Keine Diskriminierung schwerbehinderter Bewerber bei Absage wegen Überqualifikation

 

730x300 - junge Frau mit Fragezeichen

Verstößt ein öffentlicher Arbeitgeber gegen Verfahrensvorschriften, die dem Schutz schwerbehinderter Bewerber im Bewerbungsprozess dienen, begründet dies grundsätzlich die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Der Arbeitgeber kann die Vermutungswirkung nur widerlegen, wenn er seine ablehnende Entscheidung auf solche Gründe stützen kann, die nicht mit der fachlichen Qualifikation des Bewerbers in Zusammenhang stehen.

BAG, Urteil vom 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14
(LAG Saarland), BeckRS 2016, 68655

Der Kläger verfügt über einen Universitätsabschluss in Betriebswirtschaftslehre und ist mit einem Grad der Behinderung von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bewarb sich auf eine Stelle als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst, die das damalige saarländische Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr ausgeschrieben hatte. Nach der Stellenausschreibung sollten die Bewerber über einen kaufmännischen bzw. betriebswirtschaftlichen Hochschulabschluss (FH bzw. Bachelor) verfügen. Das beklagte Land lud den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit Schreiben vom 05.11.2010 mit, dass es sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Im Vorfeld der Entscheidung war die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt worden.

Der Kläger sieht in diesem Vorgehen eine Diskriminierung wegen seiner Behinderung und verlangt von dem beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG liege nicht vor.
Das BAG stellte zunächst klar, dass die Verletzung der in § 82 S. 2 SGB IX festgelegten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung darstelle. Gleiches gelte, wenn der Arbeitgeber entgegen §§ 82 I, 95 II SGB IX die Schwerbehindertenvertretung bei seiner Auswahlentscheidung nicht beteilige. Eine abweichende Vereinbarung mit der Schwerbehindertenvertretung, wonach diese nur über die in die nähere Auswahl kommenden Bewerber zu informieren sei, lasse die Pflicht des Arbeitgebers zur Beteiligung nicht entfallen.

Im vorliegenden Fall habe das beklagte Land die Vermutung des § 22 AGG jedoch widerlegen können. Das beklagte Land habe darlegen können, dass die ablehnende Entscheidung ausschließlich auf personalpolitischen Erwägungen, die nicht die fachliche Qualifikation des Klägers beträfen, beruhte. Der Kläger sei allein aufgrund seines universitären Abschlusses und seiner daraus resultierenden Überqualifizierung nicht berücksichtigt worden. Dies werde auch daraus deutlich, dass das beklagte Land zwei weitere Schwerbehinderte, die nicht über einen universitären Abschluss verfügten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe.

Mit der Beschränkung des Bewerberkreises habe das beklagte Land auch nicht gegen das Prinzip der Bestenauslese gemäß Art. 33 II GG verstoßen. Der öffentlichen Verwaltung stehe es frei, überqualifizierte Personen vom potentiellen Bewerberkreis auszuschließen, sofern diese Einschränkung aus sachlichen Erwägungen gerechtfertigt sei. Dazu zählten insbesondere auch personalpolitische Gründe, wie bspw. die Mitarbeiterzufriedenheit und eine nachhaltige Personalplanung.

Seminartipps