Gesundheitsmanagement von der Stange?

 

730x300 Mann mit grünen Hemd spricht mit 2 Personen

Vielfalt als Herausforderung und Chance

wie selbstverständlich in unseren täglichen Sprachgebrauch "geschlichen" hat. Doch was genau bedeutet er eigentlich?

Dank Internet ist eine Definition schnell gefunden: Unter dem Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) wird die Systematisierung von Präventiv- und Unterstützungsmaßnahmen zur Erhaltung der psychischen und physischen Gesundheit der Mitarbeitenden (MA) in einem evaluierbaren Managementsystem verstanden.

Die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, ist das eine. Doch wie weit bringt es uns, lediglich diese in den Vordergrund zu stellen? Ein an den Bedürfnissen der Menschen orientiertes BGM geht über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus und umfasst sowohl die Verhältnis- als auch die Verhaltensprävention sowie die Unterstützung in akuten Konfliktfällen.

Wichtigste Zielsetzung ist es dabei, die Glaubwürdigkeit der Organisation auf drei Ebenen zu verbessern:

  1. Die betriebliche Organisationsstruktur muss auf den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter und nicht allein auf Effizienz und ökonomische Interessen ausgerichtet sein.
     
  2. Die Mitarbeiter müssen bei der Selbststeuerung eines gesundheitsfördernden Verhaltens Unterstützung bekommen.
     
  3. Die Unternehmenskultur muss glaubwürdig die Werte abbilden, die zum Gesundheitsschutz beitragen.

Zu Letzterem gehört notwendigerweise der Umgang mit Unterschiedlichkeit und Minderheiten (Token). Unterschiedlichkeit allein darf dabei schon nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht zu ungleicher Behandlung führen. Allerdings muss auch nicht alles gleichbehandelt werden, was in einem konkreten Zusammenhang oder auf eine bestimmte Maßnahme bezogen unterschiedlich ist. Um diese Differenzierung in die gelebte Betriebskultur zu übertragen, gilt es vor allem an der Wahrnehmung und dem Sozialverhalten der Menschen innerhalb einer Organisation zu arbeiten, da Unterschiedlichkeit immer nach Ausgleich sucht. Vordergründig einfacher lebt es sich in einer monokulturellen Gemeinschaft. Aus dieser Tatsache lassen sich auch die Widerstände erklären, die politischen Konzepten wie "Managing Diversity" oder "Gender Mainstreaming" entgegen gebracht werden.

Das sollte aber nicht den Blick davor verschließen, dass erst die Wahrnehmung und Einbeziehung der Vielfalt von Interessen und Meinungen der Mitarbeiter die Möglichkeit einer wirklich demokratischen Betriebskultur schafft, in der sich jede Person wertgeschätzt und mitgenommen fühlt. Entsprechend lohnt es sich, die Frage zu beantworten, wodurch eine Organisation bereichert wird, wenn z. B. Personen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher Kultur, unterschiedlichen Alters oder unterschiedlicher körperlicher Befindlichkeit zusammenarbeiten.

In mehreren Untersuchungen wurde bewiesen, dass ein Perspektivenwechsel Konflikte minimiert und zu besseren und effizienteren Arbeitsergebnissen führt. So funktionieren z. B. gemischt-geschlechtliche Teams besser und effektiver, da sowohl die weibliche als auch die männliche Perspektive in einem konkreten Zusammenhang einfließen kann.

Dies haben viele Betriebe bereits erkannt und die "Charta der Vielfalt" unterzeichnet. Darin heißt es:

"Wir sind überzeugt: Gelebte Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt hat eine positive Auswirkung auf die Gesellschaft in Deutschland.

Im Rahmen dieser Charta werden wir eine Organisationskultur pflegen, die von gegenseitigem Respekt und der Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen geprägt ist. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Vorgesetzte wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Werte erkennen, teilen und leben. Dabei kommt den Führungskräften bzw. Vorgesetzten eine besondere Verpflichtung zu."

Zu den Erstunterzeichnenden dieser Charta im Jahre 2007 gehörten Die Deutsche Bank, Daimler Benz und die Deutsche Telekom. Bis heute ist die Gruppe der unterzeichnenden Unternehmen auf mehr als 1.350 angewachsen. Neben Großunternehmen gehören auch Klein- und mittelständische Betriebe, sowie öffentliche Einrichtungen Verbände, Vereine und Stiftungen dazu.

Ob dies allerdings nur ein sogenanntes "Lippenbekenntnis" darstellt oder tatsächlich in der Organisation gelebt wird, ist entscheidend dafür, dass der Effekt des Gesundheitsschutzes auch wirklich eintritt. Sollten diese Postulate nämlich nicht abbildbar sein oder sogar durch das Verhalten von vorgesetzten Personen verletzt werden, tritt eine sogenannte "Glaubwürdigkeitslücke" ein, die alles zunichte macht, was in diesem Zusammenhang als Zielsetzung formuliert wurde.

Hier kann der Betriebsrat unterstützend wirken, indem er solche Tendenzen aufzeigt und gleichzeitig durch Betriebsvereinbarungen gemäß § 87 (1)1 BetrVG eine eigene Verantwortung für das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb übernimmt.

Der Betriebsrat kann auch im Rahmen der Gefährdungsanalyse gemäß § 5 (1) des Arbeitsschutzgesetzes (ArbschG) darauf hinwirken, Gesundheitsgefährdung durch sogenannten "Genderstress" zu vermeiden. Also Erwartungen aus den jeweiligen Geschlechterrollen sichtbar zu machen, die dazu führen, dass eine psychische Belastung gar nicht wahrgenommen oder unterbewertet wird. Wie ist es z. B. mit der psychischen Belastung der Verkäuferin oder Krankenschwester durch die erwartetete Freundlichkeit und Empathie auch in schwierigen und unangenehmen Situationen? Was ist mit der Angst des männlichen Polizisten vor gewalttätigen Ausschreitungen?

Alles das sind Ansätze für managing Diversity, die sowohl "top down" von Seiten der Unternehmensführung als auch "bottom up" vom Betriebsrat angestoßen und verfolgt werden können, um den psychischen Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter zu verbessern.

Seminartipps