Alle sprechen von Digitalisierung. Aber wie steht es eigentlich um die digitale Zukunftsfähigkeit der dualen Ausbildung? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat genau dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben und über 600 Unternehmen verschiedener Branchen und Größe befragt. Unter dem Titel „Netzwerke – ein Innovationstreiber für die Ausbildung“ wurden im Juni die Ergebnisse veröffentlicht.
Die gute Nachricht: Etwa ein Drittel der Unternehmen lässt sich als Pioniere im Bereich der Digitalisierung bezeichnen. Diese zeichnen sich durch eine hohe Dynamik bei der digitalen Gestaltung der Ausbildung aus. Das heißt, sie erkennen Trends und Bedarfe und passen ihre Ausbildung entsprechend an. Damit das gelingt, legen sie auch hohen Wert auf eine kontinuierliche Weiterbildung der Ausbilder*innen.
Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die große Mehrheit der Unternehmen deutlichen Nachholbedarf bei der digitalen Entwicklung hat - jedes fünfte Unternehmen fällt sogar in die Kategorie der „digitalen Nachzügler*innen“. Hier ist der Digitalisierungsgrad besonders gering, was sich unter anderem an einem Mangel bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen sowie bei der Verwendung digitaler Lernmedien und digitaler Technologien zeigt.
Da sich die digitalen Pioniere besonders um eine stetige Anpassung an die Fortentwicklung der Digitalisierung bemühen, diese also als kontinuierliche Transformationsaufgabe begreifen, steht zu befürchten, dass der Abstand zwischen digitalen Pionieren und digitalen Nachzüglern so in Zukunft noch weiter auseinanderklaffen wird.
Einen großen Einfluss auf die digitale Entwicklung von Unternehmen hat die Frage, ob sich Unternehmen in Netzwerken engagieren und austauschen. Zu den Netzwerken zählen zum Beispiel Branchenverbände, Ausbilder*innen anderer Unternehmen oder der Bundesagentur für Arbeit, aber auch sogenannte „Lernortkooperationen“. Damit ist der Austausch zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule sowie ggfs. überbetrieblichen Ausbildungsstätten gemeint.
Digitale Pioniere sind wesentlich breiter vernetzt als die digitalen Nachzügler*innen. Sie pflegen den regelmäßigen Austausch mit Netzwerkpartner*innen, tauschen sich offen über Erfahrungen bei der Digitalisierung aus, besprechen Inhalte der Ausbildung, Weiterbildungsbedarfe der Ausbilder*innen und engagieren sich auch bei der Gestaltung übergeordneter Fragestellungen, wie zum Beispiel der Modernisierung von Ausbildungsordnungen.
Spannend ist auch, wie die Autor*innen der Studie „digitale Bildung“ definieren. Denn hier geht es mitnichten nur um die Fragen, ob die Berufsschule mit einer stabilen WLAN-Verbindung ausgestattet ist oder ein*e Auszubidende*r vom Arbeitgeber ein Tablet gestellt bekommt. Natürlich geht es um digitale Fachkompetenz, also der Frage, wie gut man fachlich auf die Digitalisierung des eigenen Berufs und der eigenen Branche eingestellt ist. Dazu kommen Fragen der Methodenkompetenz: Also kann ich mit digitalen Lernmedien und Technologien umgehen? Da sich genau diese geforderten fachlichen und methodischen Fähigkeiten jedoch im Zuge der immer schnelleren digitalen Entwicklungen ständig verändern werden, werden darüber hinaus in Zukunft zahlreiche scheinbar „softe“ Kompetenzen gefordert sein. Dazu zählen Selbstständigkeit und Problemlösungskompetenz, Kommunikation und vernetztes Denken, sowie die Freude daran, kontinuierlich hinzuzulernen.
Wie können Unternehmen aber ihre Digitalkompetenz stärken? Auch dafür liefert die Studie Vorschläge. Unternehmen des „digitalen Mittelfelds“ sowie digitale Nachzügler*innen können beispielsweise gezielt das eigene Netzwerk stärken, um von dem Erfahrungsaustausch und dem Know-how anderer zu lernen und damit zu profitieren. Digitale Pioniere können darüber hinaus selbst weitere Netzwerkaktivitäten initiieren, die ihrem jeweiligen Austauschbedarf entsprechen. Ein zentraler Schlüssel für alle Unternehmen ist die eigene Weiterbildung und die des Ausbildungspersonals in digitalen Inhalten und Methoden. Auch dafür lassen sich in Netzwerken die Weichen stellen.
Fest steht, dass die zunehmend schnelleren Veränderungsprozesse in Gesellschaft und Wirtschaft, zu denen allen voran auch die Digitalisierung zählt, von Unternehmen grundsätzlich Flexibilität und dauernde Anpassungsfähigkeit erfordern. Und wo könnte man besser in diese Zukunftsfähigkeiten investieren als bereits in der Ausbildung?
Die JAV kann maßgeblich dazu beitragen, dass die Herausforderungen der Digitalisierung in der Ausbildung bewältigt werden, indem sie die Interessen der Auszubildenden aktiv vertritt und als Schnittstelle zwischen den Auszubildenden und den Ausbildungsverantwortlichen fungiert. Die JAV kann dabei helfen, den Bedarf an digitalen Kompetenzen und Weiterbildungen zu identifizieren und diesen gezielt in die Ausbildungspläne einzubringen. Darüber hinaus kann sie sich für die Bereitstellung und den Einsatz moderner digitaler Lernmedien und Technologien starkmachen und den Dialog mit anderen Netzwerkpartnern fördern, um von deren Erfahrungen und Best Practices zu profitieren. Durch ihre Beteiligung an der Gestaltung und Modernisierung von Ausbildungsordnungen kann die JAV sicherstellen, dass diese den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Digitalisierung gerecht werden. Zudem kann sie Initiativen zur Förderung von „soften“ Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Problemlösungsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit unterstützen, die im Zuge der digitalen Transformation immer wichtiger werden.
Die vollständige Studie gibt es hier zum Nachlesen.