Wenn ein Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage gerät, hilft als letzter Ausweg oftmals nur noch eine Betriebsänderung, also eine grundlegende Neuausrichtung oder Einschränkung des Betriebs. Die Änderung kann bis hin zur Schließung des gesamten Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile gehen und somit erhebliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer haben.
An dieser Stelle kommt dann der Sozialplan ins Spiel. Ein Sozialplan ist gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die schriftliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern des Betriebs infolge einer vom Arbeitgeber geplanten Betriebsänderung entstehen. Mit anderen Worten: Der Sozialplan soll die aus der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer erwachsenden Nachteile auffangen.
In der Praxis geht es in der Regel darum, dass Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung entlassen werden müssen, womit ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage betroffen ist. Mit dem Sozialplan soll geregelt werden, wie die durch den Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen auszugleichen oder zumindest abzumildern sind. Ganz konkret gesagt geht es also in den meisten Fällen im Sozialplan um Abfindungsansprüche für die aufgrund der Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer.
Ein Sozialplan wird in der Regel für alle Arbeitnehmer ausgehandelt, die von den Änderungen im Betrieb betroffen sind und denen dadurch Nachteile entstehen. In bestimmten Fällen können Arbeitnehmer jedoch vom Sozialplan ausgeschlossen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Ermessensspielraum. Sie können also grundsätzlich frei darüber entscheiden, wem sie, in welchem Umfang, welche Nachteile in Sozialplänen ausgleichen oder mildern wollen. Unzulässig ist es allerdings, ohne sachlichen Grund bestimmte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von den Leistungen des Sozialplans auszunehmen.
Ein häufiger Streitpunkt in Sozialplanverhandlungen ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob bzw. welche Arbeitnehmer im Falle ihres freiwilligen Ausscheidens eine Abfindung erhalten sollen.
Grundsätzlich müssen Mitarbeiter, die im Rahmen einer laufenden Restrukturierungsmaßnahme freiwillig – aufgrund von Eigenkündigung oder durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags – ausscheiden, nicht im Sozialplan berücksichtigt werden.
Allerdings haben die Betriebsparteien dabei den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG zu beachten. Demnach sind die Betriebsparteien auch im Hinblick auf die Beurteilung von Eigenkündigungen und Aufhebungsverträgen verpflichtet, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen.
Besonderheiten gelten daher, wenn die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlasst worden ist. In diesem Fall sind Arbeitnehmer, die auf Grund einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrags ausscheiden, mit denjenigen gleich zu behandeln, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird.
Es stellt sich also die alles entscheidende Frage, wann von einer „Veranlassung“ durch den Arbeitgeber auszugehen ist.
Grundsätzlich gilt, dass eine „Veranlassung“ immer dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der Eigeninitiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer andernfalls notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers lediglich zuvor. Ob das geschehen ist, ist wie so oft im „juristischen Leben“ eine Frage des Einzelfalls.
Nicht jedes Einwirken auf den Arbeitnehmer wertet die Rechtsprechung jedenfalls zugleich als eine „Veranlassung“ seines freiwilligen Ausscheidens. So genügt ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, in der Regel nicht.
Findigen Arbeitgebern eröffnet diese Rechtsprechung gewisse Gestaltungsmöglichkeiten, um einen Arbeitnehmer mit einer „geschickten“ Darstellung der schlechten Wirtschaftslage unter Umständen zu einer Eigenkündigung zu bewegen und vom Sozialplan auszuschließen, ohne dass dies als eine „Veranlassung“ gewertet würde.
Arbeitnehmern kann insofern nur geraten werden, sich nicht durch eine blumige Darstellung der schlechten Ertragslage des Unternehmens „bange machen“ und vom Arbeitgeber ins Bockshorn jagen zu lassen.
Um die Rechtsunsicherheit im Hinblick auf Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge zu reduzieren, kommt die Möglichkeit der Aufnahme einer sogenannten „Stichtagsklausel“ im Sozialplan in Betracht. Danach werden Arbeitnehmer von den Sozialplanleistungen ausgeschlossen, die ihr Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung vor einem bestimmten Zeitpunkt beenden. Im Grunde nehmen derartige Klauseln eine typisierende Betrachtung vor, wann eine Eigenkündigung frühestens erklärt worden sein darf, damit sie als arbeitgeberseitig veranlasst gilt.
Nach der Rechtsprechung des BAG sind solche Stichtagsklauseln grundsätzlich zulässig. Den Betriebsparteien wird dabei auch ein erheblicher Ermessensspielraum zugebilligt, sofern der gewählte Zeitpunkt sachlich vertretbar erscheint. Als Stichtag für die Eigenkündigung bietet sich beispielsweise der Zeitpunkt des Scheiterns der Interessenausgleichsverhandlungen, die Bekanntgabe des Stilllegungsbeschlusses an den Betriebsrat oder der Abschluss der Sozialplanverhandlungen an.
Ob im Interesse der Rechtssicherheit die Aufnahme einer solchen Stichtagsregelung sinnvoll ist, sollte der Betriebsrat jedoch genau überlegen. Denn betroffene Arbeitnehmer, die angesichts von Zukunftsangst und Unsicherheit unter Umständen zu voreilig gehandelt haben, könnten hart getroffen werden.