Eine Betriebsstilllegung stellt sowohl die Belegschaft als auch den Betriebsrat vor große Herausforderungen. Wenn ein Betrieb geschlossen wird, sind nicht nur zahlreiche Fragen zu klären, sondern auch die Interessen der Mitarbeitenden zu schützen. Welche Rechte und Pflichten hat der Betriebsrat in dieser Situation, und wie kann er die Belegschaft optimal unterstützen? Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Aufgaben des Betriebsrats bei einer Betriebsstilllegung – von den Verhandlungen über einen Sozialplan bis hin zum Restmandat. Für noch mehr praxisnahes Wissen zu diesen und anderen Themen stehen Ihnen die spezifischen Poko-Betriebsratsseminare bereit.
Eine Betriebsstilllegung oder auch Betriebsschließung ist die endgültige Aufgabe des ursprünglich vorgesehenen Betriebszwecks bei gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation. Handelt es sich lediglich um eine vorübergehende Schließung, kann man nicht von einer Stilllegung sprechen.
Mit dem Wort Betrieb ist eine räumlich-wirtschaftliche Organisationseinheit gemeint. Wichtig an dieser Stelle ist die Abgrenzung zwischen Betrieb und Unternehmen. Das Unternehmen ist der Träger der einzelnen Betriebe und kann selbstverständlich als gesundes Unternehmen auch nach einer Betriebsschließung fortbestehen.
Eine Betriebsstilllegung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eindeutig erklärt:
Bei der Stilllegung von Teilbereichen oder Abteilungen gilt dies entsprechend für die betroffene Einheit. Ein endgültiger Stilllegungsbeschluss fehlt, wenn der Arbeitgeber noch Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung führt oder weiterhin nach neuen Aufträgen sucht. Das ist insofern relevant, als dass eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt ist, wenn die Maßnahme tatsächlich eine Betriebsstilllegung und keine Betriebsveräußerung ist.
Bei einer Betriebsschließung handelt es sich um eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG. Plant also der Arbeitgeber in einem Unternehmen mit mindestens 21 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen die Schließung eines Betriebs, ist dies als Betriebsänderung im Sinne des Gesetzes zu bewerten, sodass der Arbeitgeber den Betriebsrat hierüber rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplante Betriebsschließung mit ihm zu beraten hat.
Der Arbeitgeber muss seiner Verhandlungspflicht mit dem Betriebsrat nachkommen. Hier würde in erster Linie versucht einen Interessenausgleich aufzustellen (vgl. § 112 BetrVG). Scheitern die Verhandlungen über einen Interessenausgleich, kann dieser vom Betriebsrat nicht erzwungen werden. Die nachfolgende Verhandlung über einen Sozialplan kann hingegen durch den Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt werden.
Der Betriebsrat hat das Recht, eigene Vorschläge zur Vermeidung einer Betriebsstilllegung einzubringen und aktiv an Alternativen mitzuwirken. Dazu gehören beispielsweise Vorschläge für Umschulungen, interne Versetzungen oder die Einführung neuer Arbeitsprozesse, um den Betrieb fortzuführen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diese Vorschläge ernsthaft zu prüfen und in die Verhandlungen einzubeziehen (vgl. § 111 BetrVG).
Um eine fundierte Beratung und Mitwirkung des Betriebsrats zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat umfassend zu informieren (§ 80 Abs. 2 BetrVG). Diese Informationen müssen insbesondere die wirtschaftlichen Hintergründe der Stilllegungsentscheidung, die konkreten Pläne zur Schließung sowie die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Belegschaft umfassen. Die Informationspflicht erstreckt sich auch auf mögliche Alternativen zur Stilllegung, wie Veräußerungen oder Restrukturierungsmaßnahmen (Vgl. § 111 BetrVG).
Die Unterrichtung des Betriebsrats muss rechtzeitig erfolgen, damit dieser ausreichend Zeit hat, die Informationen zu prüfen und eigene Vorschläge zu entwickeln (§ 111 BetrVG). Als rechtzeitig gilt eine Unterrichtung, die vor der endgültigen Entscheidungsfindung des Arbeitgebers erfolgt und es ermöglicht, Einfluss auf die Planungen zu nehmen. Beispielsweise wäre eine Information zu spät, wenn bereits Kündigungen ausgesprochen oder Verträge über den Verkauf von Betriebsmitteln geschlossen wurden. Rechtliche Maßstäbe legen dabei besonderen Wert auf Transparenz und frühzeitige Einbindung des Betriebsrats in die Entscheidungsfindung.
Wenn ein Betrieb aufgrund einer Stilllegung geschlossen wird, bleibt der Betriebsrat so lange im Amt, wie es für die Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte erforderlich ist (§ 21a BetrVG). Im Fall einer Teilstilllegung endet die Amtszeit des Betriebsrats nicht, solange der verbleibende Betrieb weiterhin betriebsratsfähig bleibt (§ 1 Abs. 1 BetrVG). Voraussetzung für die Fortführung des Restmandats ist, dass zumindest ein Betriebsratsmitglied im Betrieb bleibt (BAG, Urteil vom 29.03.1977 – 1 AZR 46/75).
Eine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern, weiteren Funktionsträger*innen der Betriebsverfassung oder Wahlvorständen ist bei einer Betriebsstilllegung grundsätzlich nur in Ausnahmefällen zulässig, und zwar frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung des Betriebs. Eine Kündigung vor diesem Zeitpunkt ist nur möglich, wenn zwingende betriebliche Gründe dies erforderlich machen. Wird eine Betriebsabteilung stillgelegt, sind die betroffenen Funktionsträger*innen in eine andere Abteilung des Unternehmens zu versetzen. Falls dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, können sie gemäß den Bestimmungen zur Kündigung bei Betriebsstilllegung ordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs. 4 u. 5 KSchG). In diesen Fällen ist eine Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG nicht erforderlich. Vor jeder Kündigung muss der Betriebsrat jedoch ordnungsgemäß angehört werden (gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG).
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