Betriebsratswahl 2022 Gesetzesänderungen und Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers

 

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Die diesjährigen Betriebsratswahlen stehen aktuell in einem besonderen Fokus. So will die neue Bundesregierung mit einer Verschärfung des Strafrechts die Gründung von Betriebsräten erleichtern. Die Behinderung von Betriebsratswahlen soll künftig nicht erst auf Antrag, sondern von Amts wegen bei Verdacht einer Straftat verfolgt werden.

Auch wenn dies noch nicht spruchreif ist, sondern zunächst eine Ankündigung des Bundesarbeitsministers, so sollten auch Arbeitgeber gut vorbereitet sein. Bereits durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz haben sich im letzten Jahr einige wesentliche Gesetzesänderungen für die Betriebsratswahl ergeben. Die Vorbereitung und Durchführung ist zwar Angelegenheit der Wahlvorstände. Aber auch auf Sie als Arbeitgeber kommen einige Pflichten zu, insbesondere zur Auskunft und zur Neutralität. Bereits nach derzeitiger Rechtslage macht sich strafbar, wer die Wahl von Betriebsräten behindert oder beeinflusst, wenn auch nur auf Antrag.

Wir haben für Sie die wichtigsten gesetzlichen Neuregelungen und Arbeitgeberpflichten bei Vorbereitung und Durchführung der Wahl zusammengestellt.

1. Gesetzliche Neuregelungen für die Betriebsratswahl

Bereits im Sommer ist das Betriebsverfassungsgesetz in wesentlichen Teilen geändert worden. In der reformierten Wahlordnung sind nun auch die Regeln zur Vorbereitung und Ablauf von Betriebsratswahlen angepasst worden. Ziele der Neuregelungen sind die Stärkung der Digitalisierung der Betriebsratswahl, Erhöhung der Wahlbeteiligung, Senkung der Kosten und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten.

Dazu wurden viele wesentliche Wahlvorschriften im BetrVG bereits durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz geändert:

  • Absenkung des Mindestalters für die Wahlberechtigung auf das 16. Lebensjahr,
  • Ausweitung des Anwendungsbereichs des vereinfachten Wahlverfahrens,
  • Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit der Betriebsratswahl, 
  • Einschränkung des Erfordernisses der sog. Stützunterschriften für Wahlvorschläge.

Diese Änderungen im BetrVG sind nun auch in der Wahlordnung entsprechend umgesetzt. Zudem sind einige weitergehende Regelungen in die reformierte Wahlordnung aufgenommen worden. Die Wichtigsten kurz zusammengefasst sind:

  • Virtuelle Sitzung des Wahlvorstands (mittels Video-/Telefonkonferenz) möglich
  • Wählerliste: Korrekturen noch am Tag der Wahl zulässig
  • Briefwahlberechtigung erweitert
  • Wahlausschreiben: erhöhte Anforderungen an den Inhalt
  • Listenwahl bei mehr als 5 (bisher 3) Betriebsratsmitgliedern, sofern nicht vereinfachtes Wahlverfahren vereinbart
  • Urnenwahl: Stimmabgabe ohne Wahlumschläge
  • Briefwahl: Geändertes Verfahren zur Bearbeitung der Briefwahl-Stimmen
  • Erweiterte Fristsetzungsbefugnis des Wahlvorstands

Weiter gehend ist der Kündigungsschutz nach dem neu eingeführten § 15 Abs. 3a und 3b KSchG erweitert worden auf Arbeitnehmer, die zur Wahlversammlung einladen (bis zu sechs), und Wahl-Initiatoren, die lediglich Vorbereitungshandlungen zur Betriebsratswahl vornehmen.

2. Arbeitgeberpflichten bei Vorbereitung und Durchführung der Wahl

a) Auskunftspflicht

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Wahlvorstand die für seine Tätigkeit notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Auskunftspflicht ist in der Wahlordnung für die Erstellung des Wählerverzeichnissens ausdrücklich hervorgehoben (§ 2 Abs. 2, § 28 Abs.2 WO). D. h. der Arbeitgeber muss dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte – insbesondere auch zur Feststellung der nicht zu berücksichtigenden leitenden Angestellten – erteilen und die erforderlichen Unterlagen (z.B. Organigramme, Stellenbeschreibungen) zur Verfügung stellen. Das Wählerverzeichnis dient zum einen dem Wahlvorstand als Datenbasis für die formgerechte Ausschreibungder Wahl (Ermittlung der Größe des Betriebsrats, anzuwendendes Wahlverfahren, Sitzanzahl für das Minderheitengeschlecht). Zum anderen hat es auch für die Wähler große Bedeutung, da nur mit Eintragung auf der Wählerliste das aktive und passive Wahlrecht besteht. Und am Wahltag dient das Wählerverzeichnis der Kontrolle, indem in ihm die Stimmabgabe protokolliert wird.

Insbesondere bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrats benötigt der Wahlvorstand Auskünfte vom Arbeitgeber, da sich die Größe des Gremiums nach der Anzahl der betriebszugehörigen Arbeitnehmer (vgl. die Staffel des § 9 BetrVG) richtet. Und hierbei bestehen erfahrungsgemäß neben Fragen der rechtlichen Einordnung auch Streitpunkte, z.B. zur Arbeitnehmereigenschaft oder Zuordnung als „Leitende Angestellte“ oder zur Betriebsstruktur.

b) Neutralitätspflicht

Während der Wahl ist der Arbeitgeber zur Neutralität verpflichtet und darf sich nicht für eine Seite, einen Kandidaten oder eine Liste aussprechen oder diese bevorzugen oder benachteiligen. Sach- und Geldleistungen sind des Weiteren allen gleichermaßen zur Verfügung zu stellen. Denn die Betriebsratswahl soll allein auf der freien Entscheidung der Belegschaft beruhen. Sie darf von niemandem – mithin auch nicht von Seite des Arbeitsgebers – behindert oder beeinflusst werden.

Geduldet werden muss also z. B., dass während des „Wahlkampfs“ Mitarbeiter am Arbeitsplatz, auf dem Gang oder in den Pausenräumen angesprochen werden. Generell gilt jedoch, dass der Betriebsablauf nicht gestört werden darf. Auch die Verteilung von Handzetteln und das Aufhängen von Wahlplakaten ist zulässig. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, Grundsätze für das Plakatieren festzulegen. Dazu kann auch eine geeignete Fläche im Betrieb oder im Intranet zur Verfügung gestellt werden, die von allen Bewerbern genutzt werden kann.

Eine unzulässige Wahlbeeinflussung ist verboten. Zur Vermeidung einer Anfechtung und damit weiteren Kosten dürfen Arbeitgeber insbesondere nicht Empfehlungen zu den Wahlen aussprechen, einem Wahlberechtigtem Vor- oder Nachteile für seine Stimme in Aussicht stellen oder unsachliche, herabwürdigende Kritik äußern.

c) Kostentragungspflicht

Der Arbeitgeber trägt nach § 20 Abs. 3 BetrVG die Kosten der Betriebsratswahl. Dies betrifft alle Aufwendungen, die für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl erforderlich sind. Kosten im Sinne des Gesetzes sind zum Beispiel:

  • Portokosten
  • Beschaffung von Wählerlisten und Stimmzetteln/Briefwahlunterlagen
  • Beschaffung von benötigten Gesetzestexten
  • Schulungskosten

Weiterhin sind alle an der Wahl beteiligten Personen von der Arbeit freizustellen, damit sie ihre Funktion wahrnehmen können. Der Entgeltanspruch bleibt jedoch vollständig erhalten.

Kosten und Zeitaufwand entstehen dabei vor allem durch Sitzungen des Wahlvorstandes und durch die logistische Vorbereitung der Wahl. Aber auch dabei sollte (in gebotener Neutralität, s.o.) darauf geachtet werden, dass die Tätigkeiten und Sachmittel nicht nur erforderlich, sondern auch verhältnismäßig sind, d.h. dass es jeweils keine einfachere und billigere Möglichkeit der Aufgabenerfüllung gibt.

d) Wahrung des Kündigungsschutzes des Wahlvorstands

Mitgliedern des Wahlvorstands kann nach § 15 Abs. 3 KSchG vom Zeitpunkt ihrer Bestellung bis zu Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht ordentlich gekündigt werden. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist zwar möglich, bedarf nach § 103 BetrVG jedoch der Zustimmung des Betriebsrats oder – im Falle ihrer Verweigerung – der gerichtlichen Zustimmungsersetzung. Besteht bisher kein Betriebsrat, gilt der Kündigungsschutz nach dem neu eingeführten § 15 Abs. 3a KSchG auch für bis zu sechs zur Wahlversammlung einladende Arbeitnehmer. Kündigungsschutz genießen zudem bloße Initiatoren, die lediglich Vorbereitungshandlungen zur Betriebsratswahl vornehmen. Erforderlich ist hierfür jedoch eine beglaubigte Absichtserklärung.

e) Vorausschauende Planung für die Zeit nach der Wahl: Kündigungsschutz, Freistellung, Personalplanung, Vergütung u. a.

Für die Zeit nach der Wahl könnten schon einige Themen mit überlegt werden: So ist auch der für Betriebsratsmitglieder geltende besondere Kündigungsschutz zu beachten (§ 15 KSchG i. V. m. § 103 BetrVG). Des Weiteren sollte frühzeitig die Anzahl der vorgeschriebenen Freistellungen (§ 38 BetrVG) – soweit möglich – schon bei der Personalplanung mit einbezogen werden, insbesondere bzgl. der erforderlichen Personaldecke in den Abteilungen. Ein weiteres wichtiges Thema für Unternehmen ist die Frage, was bei der Vergütung nach der Betriebsratswahl freigestellter und nicht (mehr) freigestellter Betriebsratsmitglieder bzw. ausgeschiedener Betriebsratsmitglieder zu beachten ist.

Soweit möglich bzw. schon absehbar, sollten Arbeitgeber also frühzeitig entsprechende Überlegungen anstellen und notwendige Maßnahmen vorbereiten.

 

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