Von: Hans Peter Schneider (Rechtanwalt, Diplompsychologe Hans Peter Schneider)
Der Eigenbesitz, Eigenkonsum und Eigenanbau von Cannabis sind seit dem 1. April 2024 durch das Konsumcannabisgesetz (KCanG) in geringen Mengen legalisiert worden. Der deutsche Gesetzgeber folgt damit einer Reihe von Staaten, die den Anbau und den Gebrauch der Droge, samt ihrer Produkte, wie Marihuana oder Haschisch, entkriminalisiert haben. Diese Ausnahmen von der, ansonsten weiter bestehenden Strafbarkeit (§ 29 BtMG), bedeuten, dass Besitz und Konsum von Cannabis auch am Arbeitsplatz in dem freigegebenen Umfang grundsätzlich nicht verboten sind. Sie finden jedoch ihre strengen Grenzen in den allgemeinen Fürsorgepflichten von Arbeitgeber (§ 618 BGB) und Arbeitnehmenden (§§ 241 II, 242 BGB) als Nebenpflichten des Arbeitsverhältnisses sowie den entsprechenden Konkretisierungen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (relatives Suchtmittelverbot).
Gemäß §§ 15, 16 ArbSchG und den §§ 15, 16 der DGUV Vorschrift 1 haben Beschäftigte bzw. Versicherte für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit sowie derjenigen, die von ihren Handlungen und Unterlassungen betroffen sind, Sorge zu tragen. Insbesondere (§ 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1) dürfen sie sich nicht durch den Konsum von Alkohol, Drogen, wie Cannabis, oder anderen berauschenden Mitteln, einschließlich von Medikamenten, in einen Zustand versetzen, in dem sie sich selbst oder andere gefährden können. Ausnahmen gelten insoweit nur für den Konsum von medizinisch indiziertem Cannabis und anderen Medikamenten, soweit keine Beeinträchtigungen oder Gefahren am Arbeitsplatz entstehen.
Symposium: Sucht - Prävention und Hilfe im Betrieb
Der Arbeitgeber seinerseits darf gemäß § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Unfall- oder Verletzungsgefahr für sich oder andere auszuführen, nicht mit einer solchen Arbeit beschäftigen. Betraut er verantwortliche Personen mit einer Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht, so haben diese frühzeitig auf mögliche Warnzeichen wie süßlichen Geruch, gerötete oder geschwollene Augen, Schläfrigkeit und verlangsamte Reaktionen oder eine erhöhte Risikobereitschaft zu achten. Insbesondere, da sich Cannabis nicht, wie etwa Alkohol, im Körper linear abbaut, sondern die möglichen Auswirkungen, je nach Aufnahme und individueller Verarbeitung, über mehrere Tage ein Gefährdungspotential darstellen können. Der bzw. die Mitarbeitende ist im Verdachtsfall frühzeitig anzusprechen, gegebenenfalls von der Arbeit zu entbinden und sicher nach Hause zu geleiten oder bei Bedarf in eine ärztliche Betreuung zu geben.
Cannabiskontrollen sind, wie alle Drogentests im Unternehmen, nur unter sehr begrenzten Bedingungen möglich. Für den Arbeitgeber erscheint es deshalb geboten, entweder ein Cannabisverbot durch die Ausübung seines Direktionsrechts (§ 106 S. 2 GewO) auszusprechen oder, soweit ein Betriebsrat oder ein Personalrat bestehen, geeignete Betriebsvereinbarungen mit klaren Reglungen abzuschließen bzw. bestehende Betriebsvereinbarungen zu Drogen und Sucht im Unternehmen nachzubessern (§ 87 I Nr. 1, 7 BetrVG). Diese können arbeitsrechtliche Sanktionen und einen Interventionsstufenplan enthalten, soweit es sich um die Regulierung von Verhaltensweisen handelt, die die Auswirkungen von Cannabis auf die vertraglich geschuldete Leistung der Mitarbeitenden betreffen.
Webinar: Cannabis am Arbeitsplatz
Wichtige unternehmerische Instrumente setzen jedoch bereits vorher an, indem sie bei den Gefährdungsbeurteilungen Überlegungen zu übermäßigen Belastungen und einem möglichen Suchtmittelkonsum einbeziehen (§ 5 ArbSchG), den erweiterten Nichtraucherschutz (§§ 3, 5 ArbStättV) und Jugendschutz (§ 25 I Nr. 5 JArbschG) berücksichtigen, die betriebliche Suchtprävention fördern, verantwortliche Führungskräfte angemessen schulen und externe Beratungsangebote frühzeitig in den Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz einbeziehen.
Ausgewählte Literatur und Internethinweise:
Die Cannabislegalisierung und ihre Bedeutung für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
(https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4983)
Cannabis – Konsum, Gefahr, Mythen, Nutzen; LVM, München, 2024