Eine Betriebsänderung bezeichnet eine tiefgreifende Veränderung im Betrieb, die der Arbeitgeber plant und die erheblich in den Betriebsablauf oder den Bestand des Betriebs eingreift. Solche Veränderungen sind in § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt und lösen besondere Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus, wenn in dem Unternehmen, dem der Betrieb angehört, regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen beschäftigt sind.
Wenn im Betrieb tiefgreifende Veränderungen anstehen, ist ein gut informierter Betriebsrat unverzichtbar. Die Betriebsrat-Seminare von Poko helfen Ihnen dabei, Ihre Entscheidungsfähigkeit gezielt zu stärken. Mit einem klaren Fokus auf praxisrelevante Inhalte vermitteln wir das nötige Wissen, um Betriebsänderungen souverän und rechtssicher zu begleiten. Gerne entwickeln wir für Sie auch maßgeschneiderte Inhouse-Schulungen – individuell abgestimmt auf die Besonderheiten in Ihrem Betrieb.
Mit der nachfolgenden Checkliste behalten Arbeitgeber und Betriebsrat den Überblick über ihre Pflichten und Rechte bei einer Betriebsänderung:
Eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Betriebsänderung liegt nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz vor, wenn in einem Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmenden erhebliche Eingriffe in einen Betrieb geplant sind, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können. Das bedeutet, dass die Maßnahme sich negativ auf viele Mitarbeiter*innen auswirkt – zum Beispiel durch Kündigungen, Versetzungen, Gehaltskürzungen oder längere Arbeitswege.
Bei der Frage, ob ein erheblicher Teil der Belegschaft durch die Betriebsänderung betroffen ist, wird auf die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG als Richtschnur abgestellt, jedoch mit der Maßgabe, dass mindestens 5 % der Belegschaft des Betriebes betroffen sein müssen. Bei dieser Größenordnung ist nach der Rechtsprechung des BAG von einem erheblichen Teil der Belegschaft auszugehen. Allerdings passen die Grenzwerte des § 17 Abs. 1 KSchG nicht für Betriebe mit weniger als 21 Arbeitnehmern. In diesen Fällen müssen mindestens sechs Arbeitnehmer betroffen sein, um einen erheblichen Teil der Belegschaft anzunehmen.
Allerdings kennt das Betriebsverfassungsgesetz auch bestimmte Fälle, in denen der Gesetzgeber automatisch von wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft ausgeht. Liegt einer der Fälle des § 111 S. 3 Nr. 1-5 vor, braucht daher nicht zusätzlich geprüft zu werden, ob die Maßnahmen des Unternehmers wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können.
Auch ein bloßer Personalabbau kann eine Betriebsänderung in der Form der Betriebseinschränkung darstellen, wenn es sich um eine erhebliche Personalreduzierung handelt die bestimmte Schwellenwerte überschreitet.
Home-Office als neues Arbeitsmodell kann ebenfalls unter Umständen eine Betriebsänderung sein – etwa, wenn ein erheblicher Teil der Belegschaft dauerhaft ins Homeoffice geschickt wird, um Büroflächen einzusparen.
In all diesen Fällen des § 111 S. 3 Nr. 1-5 unterstellt der Gesetzgeber, dass erhebliche Nachteile für die Mitarbeiter*innen entstehen können, sodass besondere Beteiligungsrechte des Betriebsrats greifen.
Bei einer geplanten Betriebsänderung hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte sowie weitere Beteiligungsrechte. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplanten Änderungen zu informieren. Anschließend müssen Arbeitgeber und Betriebsrat die geplanten Maßnahmen beraten mit dem Ziel, einen Interessenausgleich und Sozialplan auszuhandeln.
Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in der geregelt wird, ob, wann und wie die geplante Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat kann in diesen Verhandlungen Gegenkonzepte und Alternativen vorschlagen, um die Nachteile für die Beschäftigten möglichst gering zu halten.
Zwar kann der Arbeitgeber letztlich die Entscheidung für die Betriebsänderung treffen, aber er muss den Versuch unternehmen, mit dem Betriebsrat eine Einigung (Interessenausgleich) herbeizuführen. Kommt eine Einigung zustande, wird darin festgehalten, ob, wann und in welcher Form die Veränderung stattfinden soll.
Wichtig: Der Interessenausgleich ist rechtlich nicht erzwingbar – gelingt keine Einigung, darf der Arbeitgeber die Maßnahme prinzipiell dennoch durchführen. Allerdings muss er das für den Versuch über einen Interessenausgleich vorgeschriebene Verfahren in vollem Umfang durchführen, wenn er verhindern will, dass gegen ihn Ansprüche auf einen Nachteilsausgleich geltend gemacht werden
Entstehen den Arbeitnehmer*innen durch die Betriebsänderung wirtschaftliche Nachteile, muss der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber einen Sozialplan verhandeln; davon bestehende Ausnahmen sind in § 112 a BetrVG regelt . Ein Sozialplan ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die Maßnahmen zum Ausgleich oder zur Milderung der Nachteile festlegt. Der Sozialplan hat – anders als der Interessenausgleich - die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. Typische Inhalte eines Sozialplans sind zum Beispiel Abfindungszahlungen für gekündigte Mitarbeiter*innen, Unterstützung bei Weiterbildung oder Umschulung, Übernahme von Umzugskosten oder Zuschüsse zu längeren Wegstrecken. Der Sozialplan sorgt also dafür, dass die Belegschaft für den Verlust des Arbeitsplatzes oder andere Nachteile einen finanziellen Ausgleich oder andere Hilfen erhält.
Anders als der Interessenausgleich ist ein Sozialplan erzwingbar: Kommt keine Einigung zustande, kann die Einigungsstelle (ein paritätisch besetztes Schlichtungsgremium) angerufen werden, die einen Sozialplan festsetzen darf (§ 112 Abs.4 BetrVG). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass bei einer Betriebsänderung gravierende wirtschaftliche Nachteile der Beschäftigten nicht ungeachtet bleiben.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber die Betriebsänderung durchführt, ohne dass ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht wurde? In diesem Fall greift § 113 BetrVG, der den Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen regelt. Der Nachteilsausgleich gibt betroffenen Arbeitnehmenden einen individualrechtlichen Entschädigungsanspruch.
Er soll die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen, die ihnen dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber entweder ohne zwingenden Grund von einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich abweicht oder schon gar keinen ernsthaften Versuch zur Einigung über einen Interessenausgleichs unternimmt..
Konkret bedeutet das im Fall einer Entlassung: Müssen Arbeitnehmer*innen aufgrund der Betriebsänderung den Betrieb verlassen (z.B. durch betriebsbedingte Kündigungen oder Aufhebungsverträge), haben sie ausnahmsweise einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung. Bezüglich der Höhe der Abfindung verweist § 113 Abs. 1 auf § 10 KSchG. Dieser sieht je nach Lebensalter und Beschäftigungsdauer einen unterschiedlichen Rahmen vor. Der Nachteilsausgleich ist damit eine Sanktion unter anderem dafür, dass der Arbeitgeber keinen Interessenausgleich versucht hat.
Betriebsübergang und Betriebsänderung sind zentrale Begriffe im Arbeitsrecht, die oft verwechselt werden – obwohl sie unterschiedliche rechtliche Konsequenzen und Beteiligungsrechte des Betriebsrats auslösen.
Die folgende Tabelle gibt einen kompakten Überblick über die wichtigsten Unterschiede:
Merkmal | Betriebsübergang | Betriebsänderung |
Rechtsgrundlage | § 613a BGB | §§ 111 ff. BetrVG |
Was passiert? | Wechsel des Inhabers (z. B. Verkauf, Fusion) | Änderung der betrieblichen Organisation, der Struktur, des Tätigkeitsbereichs, der Arbeitsweise, des Standorts o.ä. |
Beteiligte Partei | Neuer Arbeitgeber tritt an die Stelle des alten | Bestehender Arbeitgeber nimmt strukturelle Änderungen vor |
Betroffene Einheit | Betrieb oder Betriebsteil | Der gesamte Betrieb oder wesentliche Betriebsteile |
Auswirkung auf Arbeitsverträge | Arbeitsverhältnisse gehen automatisch über | Arbeitsverhältnisse können z. B. durch Kündigung enden /Versetzungen möglich |
Betriebsrat beteiligt? | Kein Mitbestimmungsrecht bzgl. des Betriebsübergangs an sich. Aber u.U. Beteiligung bei damit ggf. einhergehender Maßnahmen (z.B. Versetzungen). | Ja, umfassende Mitbestimmungsrechte |
Mögliche Folge für Beschäftigte | Zunächst Arbeitgeberwechsel ohne Veränderung der Tätigkeit | Arbeitsplatzverlust, Versetzung, geänderte Arbeitsbedingungen |
Kann Betriebsübergang und Betriebsänderung zusammenfallen? | Ja, möglich z. B. bei Betriebsverkauf mit anschließender Umstrukturierung | Ja – dann liegt zusätzlich zu dem Betriebsübergang eine Betriebsänderung vor |
Auch wenn Betriebsübergang und Betriebsänderung auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, unterscheiden sie sich deutlich in ihren rechtlichen Folgen und den Beteiligungsrechten des Betriebsrats – eine klare Abgrenzung ist daher unerlässlich für eine rechtssichere und mitbestimmte Gestaltung betrieblicher Veränderungen.
Eine Betriebsänderung bringt viele Herausforderungen mit sich – für Arbeitgeber ebenso wie für den Betriebsrat. Umso wichtiger sind eine strukturierte Vorbereitung und ein enger Austausch beider Seiten. Wer frühzeitig informiert, zielgerichtet verhandelt und faire Ausgleichslösungen entwickelt, schafft die Grundlage für tragfähige Ergebnisse und vermeidet unnötige Konflikte.
Damit Sie in solchen Prozessen sicher auftreten können, unterstützen wir Sie mit fundierten Schulungsangeboten für Betriebsräte: Ob als Seminar an unseren Poko-Standorten, interaktives BR-Webinar oder maßgeschneiderte Inhouse-Schulung – unsere erfahrenen Referent*innen vermitteln Ihnen das relevante Praxiswissen rund um Mitbestimmung, Sozialplan und Interessenausgleich. Verständlich, aktuell und direkt umsetzbar – so bleiben Sie auch in komplexen Veränderungsprozessen handlungsfähig.