die Beschäftigten im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 ArbStättV).

Seit 03.12.2016 ist eine geänderte ArbStättV in Kraft.

Der Gesetzgeber hatte die ArbStättV im Jahr 2004 erstmals umfassend geändert. Die Neuregelung der ArbStättV (ArbStättV 2004) ist seit 25.08.2004 in Kraft. Nach einer weiteren, substantiellen Änderung im Jahr 2010 wurde Ende 2014 von der Bundesregierung ein Entwurf für eine weitere Novellierung vorgelegt. Dieser Entwurf wurde nach heftiger Kritik der Arbeitgeberverbände ("bürokratischer Irrsinn in Absurdistan", so Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer) zunächst wieder zurückgezogen. Im November 2016 wurde letztendlich die Novellierung von Bundesregierung und Bundesrat gebilligt.

I. Die wesentlichen Änderungen im Überblick

1. Einbeziehung der Telearbeitsplätze in den Anwendungsbereich der ArbStättV

Ein wesentlicher Bestandteil der Neuregelung ist die Einbeziehung der Telearbeitsplätze in den Anwendungsbereich. Bisher waren Telearbeitsplätze in der Privatwohnung der Beschäftigten von der ArbStättV ausgenommen.

Telearbeitsplätze im Sinne des ArbstättV sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber mit den Beschäftigten eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 1 ArbStättV). Die ArbStättV gilt damit nur für die "klassische" Telearbeit, mobiles Arbeiten von zu Hause wird nicht erfasst.

Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn der Arbeitgeber mit dem Beschäftigten die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder durch eine andere Vereinbarung festgelegt hat und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar und Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 2 ArbStättV).

Der Arbeitgeber ist zwar grundsätzlich auch für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten an Telearbeitsplätzen verantwortlich. Er hat jedoch nur begrenzte Rechte und Möglichkeiten, die Arbeitsumgebung im Privatbereich zu beeinflussen. Die Geltung der ArbStättV für Telearbeitsplätze ist deshalb auf die Regelungen in § 3, § 6 und Nr. 6 des Anhangs beschränkt (vgl. § 1 Abs. 3 ArbStättV). Den Arbeitgeber treffen danach folgende Pflichten:

  • Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV bei der erstmaligen Einrichtung des Telearbeitsplatzes,
  • Unterweisung der Beschäftigten nach § 6 ArbStättV,
  • Umsetzung der Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen in Nr. 6 des Anhangs der ArbStättV bei der Einrichtung und dem Betrieb des Telearbeitsplatzes.

Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung sowie die Unterweisung der Beschäftigten ist nur erforderlich, soweit der häusliche Telearbeitsplatz von dem Arbeitsplatz des Beschäftigten im Betrieb abweicht.

2. Berücksichtigung der psychischen Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung

§ 3 ArbStättV verpflichtet den Arbeitgeber zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung sind sämtliche Gefährdungen, denen die Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätte ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. Bei der Beurteilung der Gefährdungen hat der Arbeitgeber auch die Auswirkungen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsabläufe in der Arbeitsstätte zu berücksichtigen.

Neu aufgenommen in die ArbStättV 2016 wurde eine Regelung zur Berücksichtigung der psychischen Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 ArbStättV muss der Arbeitgeber bei der Gefährdungsbeurteilung neben den physischen auch die psychischen Belastungen berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat damit – in Anlehnung an das Arbeitsschutzgesetz (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG) – klargestellt, dass der Gesundheitsbegriff sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit umfasst und beide Elemente bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind.

3. Ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze

Neu ist außerdem die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Berücksichtigung der ergonomischen Anforderungen der Arbeitsbedingungen bei der Einrichtung und dem Betrieb der Arbeitsstätte (vgl. § 3a Abs. 1 ArbStättV). Grundlage für die vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen ist das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass die Arbeitsplatzergonomie ein wichtiger Teilaspekt des betrieblichen Gesundheitsschutzes ist. Die Anforderungen der Arbeitsplatzergonomie sind nicht nur bei der Anordnung der einzelnen Arbeitsmittel zu berücksichtigen (z.B. im Hinblick auf die Bewegungsfreiheit am Arbeitsplatz, Türmaße, Gangbreiten, Geländerhöhen, Fluchtwegbreiten, Anordnung der Schreibtische und des Bildschirms etc.). Es geht vielmehr um die ergonomische Gestaltung des gesamten Arbeitsplatzes und des Arbeitsraumes. Dabei spielen auch die richtige Beleuchtung, das Raumklima und die Arbeitsorganisation eine Rolle.

4. Neue Regelung zur Unterweisung der Beschäftigten

Neu aufgenommen in die ArbStättV wurde eine spezielle Regelung zur Unterweisung der Beschäftigten in § 6. Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten ausreichende und angemessene Informationen anhand der Gefährdungsbeurteilung zur Verfügung stellen und sie anhand dieser Informationen unterweisen (vgl. § 6 Abs. 1 bis 3 ArbStättV). Die Unterweisung muss folgende Themen umfassen:

  • das bestimmungsgemäße Betreiben der Arbeitsstätte,
  • alle gesundheits- und sicherheitsrelevanten Fragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Beschäftigten,
  • Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Sicherheit und zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten durchgeführt werden müssen,
  • arbeitsplatzspezifische Maßnahmen bei Tätigkeiten auf Baustellen oder an Bildschirmgeräten,
  • Maßnahmen im Gefahrenfall, insbesondere die Bedienung von Sicherheits- und Warneinrichtungen, die Erste Hilfe und die dazu vorgehaltenen Mittel und Einrichtungen sowie den innerbetrieblichen Verkehr,
  • Maßnahmen der Brandverhütung und der Verhaltensmaßnahmen im Brandfall, insbesondere die Nutzung der Fluchtwege und Notausgänge.

Diejenigen Beschäftigten, die Aufgaben der Brandbekämpfung übernehmen, hat der Arbeitgeber in der Bedienung der Feuerlöscheinrichtungen zu unterweisen.

Die Unterweisung muss vor Aufnahme der Tätigkeit stattfinden. Danach muss sie mindestens einmal jährlich wiederholt werden. Die Unterweisung muss ferner unverzüglich wiederholt werden, wenn sich die Tätigkeiten der Beschäftigten, die Arbeitsorganisation, die Arbeits- und Fertigungsverfahren oder die Einrichtungen und Betriebsweisen in der Arbeitsstätte wesentlich verändern und die Veränderung mit zusätzlichen Gefahren verbunden ist (vgl. § 6 Abs. 4 ArbStättV).

5. Sichtverbindung nach außen für Arbeitsräume

Bisher enthielt die ArbStättV in Nr. 3.4 Abs. 1 des Anhangs nur die Vorgabe, dass Arbeitsstätten möglichst ausreichend Tageslicht erhalten müssen. Die früher in der ArbStättV 1975 enthaltene Forderung nach einer Sichtverbindung nach außen wurde nicht in die ArbStättV 2004 übernommen. Diesen viel kritisierten Mangel hat der Gesetzgeber mit der Neufassung von Nr. 3.4 des Anhangs in der ArbStättV 2016 korrigiert.

Danach dürfen nur solche Räume als Arbeitsräume betrieben werden, die möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen haben (vgl. Nr. 3.4 Abs. 1 Satz 1 des Anhangs der ArbStättV). Gleiches gilt auch für Pausen- und Bereitschaftsräume sowie Unterkünfte (vgl. Nr. 3.4 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs der ArbStättV). Kantinen sollen möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen haben (vgl. Nr. 3.4 Abs. 2 Satz 2 des Anhangs der ArbStättV).

Ausgenommen von der zwingenden Vorgabe einer Sichtverbindung nach außen sind fünf Gruppen von Arbeitsräumen (vgl. Nr. 3.4 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs der ArbStättV):

  • Arbeitsräume, bei denen betriebs-, produktions- oder bautechnische Gründe Tageslicht oder einer Sichtverbindung nach außen entgegenstehen,
  • Räume, in denen sich Beschäftigte zur Verrichtung ihrer Tätigkeit regelmäßig nicht über einen längeren Zeitraum oder im Verlauf der täglichen Arbeitszeit nur kurzfristig aufhalten müssen (z.B. Archive, Lager-, Maschinen- und Nebenräume, Teeküchen),
  • Räume, die vollständig unter Erdgleiche liegen, soweit es sich dabei um Tiefgaragen oder ähnliche Einrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Verkaufsräume oder Schank- und Speiseräume handelt,
  • Räume, die in Bahnhofs- oder Flughafenhallen, Passagen oder innerhalb von Kaufhäusern und Einkaufszentren liegen,
  • Arbeitsräume mit einer Grundfläche von mindestens 2.000 qm, sofern Oberlichter oder andere bauliche Vorrichtungen vorhanden sind, die Tageslicht in den Arbeitsraum lenken.

Bereits bestehende Räume, die die Anforderungen an eine Sichtverbindung nach außen nicht erfüllen, dürfen solange weiterbetrieben werden, bis sie wesentlich erweitert oder umgebaut werden (vgl. Nr. 3.4 Abs. 3 des Anhangs der ArbStättV).

6. Integration der Bildschirmarbeitsverordnung in die ArbStättV

Bisher war der Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Bildschirmarbeit in der seit 1996 geltenden Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) geregelt. Dies hat der Gesetzgeber mit der ArbStättV 2016 geändert. Die bisherigen Regelungen der BildscharbV sind weitgehend in die ArbStättV 2016, insbesondere in den neuen Anhang 6, übernommen worden. Mit Inkrafttreten der ArbStättV 2016 ist die BildscharbV aufgehoben worden.

II.    Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Umsetzung der Vorgaben der ArbStättV

Der Betriebsrat hat bei der betrieblichen Umsetzung der Vorgaben der ArbStättV nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei allen ausfüllungsbedürftigen Rahmenvorschriften des staatlichen Arbeitsschutzrechts. Eine ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift liegt dann vor, wenn eine Rechtsvorschrift des staatlichen Arbeitsschutzrechts dem Arbeitgeber zu bestimmten Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes verpflichtet (z.B. zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, zur Unterweisung der Beschäftigten oder zur barrierefreien Gestaltung der Arbeitsstätte), ohne ihm bei der betrieblichen Umsetzung dieser Maßnahmen zwingende Vorgaben zu machen mit der Folge, dass dem Arbeitgeber insoweit ein Handlungsspielraum eingeräumt ist, bei dessen Ausfüllung der Betriebsrat mitzubestimmen hat.

Die Vorschriften der ArbStättV geben dem Arbeitgeber nur das zu erreichende Schutzziel (z.B. barrierefreie Gestaltung der Arbeitsstätte in § 3a Abs. 2 ArbStättV, ausreichende Größe und lichte Höhe von Arbeitsräumen in Nr. 1.2 des Anhangs der ArbStättV, gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur in Nr. 3.5 des Anhangs der ArbStättV) vor, ohne dabei konkret vorzuschreiben, wie das betreffende Schutzziel im Einzelnen zu erfüllen ist. Es handelt sich deshalb bei den Vorschriften der ArbStättV und ihres Anhangs um ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschriften im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit der Folge, dass der Betriebsrat bei der betrieblichen Umsetzung der Vorgaben und Anforderungen der ArbStättV durch den Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen hat.