Arbeitnehmerrechte bei Rückkehr nach Krankheit

 

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Gerade im Umgang mit kranken Mitarbeitern bzw. Mitarbeitern, welche nach einer Langzeiterkrankung in den Betrieb zurückkehren, stellen sich viele Fragen, die sowohl für den Arbeitnehmer, wie auch den Arbeitgeber von großer Bedeutung sind. Dabei fallen immer wieder Schlagworte wie betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) oder stufenweise Wiedereingliederung. Aus Perspektive des Arbeitnehmers sind die Ängste vor einer krankheitsbedingten Kündigung groß.

Sowohl das betriebliche Eingliederungsmanagement, wie auch die stufenweise Wiedereingliederung sollen dazu dienen, die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer zu erhalten. Während es beim bEM darum geht, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und neuer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen, dient die stufenweise Wiedereingliederung dazu, den Arbeitnehmer nach und nach wieder an die volle Arbeitsbelastung zu gewöhnen. Das bEM ist dabei von seinem Ansatz und auch der Zielrichtung her breiter angelegt und zielt darauf ab, die Arbeitsplätze anzupassen und gesundheitsgerecht zu gestalten.

Bereits im Jahr 2004 wurde das bEM in § 84 Abs. 2 SGB IX eingeführt. Das Gesetz verpflichtet alle Arbeitgeber unabhängig von der Betriebsgröße zu einem bEM, sobald ein Arbeitnehmer innerhalb von 12 Monaten länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Dies gilt nicht nur für schwerbehinderte Arbeitnehmer, sondern für alle Beschäftigten. Nach der Rechtsprechung des BAG genügt es insoweit, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten in den zurückliegenden 12 Monaten insgesamt - ggfs. auch in mehreren Abschnitten - mehr als sechs Wochen betragen (BAG 24.3.2011, 2 AZR 170/10). Das bEM ist auch dann durchzuführen, wenn in dem Betrieb kein Betriebsrat besteht (BAG 30.9.2010, 2 AZR 88/09). Dennoch erfüllen - auch mehr als zehn Jahre nach der Einführung der gesetzlichen Regelung - noch lange nicht alle Unternehmen diese Verpflichtung.

Die Teilnahme am bEM ist für den Arbeitnehmer freiwillig. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Durchführung des bEM erteilen muss. Zuvor muss der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des bEM sowie über Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten belehrt worden sein. Soweit die Zustimmung des Arbeitnehmers vorliegt, ist in dem eigentlichen bEM-Verfahren festzulegen, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich, wird regelmäßig auch der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Zudem ist zu prüfen, inwieweit Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsverhältnis dazu beitragen können, das Arbeitsverhältnis auf Dauer zu erhalten. Hierzu hat der Arbeitgeber bei Bedarf die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei Schwerbehinderten das Integrationsamt hinzuzuziehen, damit die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden können. Aufgrund der Komplexität dieser Schritte empfiehlt es sich dringend, ein standardisiertes Verfahren zur Durchführung des bEM im Betrieb zu etablieren und hierzu eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Die Einführung eines solchen Verfahrens unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats. So können allgemeine Verfahrensfragen die Ordnung des Betriebs nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betreffen. In Bezug auf die Nutzung, die Verarbeitung und das Speichern von Gesundheitsdaten können technische Einrichtungen betroffen sein und das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen. Schließlich wird das bEM-Verfahren eine Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG darstellen (BAG 13.03.2012, 1 ABR 78/10; LAG Nürnberg 16.1.2013, 2 TaBV 6/12).

Wird eine krankheitsbedingte Kündigung ohne ordnungsgemäße Durchführung des bEM ausgesprochen, führt dies zwar nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der Kündigung. Jedoch kann sich die Unwirksamkeit der Kündigung daraus ergeben, dass bei Durchführung des bEM eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ohne erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen möglich gewesen wäre, z. B. durch Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an einem anderen - ggf. durch Umsetzungen »freizumachenden« - Arbeitsplatz (BAG 23.4.2008, 2 AZR 1012/06). Wurde das bEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann sich der Arbeitgeber nicht pauschal darauf berufen, dass ihm keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt seien (BAG 10.12.2009, 2 AZR 400/08, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr 56). Vielmehr muss der Arbeitgeber dann konkret und umfassend darlegen und beweisen, warum der Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist und warum auch eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann (BAG 10.12.2009, 2 AZR 198/09). Dies stellt aus Sicht des Arbeitgebers eine erhebliche Hürde dar und wird regelmäßig zur Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung führen. Aus diesem Grund sollte der Arbeitgeber, im Regelfall vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung, dem Arbeitnehmer die Durchführung eines bEM anbieten und bei Zustimmung des Arbeitnehmers auch ordnungsgemäß durchführen.

Die stufenweise Wiedereingliederung wurde bereits im Jahr 1988 mit dem Gesundheitsreformgesetz eingeführt. Anders als beim bEM, wird die stufenweise Wiedereingliederung regelmäßig nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch den Arbeitnehmer in Absprache mit dem behandelnden Arzt und der Krankenkasse initiiert. Allerdings ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, mit einem Arbeitnehmer ein Wiedereingliederungsverhältnis zu begründen. Nach der Rechtsprechung des BAG können jedoch schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte eine stufenweise Wiedereingliederung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX beanspruchen, soweit eine ärztliche Bescheinigung eine entsprechende Wiedereingliederung vorsieht (BAG 13.06.2006, 9 AZR 229/05). Die Wiedereingliederung erfolgt dann regelmäßig am bisherigen Arbeitsplatz, bis schließlich wieder die volle frühere Arbeitsbelastung erreicht wird. Der Ansatz besteht also darin, dass die sukzessive Steigerung der Belastung therapeutisch den Heilungsprozess positiv beeinflusst.

Grundsätzlich sind das bEM und die stufenweise Wiedereingliederung als getrennte Verfahren anzusehen. So wird eine stufenweise Wiedereingliederung nicht die Durchführung eines bEM ersetzen können. Jedoch kann die stufenweise Wiedereingliederung im Rahmen des bEM als Mittel der Wiederherstellung der Gesundheit eingesetzt werden.

Die Durchführung eines bEM oder auch der stufenweisen Wiedereingliederung kann sowohl für den Arbeitnehmer, als auch für den Arbeitgeber Vorteile mit sich bringen. Beide Instrumente zielen darauf ab, Arbeitsunfähigkeitszeiten möglichst zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Unterlässt der Arbeitgeber die (ordnungsgemäße) Durchführung eines bEM, kann dies für ihn nicht nur zu Nachteilen im Fall einer späteren Kündigung führen.

 

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