Unfälle geschehen in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Auch am Arbeitsplatz oder auf einer Dienstreise ist ein Unglück schnell passiert - insgesamt 433.037 meldepflichtige Arbeitsunfälle zählten die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen im ersten Halbjahr 2017. Grund genug, das Thema anhand eines aktuellen Falls mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die klagende Arbeitnehmerin war für ihren Arbeitgeber zu einer Konferenz nach Lissabon gereist. Einen Tag nach dem Konferenzende wollte sie von ihrem Hotelzimmer aus ein Taxi bestellen, mit dem sie zu einer Autovermietung am Flughafen fahren wollte. Dort hatte sie ein Auto für eine private Reise gebucht. Auf dem Weg zum Hoteltelefon rutschte sie auf dem Parkettboden aus und brach sich den Oberschenkel.
Die Antwort hierauf ist insbesondere von Bedeutung für den Versicherungsschutz, da Arbeitnehmer bei ihrer Arbeit in der Regel gesetzlich unfallversichert sind. Die Arbeit begründet also einen besonderen Versicherungsschutz. Das gilt aber nur, wenn es sich um einen „echten“ Arbeitsunfall handelt.
Ein Arbeitsunfall liegt immer dann vor, wenn der Unfall infolge der Arbeit passiert ist. Das bedeutet nicht, dass der Unfall unmittelbar bei der eigentlichen Arbeitstätigkeit passiert sein muss. So kann ein Arbeitsunfall vielmehr auch dann vorliegen, wenn die Tätigkeit mit der Arbeit nur in Verbindung steht. Die Rechtsprechung verlangt insofern einen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit - also der eigentlichen vertragsgemäßen Arbeit - und der Tätigkeit, die zum Unfall geführt hat.
Wann genau ein solcher „innerer Zusammenhang“ vorliegt, ist in der Praxis oft schwierig zu beurteilen. Wenn dieser geforderte Zusammenhang nicht offenkundig ist (z. B. bei der Ausführung einer vom Arbeitgeber ausdrücklich zugewiesenen Tätigkeit) oder gerade erkennbar fehlt, dann ist eine eingehende Abwägung aller Umstände vorzunehmen.
Das Gesetz (§ 8 SGB VII) fordert außerdem immer ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Wenn eine Verletzung oder ein Gesundheitsschaden ohne Einwirkung von außen nur zufällig während der versicherten Tätigkeit passiert - ein Mitarbeiter erleidet z. B. am Schreibtisch einen Herzinfarkt - dann ist das kein Arbeitsunfall.
Ebenso wenig greift die gesetzliche Unfallversicherung dann, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb einer privaten Tätigkeit nachgeht. Verletzt er sich zum Beispiel, während er kurzzeitig seinen Arbeitsplatz zum Rauchen, Trinken oder für ein privates Telefonat verlässt, liegt kein Arbeitsunfall vor.
In unseren Fall verneinte das zuständige Sozialgericht Frankfurt am Main (AZ: S 8 U 47/16) den inneren Zusammengang zwischen versicherter Tätigkeit und Unfall und somit den Arbeitsunfall. Die klagende Arbeitnehmerin sei auf dem Weg zum Telefon gestürzt, von dem aus sie ein Taxi rufen wollte, das sie zu einer Autovermietung für eine private Reise bringen sollte. Der Unfall war also bei einer privaten Erledigung passiert.
Fazit: Nicht jeder Schadensfall, der im Arbeitsumfeld passiert, ist auch gleich ein Arbeitsunfall - auch nicht während einer Dienstreise! Ist der Arbeitnehmer nicht über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert, kann er sich nur an die eigene Krankenkasse halten.
Damit Sie bei der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, nicht im Dunklen tappen, haben wir für Sie die wichtigsten Fallgruppen im Folgenden kurz zusammengefasst:
Wegeunfall: Eine besondere Form des Arbeitsunfalls ist der Wegeunfall. Wegeunfälle sind ebenfalls vom Versicherungsschutz umfasst und können bei Schadensfällen vorliegen, die auf dem Weg zur Arbeitsstätte oder nach Hause passieren. Im Regelfall ist nur der direkte und unmittelbare Weg nach und von der Arbeitsstätte versichert. Unter bestimmten Umständen können aber auch Umwege versichert sein.
Mittagspause: Arbeitsunfälle können passieren auf dem Hin- und Rückweg zur Kantine, zum Imbiss oder auch zum Supermarkt, wenn dort das Mittagessen gekauft wird. Mit dem Durchqueren der Eingangstür endet allerdings der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Essen selbst ist Privatsache. Verletzt sich der Mitarbeiter dabei, z. B. durch Verschlucken oder Schneiden mit dem Messer, ist das kein Arbeitsunfall. Auch, wenn sich ein Unfall während der Erledigung privater Angelegenheiten in der Mittagspause ereignet (z. B. beim Gang zur Reinigung), gilt das in der Regel nicht als Arbeitsunfall.
Toilettengang: Eine Verletzung, die sich der Betroffene auf dem Weg zur Toilette im Betrieb zuzieht, ist ein Arbeitsunfall. In der Regel gilt dies jedoch nicht für eine Schädigung während des Aufenthalts im Toilettenraum, soweit nicht besondere Gefahrenquellen zum Unfall führen.
Betriebsfeier: Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist ein Schaden über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Dazu gehört, dass die Veranstaltung der Pflege des Betriebsklimas zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Mitarbeiter untereinander dient. Die Unternehmensleitung muss die Feier außerdem selbst veranstalten oder wenigstens billigen und - zumindest durch einen Vertreter - daran teilnehmen. Die Teilnahme muss möglichst auch allen Betriebsangehörigen offenstehen. Veranstaltungen für einzelne Abteilungen können gedeckt sein, wenn sie im Einvernehmen mit dem jeweiligen Vorgesetzten stattfinden und dieser teilnimmt.
Dienst- oder Geschäftsreise: Hier liegt ein „echter“ Arbeitsunfall nur dann vor, wenn der Unfall mit der Dienstreise und der zugrundeliegenden beruflichen Tätigkeit in einem sachlichen Zusammenhang steht. Allein der Umstand, dass der Reisende gezwungen ist, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten, reicht nicht.