Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer als schwerbehindert anerkannten Mitarbeiterin

 

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Die Parteien streiten über die Anzahl der vom Beklagten abzugeltenden Urlaubstage. Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war bis zum 31. Juli 2014 bei dem Beklagten als Lehrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe im Kalenderjahr 2014 den vollen tariflichen Urlaubsanspruch zuzüglich eines Schwerbehindertenzusatzurlaubs von fünf Tagen erworben. Eine anteilige Kürzung des Tarifurlaubs sei unzulässig. Eine Zwölftelung des Urlaubsanspruchs müsse unterbleiben, wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte ende. Eine abweichende Auslegung der Tarifnorm sei mit § 13 Abs. 1 BUrlG nicht vereinbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

BAG, Urteil vom 09. August 2016 - 9 AZR 51/16

Das BAG entschied nun, dass die Revision der Klägerin unbegründet sei. Das Landesarbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für weitere zehn Urlaubstage zu. Der Beklagte habe den gesetzlichen und tariflichen Urlaubsanspruch sowie den Schwerbehindertenzusatzurlaub der Klägerin in vollem Umfang durch die Gewährung von 23 Urlaubstagen und die Abgeltung von zwei weiteren Urlaubstagen erfüllt.

Es läge keine unzulässige Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs vor. Der Erholungsurlaub beläuft sich dabei unabhängig vom Ein- oder Austritt für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses auf ein Zwölftel des Urlaubsanspruches.

Begründung des Urteils:

Gemäß § 26 Abs. 1 TV-L haben Beschäftigte im Rahmen einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub. Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, steht den Beschäftigten gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 1 TV-L als Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 TV-L zu. § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 2 TV-L ordnet an, dass § 5 BUrlG unberührt bleibt.

Die Zwölftelung des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L findet auch bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres statt.

Der Hinweis in § 26 Abs. 2 Buchstaben b Halbs. 2 TV-L, dass § 5 BUrlG unberührt bleibt, gewährleistet, dass die Zwölftelung nicht zu einer nach § 13 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BUrlG unzulässigen Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs führt. Dies ergibt die Auslegung des § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L. Bereits der Tarifwortlaut, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen sei, spreche für diese Rechtsauffassung.

Unter Bezugnahme auf den in § 26 Abs. 1 TV-L geregelten Urlaubsanspruch bestimmt § 26 Abs. 2 Buchstaben b Halbs. 1 TV-L unabhängig vom Zeitpunkt des Ein- oder Austritts, dass sich der Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses auf ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs beläuft.

Aus dem Hinweis auf § 5 BUrlG könne nicht auf eine ausschließliche Anwendung des Zwölftelungsprinzips (auch bezüglich des tariflichen Mehrurlaubs) auf die Fälle des Teilurlaubs im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchstaben a bis c BUrlG geschlossen werden.

Einer derartigen Betrachtung stehe der Einleitungssatz des § 26 Abs. 2 TV-L entgegen.

Die Tarifvertragsparteien haben darin vereinbart, dass "im Übrigen" - soweit also § 26 Abs. 1 TV-L keine Sonderregelungen enthält – grundsätzlich die Bestimmungen des BUrlG Anwendung finden sollen. In den Buchstaben a bis d des § 26 Abs. 2 TV-L werden sodann "Maßgaben" (abweichende Regeln) bei der Anwendung des BUrlG vereinbart (Effertz Taschenbuch öffentlicher Dienst TV-L Stand Mai 2016 § 26 S. 4).

Nach dem klaren Wortlaut des Einleitungssatzes in § 26 Abs. 2 TV-L sollen also nicht die Regelungen des BUrlG uneingeschränkt zur Geltung kommen, sondern lediglich nach Maßgabe der folgenden, vom BUrlG abweichenden Regelungen. Hierzu zähle auch die tarifliche Zwölftelungsregelung des § 26 Abs. 2 Buchstaben b TV-L.

Hätten die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 2 Buchstaben b Halbs. 2 TV-L auch für den tariflichen Mehrurlaub die Teilurlaubsregelung des § 5 Abs. 1 BUrlG übernehmen wollen, wäre § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L insgesamt überflüssig.

Diese Rechtsfolge würde sich dann bereits unmittelbar aus dem Einleitungssatz in § 26 Abs. 2 TV-L ergeben. Die Revision wurde zurückgewiesen.

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