Was bedeutet eigentlich Stimmengleichheit bei der BR-Wahl?
Um dies bestimmen zu können, muss man wissen, dass es zwei Wahlmodi gibt: Personenwahl einerseits und Listenwahl andererseits.
Die Personenwahl ist eine sog. Mehrheitswahl, d. h. jeder Kandidat wird einzeln gewählt. Derjenige, der die meisten Stimmen hat, gewinnt die Wahl. Es folgt der mit den zweitmeisten, dann der mit den drittmeisten Stimmen – gängiges Prinzip.
Die Listenwahl ist eine sog. Verhältniswahl, d. h. hier wird ermittelt, wie viele Stimmen welche Liste erhalten hat. Anschließend wird nach dem d'Hondt‘schen Höchstzahlensystem ausgezählt, welcher Kandidat von welcher Liste gewählt wurde. Die Kandidaten werden somit nicht direkt einzeln gewählt.
Ob und wann eine Personenwahl oder Listenwahl durchgeführt wird, steht nicht zur Disposition der Wähler oder des Wahlvorstands, es richtet sich nach der Betriebsgröße und nach der Anzahl und der Art der Wahlvorschläge (nur einzelne Namen oder Listen).
In Betrieben, in denen das vereinfachte Wahlverfahren durchgeführt wird, erfolgt zwingend eine Personenwahl, so sieht es das Gesetz vor. In größeren Betrieben, in denen das normale Wahlverfahren durchgeführt wird, richtet sich die Art der Wahldurchführung schlichtweg danach, wie viele Vorschlagslisten eingereicht werden. Hier gilt: Eine Liste = Personenwahl, mehrere Listen = Listenwahl.
Kennt man diesen Unterschied, dann ist die weitere Differenzierung kein Buch mit sieben Siegeln mehr.
Stimmengleichheit kann schon im Vorfeld, also vor Durchführung der eigentlichen BR- Wahl, auftreten.
§ 5 Abs. 1 WO (Wahlordnung) schreibt vor, dass der Wahlvorstand feststellt, welches Geschlecht das Minderheitengeschlecht ist und wie hoch der entsprechend auf diese Minderheit entfallene Mindestanteil an BR-Sitzen ist. Hier kann es vorkommen, dass nach dem im Gesetz benannten Prinzip die niedrigste Höchstzahl auf alle Geschlechter zu gleichen Teilen entfällt. Sprich, jedes Geschlecht hat den gleichen Nennwert, und man steht vor der Qual der Wahl.
Die Lösung für diese Fälle ist jedoch denkbar einfach und findet sich in § 5 Abs. 2 WO: Hier entscheidet das Los über die Sitzzuteilung.
Stimmengleichheit kann aber auch dann bestehen, wenn bei der öffentlichen Stimmenauszählung im Rahmen der BR- Wahl zwei Personen (bei der Personenwahl) oder zwei Listen (bei der Listenwahl) die gleiche Anzahl an Stimmen erhalten haben und somit eine Pattsituation besteht.
Hier hilft ebenfalls der Blick ins Gesetz.
Obacht, denn hier müssen wir oben gelerntes konkret anwenden.
Im Falle der Listenwahl findet sich die Antwort in § 15 Abs. 2 WO: Kommt es zur Stimmengleichheit, entscheidet wieder das Los.
Im Falle der Personenwahl hilft § 22 Abs. 3 WO weiter, der (wenig überraschend) für solche Fälle gleichermaßen das Losverfahren anordnet.
Zu guter Letzt kann Stimmengleichheit aber auch in Bezug auf die nachzurückenden BR-Mitglieder bestehen, also zu einem Zeitpunkt, der nach der eigentlichen BR-Wahl liegt.
Unabhängig davon, warum es dazu kommt, dass ein Ersatzmitglied nachrücken muss, erfolgt hier die Vorgehensweise abhängig davon, ob - wenig verwunderlich - die ursprüngliche Wahl als Personenwahl oder als Listenwahl erfolgt ist.
Das Prinzip ist dann das gleiche wie oben dargestellt. Kommt es zur Stimmengleichheit, entscheidet ebenfalls das Los über die richtige Sitzzuteilung.
Häufig wird angenommen, dass der Wahlvorstand die Reihenfolge der Ersatzmitglieder festlegt. Dies ist jedoch nicht der Fall, die Anzahl der Stimmen in der Wahl entscheidet darüber, wer echtes, vollwertiges Mitglied und wer (nur) Ersatzmitglied ist.
Die Reihenfolge der Nennung der Kandidaten im Vorfeld der Wahl hingegen wird im Rahmen eines Losverfahrens vom Wahlvorstand festgelegt, sodass dann während der Durchführung der Wahl feststeht, welche Kandidaten in welcher Reihenfolge (vor der Wahl) auf der Liste stehen.
Selbstverständlich stehen bei einer Personenwahl die Kandidaten ebenfalls auf einer „Liste“. Dadurch wird jedoch keine Listenwahl begründet.
Siehe dazu auch: Wahlhelfer