Trennungsgespräche begleiten ist wahrscheinlich eine der anspruchsvollsten Anforderungen an BR Mitglieder. Aus persönlicher Sicht wirkt besonders die damit verbundene emotionale Dynamik, die alle Beteiligten als Mensch fordert und in ihrer beruflichen Rolle auf eine besondere Probe stellt.
Der Betriebsrat wird an Trennungsgesprächen auf Wunsch der betroffenen Beschäftigten beteiligt, vor allem, wenn die Trennung vom Arbeitgeber initiiert wird. Er ist dann in seiner Doppelkompetenz gefordert - als Interessenvertreter der Belegschaft und als Berater von Beteiligten. Beteiligte sind sowohl die betroffene Kollegin oder der betroffene Kollege als auch die von Unternehmen beauftragten Verantwortlichen, die am Gespräch teilnehmen.
Zuerst macht es Sinn, sich mit der eigenen Betroffenheit zu beschäftigen und diese in einen Zusammenhang mit der Rolle und Funktion als Betriebsratsmitglied zu bringen. Klarheit schafft Entlastung. Das bedeutet, sich selbst zu reflektieren, inwieweit die persönliche emotionale Betroffenheit zur Befangenheit tendiert. Betroffenheit, die menschlich vollkommen nachvollziehbar ist, kann in der Profession als Berater und Interessenvertreter kontraproduktiv wirken. Sich das bewusst zu machen, ist ein nicht immer leichter Prozess, der, wird er achtsam begleitet, automatisch zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung und zu professioneller Unterstützung führt.
Die Rolle als Berater*in erwartet vom BR-Mitglied ein Begleiten der Betroffenen (Klienten) in Form einer Hilfe zur Selbsthilfe. Die Verantwortung für das Ziel, den Weg und die Entscheidungen bleiben bei den Klienten. Somit sind die Klienten selbst ihre eigenen Interessenvertreter, die die Kompetenz der Betriebsratskollegen nutzen, um den für sich richtigen Weg zu finden. Aus Sicht der Berater*innen braucht es dazu Feingefühl sich selbst gegenüber, eine Balance zwischen Nähe und Distanz, also Einfühlungsvermögen und professioneller Distanz, Akzeptanz und Echtheit.
Unterstützend wirkt hierbei das Wissen über die inneren Prozesse bei den Betroffenen, die von Nichtwahrhabenwollen über Phasen der Lähmung bis hin zu Wut, Schuldzuweisung, Trauer, Verzweiflung oder auch Befreiung führen können. Dafür Verständnis aufzubringen und den Prozess in Bahnen zu lenken, bedarf neben Rollenklarheit im Prozess auch methodisch kompetentes Vorgehen.
Nicht selten erwarten die Betroffenen vom BR-Mitglied, dass es im Gespräch „auf den Tisch haut“ und für sie die optimale Lösung erwirkt. Besonders aufmerksam muss mit der damit verbundenen Gefahr umgegangen werden, (meist unbewusst) manipuliert zu werden. Das kann das Verhalten des BR-Mitglieds im Gespräch wesentlich beeinflussen und somit zu einer manipulierten Verantwortungsübernahme führen, die nicht der Rolle des Beraters entspricht. Natürlich gehen die Sorgen und Ängste, die Betroffene haben können, nicht spurlos am Berater vorbei. Doch ein „Mitleiden“ beeinflusst den Sachverstand, der zur Unterstützung gebraucht wird.
Eine klare Abgrenzung und Absprache der Rolle und Funktion im Trennungsgespräch muss also vorab mit den Klienten besprochen und vereinbart werden!
Das ist nicht so einfach, denn die Personalgespräche werden oft nicht als Trennungsgespräche nominiert. Jedoch sind an den Rahmenbedingungen eindeutige Zeichen zu erkennen und die Informationskultur im Unternehmen weist ebenfalls darauf hin, dass es sich um ein solches Thema handeln kann. Von der Einladung zum Personalgespräch bis zum Gespräch selbst ist nicht genug Zeit, ein ausführliches Beratungsgespräch zu führen, zumal die Fakten noch nebulös sind. Unter diesen Bedingungen ist es besonders wichtig, in dem ersten Kontaktgespräch die Rollenklärung und das erste Vorgehen zu vereinbaren.
Das kann sein:
Das sollte der/die Betroffene selbst machen, es ist sein Personalgespräch. Hilfreich zur Unterstützung ist eine Vereinbarung, wie der/die begleitende BR unterbrechen kann, wenn die Gefahr besteht, einer Manipulation durch die Gesprächsführenden zu unterliegen.
Darauf folgt das eigentliche Beratungsgespräch zwischen Klient und BR-Mitglied.
Mit einem strukturierten Vorgehen in der Sache (auskippen, sortieren, werten, entscheiden) und einem kollegialen Umgang mit der Befindlichkeit des/der Klient*in kann das Problem erträglicher gemacht werden. Dafür sind die Werkzeuge nondirektiver Gesprächsführung außerordentlich hilfreich. Es kann eine wertschätzende und einfühlsame Atmosphäre geschaffen werden, die den Klienten hilft, Lösungen zu finden und Entscheidungen zu treffen. Am Ende wird noch vereinbart, ob und wie eine weitere Begleitung gewünscht ist.
Die Interessenvertreter sind als Macher gefordert. Sie haben unter anderem den Auftrag, dafür zu sorgen, dass eine saubere Kultur im Unternehmen gepflegt wird. Die gewollte Unternehmenskultur ist meist von den verantwortlichen Führenden selbst erarbeitet und allen Partnern versprochen worden. Die Betriebsräte als Interessenvertreter können ihre Aufgabe darin sehen, die Verantwortlichen auf ihre Pflichten und Versprechen aufmerksam zu machen und ggf. zu intervenieren. Das ist im Interesse aller, auch derjenigen, die diese Leitbilder erarbeitet haben.
Die Trennungskultur eines Unternehmens hat enormen Einfluss auf die verbleibende Belegschaft und darüber hinaus auf das informelle Marketing beim Gewinnen neuer Mitarbeiter, also die zukünftige Belegschaft.
Damit gestalten Betriebsräte eine klare, direkte und wertschätzende Gesprächskultur besonders in schwierigen Situationen, wie beim Begleiten von Trennungsgesprächen.
Voraussichtlich wird es in nächster Zeit auch Covid-bedingt zu einer Zunahme von Trennungsgesprächen kommen. Jedes BR-Mitglied, das sich auf die Gespräche vorbereitet, sich darauf einlässt, reflektiert und informiert hat die Möglichkeit, selbst zu wachsen, sich als Beratende*r der Mitarbeitenden, als Repräsentant professioneller Interessenvertretung und als Hüter einer gewünschten Unternehmenskultur zu profilieren und zu beweisen.
Dazu meinen Respekt und viel Erfolg.