Von: Heike Holtmann, Ass. jur. & Mediatorin
Integration „ausländischer“ Beschäftigter - ein Muss und so viele Möglichkeiten!
Nicht nur auf Sylt – viele Menschen erleben ganz alltägliche Diskriminierungen, z. B. wegen des Aussehens, des Alters, einer Behinderung, des Geschlechts oder der Herkunft. Von den über 10.000 Betroffenen, die sich in 2023 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt haben, gab es die meisten Anfragen wegen Diskriminierung aus rassistischen Gründen (Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Jahresbericht 2023). Alltagsrassismus ist aber nicht auf das Privatleben beschränkt, sondern betrifft auch die Arbeitswelt – und damit Sie als Betriebsrat!
Warum das so ist und welche (Gegen-)Maßnahmen Sie dazu anstoßen können: lesen Sie weiter!
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist es die „allgemeine“ und damit zentrale Aufgabe des Betriebsrats, die Integration ausländischer Beschäftigter im Betrieb zu fördern. Explizit geht es um das gegenseitige Verständnis ausländischer und deutscher Arbeitnehmer*innen, den Abbau von wechselseitigen Vorurteilen und die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Aber das Thema muss viel globaler und diverser gedacht werden und insgesamt auf Beschäftigte mit Migrationsgeschichte und die Tatsache der Kulturenvielfalt im Betrieb übertragen werden. Denn es gibt nicht (nur) die ausländischen Arbeitnehmer*innen an sich, die es zu integrieren gilt. In den meisten Betrieben sind – quasi als Spiegel der Gesellschaft – viele Mitarbeitende mit unterschiedlicher kultureller Herkunft bzw. bereits jahrzehntelanger Migrationsgeschichte beschäftigt – ohne „Ausländer“ zu sein. Und Unternehmen können es sich angesichts des Fachkräftemangels schlichtweg nicht leisten, auf diese Arbeitskräfte zu verzichten. Auch für die Arbeitgebermarke (Employer Branding) ist die Förderung von Kulturenvielfalt und Diversity eine gewinnbringende Chance, übrigens auch, um die jüngere „deutsche“ Generation zu erreichen. Denn bis 2036 werden knapp 13 Millionen Erwerbstätige ausscheiden, d. h. fast ein Drittel aller Beschäftigten, die heute noch arbeiten, ist dann im Ruhestand (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Für den Betriebsrat bestehen im Kampf gegen Rassismus und im Einsatz für Kulturenvielfalt vielfältige Handlungsmöglichkeiten – die im Idealfall gemeinsam und konstruktiv mit dem Arbeitgeber umgesetzt werden. Als konkrete Maßnahmen sind z. B. denkbar:
1. Sensibilisierung und Schulungen: Der Betriebsrat kann Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für alle Mitarbeiter*innen initiieren, die sich mit dem Thema Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzen. Diese Schulungen sollten darauf abzielen, ein Bewusstsein für kultursensible Kommunikation zu schaffen, Vorurteile abzubauen und die Bedeutung von Vielfalt und Inklusion zu verstehen. Dabei gilt es insbesondere
2. Entwicklung und Durchsetzung von Antidiskriminierungsrichtlinien: Der Betriebsrat kann aktiv an der Entwicklung von Antidiskriminierungsrichtlinien mitarbeiten und sicherstellen, dass diese im Unternehmen nicht nur bekannt gemacht, sondern auch durchgesetzt und „gelebt“ werden. AGG-konform sollten diese Richtlinien klare Konsequenzen für rassistisches Verhalten festlegen und einen Rahmen für den Umgang mit Beschwerden bieten (AGG-Beschwerdestelle und Compliance-/Hinweisgeber-Meldestelle).
3. Förderung von Diversität und Inklusion im Betrieb: Weiter lassen sich Maßnahmen oder Programme unterstützen oder initiieren, die die Diversität und soziale Integration im Unternehmen fördern. Dazu sind verschiedene Ansatzpunkte denkbar, z. B.:
4. Anlaufstelle für Betroffene: Umgang mit Beschwerden ist das eine – aber der Betriebsrat kann ebenso als Vertrauensstelle für Betroffene von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus agieren. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter*innen, die rassistische oder anderweitig diskriminierende Vorfälle erleben, sich an den Betriebsrat wenden können, um Unterstützung und Beratung zu erhalten. Der Betriebsrat kann in diesen Fällen auch als Vermittler auftreten und gegebenenfalls Maßnahmen zur Konfliktlösung oder Mediation einleiten.
5. Alltagsunterstützung bei Anträgen oder Behördengängen: Von Wohnungssuche über Kitaplatz bis Einbürgerungsantrag – die bürokratischen Herausforderungen sind vielfältig und oftmals komplex und langwierig. Hierzu können Beratungsangebote oder auch eine gezielte Unterstützung durch Kolleg*innen vermittelt werden.
6. Zusammenarbeit mit externen Organisationen: Der Betriebsrat kann die Zusammenarbeit mit externen Organisationen suchen, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzen. Dies kann helfen, zusätzliche Ressourcen und Fachwissen in den Betrieb zu bringen und den Kampf gegen Rassismus auf eine breitere Basis zu stellen.
Dies ist nur eine erste Ideenzusammenstellung, mit deren Umsetzung Unternehmen eine kultursensible Kommunikation fördern können, die nicht nur zur Integration ausländischer Fachkräfte beiträgt, sondern auch die gesamte Unternehmenskultur bereichert.
Und oftmals sind kleine Maßnahmen im Alltag bedeutungsvoller und nachhaltiger als große Integrationsprojekte. Toleranz und Offenheit ist keine Raketentechnik – jeder Einzelne ist gefragt, ob im beruflichen oder privaten Kontext!
Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unseren Seminaren:
Weitergehend bietet das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ zahlreiche Unterstützungsangebote rund um das Thema Integration an, nicht nur für Geflüchtete. Ein Beispiel für das Angebot des Netzwerks sind die vielfältigen Broschüren mit praktischen Tipps für Unternehmen, beispielsweise zu den Themen Onboarding und Sprache.
Darüber hinaus bietet das RKW-Kompetenzzentrum eine Publikation zum Thema Vorurteile im Betrieb an. Praxisbeispiele für gelungene Integration finden Interessierte auf der Website von Make it in Germany.
Die Publikationen können hier heruntergeladen werden:
• In Arbeit - Tipps und Praxisbeispiele zur erfolgreichen Integration Geflüchteter in den Betrieb (pdf, 1 MB)
• INQA-Kurzcheck: Geflüchtete im Betrieb integrieren (pdf, 379 KB)
• Checkliste für das Onboarding ausländischer Fachkräfte (pdf, 271 KB)