Der Ball rollt wieder – vom 14. Juni bis zum 14. Juli 2024 findet die Fußball-EM in Deutschland statt, und manche hoffen angesichts der EM im eigenen Land und einem gelungenen Auftakt gar auf ein zweites Sommermärchen.
Zeitverschiebungen und Fußballspiele mitten in der Nacht sind diesmal – anders als bei schon so einigen Weltmeisterschaften – kein Thema. Die Spiele könn(t)en gut ausgeschlafen und in geselliger Runde verfolgt werden – theoretisch. Doch die Spielzeiten stellen fußballbegeisterte Arbeitnehmer*innen trotzdem teilweise vor Herausforderungen. Denn einige Spiele finden auch in der Woche nachmittags um 15 Uhr statt und damit für viele Arbeitnehmer*innen mitten in der regulären Arbeitszeit.
Damit stellen sich wieder Fragen wie: Dürfen die Spiele am Arbeitsplatz angesehen oder zumindest im Radio verfolgt werden? Was ist, wenn ich – nach ausgedehnter Feier – am nächsten Tag verschlafe?
Im Grundsatz müsst ihr bedenken, dass selbstverständlich auch während der EM die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen weiter gelten. Wer hiergegen verstößt – Fußballfieber hin oder her – riskiert arbeitsrechtliche Sanktionen.
Im Einzelnen gilt:
Einen Anspruch, die Fußballspiele am Arbeitsplatz live im Fernsehen zu verfolgen, habt ihr grundsätzlich nicht. Zur ordnungsgemäßen Arbeitsleistung gehört in der Regel auch eine gewisse Konzentration. Wer ein Spiel im Fernsehen verfolgt, dürfte aber kaum in der Lage sein, sich gleichzeitig konzentriert seinen übertragenen Aufgaben zu widmen.
Das gilt entsprechend natürlich auch, wenn man ein ganzes Fußballspiel über das Smartphone oder im Internet via Live-Stream anschaut.
Wird durch das Verfolgen eines Fußballspiels – egal über welches Medium – die Pflicht zur vertragsgemäßen Arbeit verletzt, kann der Arbeitgeber euch deswegen abmahnen und im Wiederholungsfall womöglich sogar kündigen.
Anders sieht die Sache nur aus, wenn euer Arbeitgeber das Fußballschauen am Arbeitsplatz ausdrücklich erlaubt hat. Dabei solltet ihr die Erlaubnis vorher und bestenfalls schriftlich einholen. Möglich natürlich auch, dass der Chef selbst eingefleischter Fan der deutschen Mannschaft ist und samt Großbildleinwand und Partyequipment sogar zum gemeinschaftlichen Fußball-Event geladen hat.
Es bleibt dabei: Arbeitnehmer*innen sind zur ordnungsgemäßen Arbeitsleistung verpflichtet. Kann die jeweilige Arbeit auch während des Radiohörens gleichermaßen konzentriert und fehlerfrei erledigt werden, spricht in der Regel nichts dagegen, das Radio im Hintergrund laufen zu lassen. Aber auch hier müsst ihr berücksichtigen, dass das Verfolgen eines Fußballspiels – und sei es auch nur akustisch – eure Aufmerksamkeit fordert. Auch wer das Fußballspiel (nur) am Radio verfolgt, dürfte daher zumindest zeitweilig von der Arbeit abgelenkt sein und diese nicht mehr unbedingt ordnungsgemäß erledigen. Ein No-Go ist Radiohören am Arbeitsplatz außerdem regelmäßig dann, wenn andere Kollegen dadurch gestört werden oder ihr an einem Arbeitsplatz mit Kundenverkehr beschäftigt seit.
Eine beliebte Möglichkeit, sich über den Spielverlauf auf dem Laufenden zu halten, sind auch Live-Ticker im Internet. Während der Arbeit kommt das aber überhaupt nur in Betracht, wenn die private Internetnutzung im Betrieb erlaubt ist.
Auch wenn die Privatnutzung zulässig ist, dürfen die Arbeitspflichten dabei nicht zu kurz kommen. Eine exzessive Internetnutzung ist daher von der Erlaubnis nicht mehr gedeckt und kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer (fristlosen) Kündigung zur Folge haben. Dementsprechend gilt auch für einen Live-Ticker, dass dieser nicht übermäßig in Anspruch genommen werden darf, z. B. um hierüber das gesamte Spiel zu verfolgen.
Soweit arbeitsvertraglich oder durch Kollektivregelung feste Arbeitszeiten vereinbart sind, gilt: Erscheint ihr unberechtigt nicht zur Arbeit oder verlasst diese vorzeitig, um ein Spiel zu sehen, verletzt ihr eure vertraglichen Pflichten. Das gilt auch dann, wenn man nach einem Spieltag verschläft und deshalb zu spät oder gar nicht zur Arbeit erscheint.
Der Arbeitgeber kann dann berechtigt sein, eine Abmahnung bzw. in schweren oder wiederholten Fällen sogar eine Kündigung auszusprechen. Es bedarf also einer vorherigen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, wenn ihr keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen riskieren wollt.
Nach Absprache mit eurem Chef könnt ihr während der EM vielleicht gut ein paar geleistete Überstunden abbauen und dadurch rechtzeitig zum Spiel Feierabend machen. Auch durch Vor- oder Nacharbeit der Stunden lässt sich oft eine Regelung finden.
Wenn bei euch flexible Arbeitszeiten gelten, könnt ihr euren Einsatz außerhalb der Kernarbeitszeit in der Regel ohnehin frei gestalten. Aber auch hier kann es Ausnahmen geben. Insbesondere muss auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen oft eine Mindestbesetzung während der regulären Betriebszeiten gewährleistet sein.
Weil die Arbeit dem ungetrübten Fußballvergnügen doch irgendwie im Wege steht, beantragt der ein oder andere vielleicht kurzfristig noch Urlaub an einzelnen (Spiel-)Tagen. Wenn der Arbeitgeber diesen dann – aus subjektiv nicht nachvollziehbaren Gründen – ablehnt, reagiert manch einer im Affekt vielleicht schon mal mit der Ankündigung, dann eben am entsprechenden Tag „krank“ zu sein.
Dass das gar keine gute Idee ist, versteht sich eigentlich von selbst. So kann der Arbeitgeber bei einer angekündigten „Erkrankung“ im Fall der Ablehnung eines Urlaubsantrags sogar zu einer fristlosen Kündigung berechtigt sein, wenn er nachweisen kann, dass der*die Arbeitnehmer*in tatsächlich nicht krank war.
Ein allgemeines gesetzliches Alkoholverbot am Arbeitsplatz besteht zwar nicht. Entscheidend ist aber insofern, was in eurem Betrieb oder auch für eure konkrete Tätigkeit gilt. So kann es zum Beispiel sein, dass arbeitsvertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz vereinbart ist. Die entsprechenden betrieblichen Regelungen gelten dann natürlich auch während der EM – auch wenn ein Erfolg der deutschen Mannschaft zum Anstoßen einladen mag.
Auch falls Alkohol am Arbeitsplatz bei euch nicht generell verboten ist, sind immer die persönlichen Grenzen beim Konsum von Alkohol zu beachten. Unverändert besteht für Arbeitnehmer*innen die Pflicht fort, die Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen und außerdem auch die Sicherheit am Arbeitsplatz nicht zu gefährden.
Erscheint ein*e Arbeitnehmer*in trotz bestehendem Alkoholverbot alkoholisiert zur Arbeit oder gibt es Anzeichen dafür, dass durch den Konsum von Alkohol die Leistungsfähigkeit oder die Sicherheit beeinträchtigt werden, kann der Arbeitgeber berechtigt sein, denjenigen oder diejenige aus dem Betrieb zu verweisen. Außerdem kann er gegebenenfalls auch eine Abmahnung oder gar Kündigung aussprechen.
Muss der Arbeitgeber euch für den Zeitraum der Fußball-EM beantragten Urlaub gewähren?
Urlaubswünsche – etwa um ein Spiel sehen oder besuchen zu können – sind vom Arbeitgeber wohlwollend zu prüfen. Wenn keine betrieblichen Belange entgegenstehen, muss der Arbeitgeber den Urlaub grundsätzlich genehmigen.
Nur wenn durch eure Abwesenheit erhebliche Beeinträchtigungen im Betriebsablauf zu erwarten sind, kann der Arbeitgeber den Urlaub verweigern. Problematisch dürfte das in der Regel eher bei kurzfristigen Anfragen sein. Daher empfiehlt es sich, den Urlaubsantrag immer so früh wie möglich zu stellen. Denn bei ausreichendem Vorlauf kann und muss der Arbeitgeber grundsätzlich für eure Vertretung sorgen.
Auch wenn mehrere Mitarbeiter*innen für dieselbe Zeit Urlaub nehmen wollen oder einem*r anderen Mitarbeiter*in gar bereits Urlaub gewährt wurde, könnte der Arbeitgeber das eurem Urlaubswunsch gegebenenfalls entgegenhalten. "Fußballinteressen" haben dabei auch nicht generell ein höheres Gewicht als die Interessen anderer Mitarbeiter*innen auf Erholung.
Achtung: Wir reden hier ohnehin nur über euren „regulären“ Urlaubsanspruch bzw. Jahresurlaub. Einen Anspruch auf (unbezahlten) Sonderurlaub für Events wie Fußball EM und Co. gibt es nicht.
Abschließend ist zu sagen, dass nach den Erfahrungen früherer Welt- und Europameisterschaften in der Praxis selten ernste arbeitsrechtliche Probleme auftreten. In den meisten Unternehmen werden pragmatische Regelungen gefunden, und oft teilen die Arbeitgeber auch die Fußballbegeisterung ihrer Mitarbeiter.