Digitaler Stress: Wenn Technik überfordert – und wie die SBV unterstützen kann

E-Mails ploppen auf, Chatfenster blinken, das nächste Online-Meeting beginnt – und nach dem Urlaub prasselt eine Flut unerledigter Nachrichten herein. Was eigentlich Erholung sein sollte, verwandelt sich in Rekordzeit in Druck und Hektik. Für viele Beschäftigte ist das Alltag. Und für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen kann dieser digitale Stress noch belastender sein. Genau hier kommt die Schwerbehindertenvertretung (SBV) ins Spiel: Sie kann Barrieren abbauen, Erwartungen klären und digitale Arbeit gesünder gestalten.

Digitale Werkzeuge sollen unsere Arbeit eigentlich erleichtern. Doch eine repräsentative Befragung von HIRSCHTEC und YouGov aus dem März 2025 zeigt ein anderes Bild: 42 Prozent der befragten Beschäftigten fühlen sich in ihrer digitalen Arbeitsumgebung oft oder zumindest teilweise überfordert. Man spricht hier von Technostress – damit ist Stress gemeint, der durch digitale Technik ausgelöst oder verstärkt wird.

Die größten Stressfaktoren laut Studie:

  • Technische Probleme und Ausfälle (47 %)
  • Ständige Updates und Änderungen (35 %)
  • Zu wenig Schulung und Unterstützung (33 %)

Gleichzeitig sagen 37 %, sie würden sich mehr Schulungen wünschen, 35 % wünschen sich einfachere Bedienung und 29 % eine Reduzierung der genutzten Tools. (Die vollständigen Ergebnisse sind online abrufbar: Studie „Digitale Überlastung am Digital Workplace“ (März 2025))

Wer besonders betroffen ist

Digitaler Stress trifft nicht alle gleich. Menschen mit Sehbeeinträchtigungen geraten schnell an Grenzen, wenn Software nicht mit Screenreadern zusammenarbeitet oder Schriftgrößen nicht skalierbar sind. Hörbeeinträchtigungen machen Videokonferenzen ohne Untertitel oder Transkripte zur Herausforderung. Neurodivergente Kolleg*innen, etwa mit ADHS oder im Autismus-Spektrum, leiden besonders unter Reizüberflutung und ständigen Unterbrechungen. Wenn E-Mails, Chats und Termine gleichzeitig Aufmerksamkeit verlangen, wird Konzentration nahezu unmöglich. Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen, Fatigue, Migräne oder psychischen Belastungen geraten bei Informationsflut und Zeitdruck schneller an ihre Grenzen.

Gerade nach längerer Abwesenheit, etwa durch Urlaub oder Krankheit, ist die Situation besonders heikel: Statt mit Ruhe und Struktur zu starten, prasselt eine digitale Aufgabenlawine auf die Beschäftigten ein. Die Folge: Die Erholung ist schnell dahin, und die Gefahr von Überforderung oder gesundheitlichen Beschwerden steigt.

Die Rolle der SBV: Gestalten statt nur reagieren

Die SBV kann digitale Arbeit nicht langsamer machen – aber sie kann dafür sorgen, dass sie barrierefreier, gesünder und besser strukturiert wird. Ihre Aufgabe ist es, die besonderen Belastungen für Menschen mit Behinderungen sichtbar zu machen und Lösungen einzufordern, bevor sich Probleme verfestigen.

Zwei Bereiche sind dabei besonders wichtig:

  • Barrierefreiheit sicherstellen: Neue Programme sollten frühzeitig auf Barrierefreiheit geprüft werden – am besten zusammen mit den Betroffenen. So lassen sich Probleme beheben, bevor alle damit arbeiten müssen. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern auch um Schulungsformate, Unterlagen und Handbücher.
  • Schulungen anbieten: Technik entlastet nur, wenn alle wissen, wie sie funktioniert. Deshalb sollten Einführungen auch zeigen, wie man digitale Arbeit gesund gestaltet – zum Beispiel durch feste Arbeitsblöcke, durchdachte Meetingzeiten oder die richtige Nutzung von Pausen.

Was sich die Beschäftigten wünschen

Die Ergebnisse der Befragung sprechen eine klare Sprache: Weniger Programme, einfachere Bedienung und mehr Unterstützung sind die häufigsten Wünsche. Wer nicht ständig nach Lösungen suchen muss, sondern mit klaren Abläufen arbeiten kann, spart Kraft und Nerven.

Gerade für die SBV ergibt sich hier eine Chance: Sie kann bei der Einführung neuer Tools auf Barrierefreiheit pochen, die Perspektive besonders belasteter Beschäftigtengruppen einbringen und gemeinsam mit Arbeitgeber und Betriebsrat für gute Rahmenbedingungen sorgen. So entstehen Strukturen, die Überforderung vorbeugen – und das nicht nur für Beschäftigte mit Behinderungen.

Weniger Stress – mehr Teilhabe

Digitaler Stress ist kein Randthema. Er betrifft Gesundheit, Chancengleichheit und die Möglichkeit, gleichberechtigt arbeiten zu können. Wenn Technik überfordert, wenn Nachrichtenfluten kaum zu bewältigen sind und wenn Barrieren in Software oder Abläufen den Arbeitsalltag erschweren, brauchen Beschäftigte Unterstützung.

Hier kann die SBV Brücken bauen: zwischen Beschäftigten, Arbeitgeber, IT und Betriebsrat. Sie kann mithelfen, digitale Arbeit so zu gestalten, dass sie nicht zur Dauerbelastung wird, sondern zu einer Chance für mehr Teilhabe und bessere Zusammenarbeit.

Und für alle, die sich im Arbeitsalltag oft fragen „Was zuerst?“, gibt es dieser Ausgabe eine Übersicht einfacher Methoden zum Priorisieren – damit Wichtiges nicht untergeht und Dringendes nicht alles überrollt.