Arbeit 4.0 und Inklusion – neue Handlungsfelder

von: Rechtsanwalt Prof. Dipl. theol. Tobias Noll, Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht

Das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales versteht Arbeit 4.0 als einen Prozess, mit dem es einen Dialog rund um die Zukunft der Arbeitswelt schafft.  Umso wichtiger ist es also, dass sich der Inklusionsgedanke dort wiederfinden lässt. Für die Tätigkeit in den Betrieben vor Ort sind somit die Handlungsfelder herauszukristallisieren im Spannungsfeld Arbeiten 4.0 und Inklusion.

1. Arbeiten 4.0 – Chance und Risiken

Unter dem Schlagwort Arbeit 4.0 wird die enge Verbindung zwischen technologischen Innovationen, menschlicher Arbeit und organisatorischen Strukturen verstanden. Automatisierte Systeme, künstliche Intelligenz, flexible Beschäftigungsformen und digitale Kommunikationsplattformen prägen zunehmend den beruflichen Alltag und verändern sowohl die Art der Arbeit als auch die Erwartungen an Arbeitnehmer und Unternehmen gleichermaßen.

Die fortschreitende Digitalisierung führt zu einem grundlegenden Umbruch in der Arbeitswelt mit neuen Herausforderungen, Chancen und Risiken.

Verbunden ist dieses für die Arbeitnehmer nicht nur mit Chancen, sondern auch der Angst, die neuen Herausforderungen nicht erfüllen zu können und zu scheitern, ggf. auch dem Gefühl, überflüssig zu werden und nicht mehr gebraucht zu werden.

Menschen mit einer Behinderung können unter Umständen gehandicapt sein, den neuen Anforderungen gerecht zu werden, so zumindest das bedrohlich empfundene Gefühl. Dieses ist Handlungsfeld 1, welches berücksichtigt werden muss.

2. Inklusion – Ausgangspunkt und gesetzliche Ansprüche   

In dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist in Artikel 1 der Zweck des Übereinkommens festgelegt. Der Zweck ist, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. In Artikel 3 Buchstabe c des Abkommen ist die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft als Grundsatz ausgeführt.

Die Bundesrepublik Deutschland hat das Übereinkommen am 24. Februar 2009 ratifiziert.

In diversen gesetzlichen Regelungen wird der Inklusionsgedanke aufgegriffen. Gem. § 164 IV Nr. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr, nach Nr. 5 Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Gem. §§ 1 und 7 AGG ist eine Benachteiligung aufgrund einer Behinderung nicht erlaubt. Gem. § 80 I Nr. 4 BetrVG hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen zu fördern. Als Handlungsfeld 2 muss also die konsequente Förderung der Inklusion verstanden werden.

3. Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung

Die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sind in § 178 SGB IX geregelt. Nach § 178 I S. 1 SGB IX fördert die Schwerbehindertenvertretung die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist damit eben auch, die Herausforderung aus Arbeiten 4.0 mit zu berücksichtigen und bei denen sich ergebenden Handlungsfelder die Interessen der schwerbehinderten Menschen zu berücksichtigen.

4. Folgerungen für die Praxis

Inklusion und die Herausforderungen aus Arbeiten 4.0 müssen in der Praxis für behinderte Menschen nicht nur in Einklang gebracht werden, sondern als Lösung mittels Arbeiten 4.0 für die Inklusion verstanden werden. Die beiden aufgezeigten Handlungsfelder müssen konsequent zusammengebracht werden.

Arbeiten 4.0 kann für Menschen mit Behinderungen ein wichtiger Treiber für Teilhabe sein kann, z.B. durch technische Hilfen wie digitale Assistenzsysteme, sprach- oder blickgesteuerte Eingabegeräte, Screenreader oder Übersetzungstools, die Arbeitsbereiche eröffnen können, die zuvor unzugänglich waren.

Auch Regelungen zu Homeoffice und Telearbeit können physische oder organisatorische Barrieren überwinden.

Wichtig ist aber, dass die digitale Arbeitswelt keine neuen Formen der Benachteiligung erzeugen darf, etwa durch nicht barrierefreie Software oder algorithmische Entscheidungsprozesse, die Menschen mit Behinderungen benachteiligen bzw. ausschließen.

Ziel muss es sein, digitale Barrierefreiheit, Datenschutz, Qualifizierung und Teilhabe zu integrieren, u.a. durch die frühzeitige Einbindung der Schwerbehindertenvertretungen in IT-Projekte und Digitalisierungsprojekte, um Handlungsfeld 1 und 2 konsequent miteinander zu kombinieren.

5. Fazit

Arbeit 4.0 bietet enorme Chancen für Inklusion – vorausgesetzt, Digitalisierung wird sozial gestaltet. Wichtig wird es sein, die Chancen zu ergreifen und die Veränderung so zu gestalten, dass die Inklusion gefördert und nicht erschwert wird. Stellen Sie sich als Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat und damit als Interessenvertretung der Herausforderung, auch durch Kenntnis der rechtlichen Möglichkeiten!