Versorgungsmedizinische Grundsätze geändert!

 

730x300 § und viele liegende Fragezeichen

Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ sind geändert worden. Die Änderung betrifft den Teil C der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Sie ist durch Artikel 26 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) erfolgt und am 20.12.2019 in Kraft getreten.

Was bedeutet die Änderung für die SBV?

Diese Änderung hat Irritationen ausgelöst. Es wurde vermutet, dass einige Bestimmungen aus dem auf heftige Kritik gestoßenen Referentenentwurf einer sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung, still und heimlich im Rahmen eines Artikelgesetzes Gesetz geworden seien. Das ist nicht der Fall. Die Änderungen wirken sich nämlich nicht auf die Lage des schwerbehinderten Beschäftigten aus. Diese Neuerung betrifft ausschließlich den Teil C der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“, der die „Begutachtung im Sozialen Entschädigungsrecht“ regelt.

Der Änderungsanlass: Einführung des SGB XIV

Die Neuregelung wurde erforderlich, weil das Soziale Entschädigungsrecht (SER) unter Aufhebung des alten Bundesversorgungsgesetzes mit Entschädigungstatbeständen für Opfer ziviler Gewalt, inklusive psychischer Gewalt, Opfer beider Weltkriege, Opfer während des Zivildienstes und Entschädigungsberechtigung nach dem Infektionsschutzgesetz nach Art. 1 des Gesetzes neu im Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch - Soziale Entschädigung (SGB XIV) geregelt ist. Einige Bestimmungen des SGB XIV sind im ersten Schritt am 20.12.2019 in Kraft getreten, weitere Bestimmungen treten mit Wirkung vom 1.1.2021 und der Rest am 1.1.2024 in Kraft.

Gesonderte Beurteilung für SER erforderlich

Die zum SER zugehörigen Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind mit Wirkung vom 20.12.2019 unter „Teil C: Begutachtung im SER“ in der Anlage VersMedV neu gefasst. Diese Begutachtung für Zwecke des SER muss gesondert vom Schwerbehindertenrecht geschehen. Denn im Schwerbehindertenrecht wird jede Behinderung final (egal welche Ursache die Behinderung hat) bewertet und nicht kausal (ursachenbezogen). Demgegenüber bedarf es im SER stets einer Kausalitätsbetrachtung, ob eine Gesundheitsstörung die Folge einer Schädigung ist. Deshalb heißt es in Teil C Nr. 1 „Die Grundsätze, die im Sozialen Entschädigungsrecht zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung maßgebend sind, werden in diesem Teil der Versorgungsmedizinischen Grundsätze aufgestellt. Die Auswirkungen der als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen werden mit einem Grad der Schädigungsfolgen bewertet.“

Zusammenhang mit der 6. Änderung VersMedV

Die ärztliche Bewertung der Auswirkungen der Schädigungsfolgen für das SER erfolgt nach den Regeln und Anhaltswerten, die im Teil A und Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV festgelegt sind. Deshalb werden Verschlechterungen im Teil A und im Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV, wie sie mit den Referentenentwürfen zur sechsten Änderungsverordnung der VersMedV beabsichtigt waren (dazu: Düwell, jurisPR-ArbR 19/2019 Anm. 1), auch mittelbar Auswirkungen auf die Leistungsberechtigten nach dem SGB XIV haben, wenn an diesem Vorhaben festgehalten werden sollte. Dann könnte beispielweise ein schwerbehinderter Beschäftigter, dessen Grad der Behinderung sich infolge einer Neufeststellung auf der Grundlage von im „Teil B: GdS Tabelle“ herabgesetzten Anhaltswerten mindert, sowohl seine Rente als Kriegs- oder Gewaltopfer als auch seinen besonderen Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX verlieren.  

Wie geht’s weiter?

Aus gut unterrichteten Krisen ist bekannt geworden, dass im BMAS die Überarbeitung des im Sommer 2019 gescheiterten Referentenentwurfs einer sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung geplant wird. Angesichts des Gleichlaufs der Interessen werden die Schwerbehindertenvertretungen bei der Abwehr von Verschlechterungen natürliche Bündnispartner bei den Sozialverbänden haben. Diese Vernetzung mit den Sozialverbänden und die von der neuen Leiterin der Fachabteilung im BMAS erklärte Bereitschaft, die Sprecher der Schwerbehindertenvertretungen bei den anstehenden Beratungen einzubeziehen, geben Anlass zum Optimismus.

Artikel 26 - Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (SozERG)

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