Sonderfall Urlaub und Arbeitsunfähigkeit

Von: S. Giltiridou, Rechtsanwältin

Die Frage, wie sich Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub auswirkt, stellt sich in der Praxis oftmals. Ob der gesetzliche Erholungsurlaub auch entsteht, wenn man lange Zeit erkrankt ist und bereits eine befristete Rente bezieht, stellt sich ebenso wie die Frage was geschieht, wenn man arbeitsunfähig ist und aus diesem Grunde seinen Urlaub im laufenden Jahr nicht nehmen kann….

Der gesetzliche Urlaubsanspruch entsteht auch, wenn der Arbeitnehmende eine befristete Rente bezieht und das Arbeitsverhältnis ruht. Das Bundesarbeitsgericht hat dies entschieden (9 AZR 353/10), obwohl der Arbeitnehmende in dieser Zeit nicht arbeitet und auch keine Vergütung erhält. Das Arbeitsverhältnis ruht ebenso, wenn der Arbeitnehmende lange Zeit arbeitsunfähig krank ist, weshalb der Urlaubsanspruch auch bei Vorliegen einer Langzeiterkrankung entsteht.

Aufgrund des § 7 im Bundesurlaubsgesetz muss der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Wenn ein Arbeitnehmender jedoch erkrankt und aus diesem Grunde seinen Urlaub nicht bis zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres nehmen kann, wird dieser auf das folgende Kalenderjahr übertragen, also bis zum 31. März des Folgejahres.

In der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellte es jedoch klar, dass die Regelung im Bundesurlaubsgesetz unionsrechtskonform ausgelegt werden muss, mit dem Ergebnis der Übertragung des Urlaubs von 15 Monaten im Fall der Langzeiterkrankung. So verfällt der Urlaub im Fall der Langzeiterkrankung erst am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres.

Wenn ein Arbeitnehmender in einem Jahr gearbeitet hat und nicht im gesamten Kalenderjahr arbeitsunfähig krank oder erwerbsgemindert war, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihn/sie rechtzeitig in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch auszuüben (Bundesarbeitsgericht 9 AZR 245/19). Der Arbeitgeber muss demnach die Initiative ergreifen und den Arbeitnehmenden rechtzeitig auffordern, den Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen. Die Obliegenheitsverpflichtung erfordert zudem einen Hinweis, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt. Dies ist Voraussetzung für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nach Ablauf des 15-monatigen Übertragungszeitraums. Folglich verfällt der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmenden, wenn er trotz Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber den Urlaub nicht verlangt hat.

Hingegen verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin nach Ablauf der 15 Monatsfrist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, wenn der Arbeitnehmende seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig bzw. voll erwerbsgemindert war.

Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass in diesem Fall nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmenden für den Verfall des Urlaubs kausal sind. Eine freie Entscheidung des Arbeitnehmenden über die Verwirklichung des Urlaubs ist ihm aufgrund der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit in diesem Fall nicht möglich.

Ein der geschilderten Obliegenheitspflicht entsprechender Hinweis des Arbeitgebers kann den Arbeitnehmenden nicht in die Situation versetzen, den Urlaub zu verlangen und zu nehmen, wenn er/sie im gesamten Kalenderjahr arbeitsunfähig krank war. Insofern ist auch ein Hinweis des Arbeitgebers entbehrlich.