Als Betriebsrat haben Sie einen Anspruch auf Schulung und Freistellung zur Fortbildung. Nehmen Sie diesen Anspruch wahr, damit Sie sich fachgerecht weiterbilden und so die Mitarbeiter in Ihrem Betrieb kompetent und rechtssicher vertreten können. Geregelt sind die Ansprüche auf Schulung und Fortbildungsfreistellung in § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz).
Von Ihnen als Betriebsrat wird erwartet, dass Sie sich verantwortungsvoll für die Belegschaft einsetzen. Doch nur, wenn Sie ausreichend informiert sind und über entsprechendes Hintergrundwissen verfügen, können Sie diese Aufgaben richtig wahrnehmen. Deshalb haben Sie ein Recht auf das notwendige Handwerkszeug – aber auch die Pflicht, sich ausreichendes Wissen anzueignen. Zunächst einmal sind grundlegende Kenntnisse im Betriebsverfassungs- und im Arbeitsrecht unumgänglich. Beide sind Voraussetzung für die Erfüllung Ihrer zahlreichen Aufgaben – und deren Aneignung sogar verpflichtend für Ihr Gremium (BAG 28.09.2016 – 7 AZR 699/14). Dass das vor allem durch den Besuch spezieller Seminare möglich ist, entschied das BAG mit Urteil vom 14.01.2015 (7 ABR 95/12).
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt in § 37 Absatz 6 vor, dass der Arbeitgeber Mitglieder des Betriebsrats für Schulungen von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts freizustellen hat und verpflichtet den Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die Kosten (Seminargebühr, Fahrt, Unterkunft und Verpflegung) zu übernehmen, soweit diese Schulungen Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Teilzeitkräfte haben nach § 37 Abs. 6 Satz 2 BetrVG einen Anspruch auf Freizeitausgleich pro Schulungstag bis zur Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.
▼ § 37 Abs. 7 BetrVG (geeignete Seminare)
▼ Wenn der Arbeitgeber dem Seminarbesuch widerspricht
▼ Zumutbarkeit der täglichen An- und Abreise
▼ Arbeits- und Gesundheitsschutz
▼ Rhetorik, Kommunikation, Mobbing
▼ Schulungsanspruch kurz vor den Betriebsratswahlen
Schwerbehindertenvertretung (SBV)
Jugend- und Auszubildendenvertretung
Wirtschaftsausschuss und Aufsichtsrat
Die Vermittlung allgemeiner Grundkenntnisse im Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht gehören auf jeden Fall zu den erforderlichen Schulungsinhalten (BAG 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 und BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07). Sie sind in aller Regel für jedes Mitglied des Betriebsrats erforderlich, es sei denn, das Betriebsratsmitglied verfügt bereits über diese Kenntnisse. Diese werden vor allen Dingen in unseren Einführungsseminaren vermittelt.
Unser Tipp: Besuchen Sie unsere Einführungsseminare Einführung BetrVG I – III oder BetrVG – Kompakt I – II und Einführung in das Arbeitsrecht I – III oder Arbeitsrecht – Kompakt I – II .
Auch für das Thema Arbeitsschutz müssen alle Betriebsräte mit Grundkenntnissen ausgerüstet werden (BAG 24.05.1995 – 7 AZR 54/94 und LAG Nürnberg 01.09.2009 – 6 TaBV 18/09). Darüber hinaus sind auch Kenntnisse zum Datenschutz im Betrieb für die Arbeit des Betriebsrats notwendig (LAG Düsseldorf 07.03.1990 – 4 Sa 1455/89 und LAG Niedersachsen 28.09.1979 – 3 TaBV 3/79). Hierzu bieten wir Ihnen verschiedenste Seminare an.
Wenn es Streit über die Erforderlichkeit eines Seminars gibt, entscheiden verbindlich nur die Arbeitsgerichte über den Schulungsanspruch. Auch wenn die Erfahrungswerte und die umfassende Auswertung der bereits ergangenen Urteile und Beschlüsse uns eine sehr sichere Grundlage für die Beurteilung der Erforderlichkeit unserer Seminare gibt, kann es im Einzelfall zu abweichenden gerichtlichen Entscheidungen kommen. Gründe hierfür können individuelle Umstände des Einzelfalls sein, die nur schwer vorherzusagen sind. Grundsätzlich gilt aber: Wenn ein Seminar von uns als “in der Regel erforderlich“ ausgewiesen ist, sind die Inhalte sorgfältig auf die Anforderungen des § 37 Abs. 6 BetrVG abgestimmt. Damit Sie bei der Seminarbuchung keine Überraschungen erleben.
Auch Spezialseminare sind in der Regel erforderlich, wenn Sie demnächst aus aktuellen betrieblichen Gründen über spezielle – aber Ihnen derzeit noch fehlende – Kenntnisse verfügen müssen (BAG 14.01.2015 – 7 AZR 95/12 und BAG 12.01.2011 – 7 ABR 94/09, Rhetorik). Wenn Sie oder Ihre Betriebsratskollegen darüber hinaus spezielle Aufgaben oder Ämter (z. B. in einem Ausschuss) übernehmen, sind in der Regel auch dafür weiterführende oder Spezialseminare erforderlich. Ob ein Spezialseminar für einzelne Betriebsratsmitglieder erforderlich ist, ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen! Zu berücksichtigen ist, ob das Thema aktuell oder zumindest in absehbarer Zeit relevant ist, ob das zu schulende Betriebsratsmitglied bzgl. der Aufgabenteilung im Gremium für dieses Spezialthema zuständig ist und ob die Schulung hinsichtlich seines Wissensstandes erforderlich erscheint, also dazu dient, die Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen zu können (LAG Rheinland-Pfalz 08.02.2018 – 5 TaBV 34/17 und 14.02.2019 – 16 TaBVGa 24/19). Eine Schulung ist auch insoweit nicht erforderlich, wenn die vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden sind (LAG Hessen 16.11.2020 – 16 TaBV 107/20).
Wichtig für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist ein ordnungsgemäßer Beschluss für den konkreten Seminarbesuch durch den Betriebsrat (LAG Hessen 16.11.2020 – 16 TaBV 107/20). Dieser muss zwingend vor Beginn des Seminars erfolgt und auf ein konkretes Betriebsratsmitglied sowie auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogen sein (BAG 27.05.2015 – 7 ABR 26/13).
Ist ein Seminar im Einzelfall nicht erforderlich, kommt ein Seminarbesuch nach § 37 Absatz 7 BetrVG in Betracht, wenn für die Betriebsratsarbeit geeignete Kenntnisse in diesem Seminar vermittelt werden. Alle Seminare des Poko-Jahresprogramms 2021 wurden vom zuständigen Ministerium als geeignet im Sinne des § 37 Absatz 7 BetrVG anerkannt.
Gemäß § 37 Absatz 7 BetrVG muss Sie der Arbeitgeber in diesem Fall für die Dauer der Veranstaltung ebenfalls von der Arbeit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge freistellen.
Achtung: Die Kosten für den Seminarbesuch muss Ihr Arbeitgeber aber nicht übernehmen. Geeignete Seminare kann sich ein Betriebsratsmitglied eigenverantwortlich aussuchen, das Gremium kann bei der Auswahl keine Vorschriften machen. Das Gremium beschließt nur über die zeitliche Lage.
Ersatzmitglieder müssen jederzeit einsatzbereit sein!
Wenn ein Betriebsratsmitglied verhindert ist, rückt automatisch ein Ersatzmitglied nach und muss ggf. kurzfristig zu Sitzungen geladen werden.
Achtung: Es muss das »richtige« Ersatzmitglied zu Sitzungen eingeladen werden (§ 25 Abs. 2 BetrVG). Ansonsten sind alle in der Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam!
Ein Ersatzmitglied rückt bereits mit Beginn der Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds nach, nicht erst mit der aktiven Aufnahme der Betriebsratstätigkeit.
Auch Ersatzmitglieder erhalten Einblick in betriebliche Informationen, durch die sie einer Geheimhaltungspflicht unterliegen. Bei einer Missachtung kann eine Freiheits- oder Geldstrafe drohen (§ 120 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)!
Vor allem, wenn Ersatzmitglieder häufiger zu Sitzungen geladen werden, ist ausreichendes Know-how wichtig! Denn nur, wenn sie qualifiziert sind und tatkräftig mitarbeiten können, bleibt das Gremium weiterhin »arbeitsfähig«.
Ganz schön viel verlangt?
Genau deswegen sieht das BAG für Ersatzmitglieder, die verhinderte Mitglieder über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig vertreten und deshalb häufig an Betriebsratssitzungen teilnehmen, ebenfalls einen Schulungsanspruch im Betriebsverfassungsrecht und im Arbeitsrecht nach § 37 Abs. 6 BetrVG vor (BAG 19.09.2001 – 7 ABR 32/00 und LAG Berlin-Brandenburg 28.02.2017 - 11 TaBV 1626/16). Dies ist im Einzelfall zu prüfen (LAG Hessen 17.01.2022 – 16 TaBV 99/21). Eine häufige Heranziehung kann auch schon bei 25 % (oder 1/4) aller Betriebsratssitzungen angenommen werden (ArbG Mannheim vom 19.01.2000 – 8 BV 18/99). Ergibt eine Prognose, dass in einem dreiköpfigen Betriebsrat ein Mitglied wegen Krankheit voraussichtlich mehrere Monate ausfallen wird, ist die Schulung eines Ersatzmitglieds erforderlich (LAG Hessen 17.01.2022 – 16 TaBV 99/21).
Wer dauerhalft in den Betriebsrat nachrückt, hat dann als reguläres Mitglied selbstverständlich generell einen Anspruch auf erforderliche Schulungen.
Unser Tipp: Besuchen Sie unsere speziellen Seminare für Ersatzmitglieder.
Für die in der Grafik gezeigte Häufigkeit hat ein LAG den Schulungsanspruch eines Ersatzmitglieds in jüngster Zeit bestätigt (LAG Schleswig-Holstein 26.04.2016 – 1 TaBV 63/15):
Hält der Arbeitgeber bei der Auswahl des Seminartermins betriebliche Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt, kann er die Einigungsstelle anrufen. Bestreitet der Arbeitgeber die Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit der Seminarteilnahme, können Sie sich als Betriebsrat an das Arbeitsgericht wenden.
Unser Tipp: Falls Ihr Arbeitgeber die Seminarteilnahme nicht für erforderlich hält: Fassen Sie vorsorglich den Beschluss, an der Schulung nach § 37 Absatz 7 BetrVG teilzunehmen, falls ein Gericht die Erforderlichkeit nicht bestätigt (gilt nicht für Ersatzmitglieder, sofern sie nicht nachgerückt sind). Dann hat der Arbeitgeber in jedem Fall das Arbeitsentgelt für die Freistellung zu zahlen, nicht aber die Kosten für das Seminar.
Zunächst einmal: Rufen Sie uns bei Fragen gerne an: 0251 1350-1350. Wir suchen nach einem Weg.
Je nach Ausgangssituation können wir:
Zu den angebotenen Schulungen bietet Poko immer auch an, dass Sie als Teilnehmer im Veranstaltungshotel eine Zimmerübernachtung für die Dauer der Veranstaltung ab Vorabend buchen können. Dies ist immer dann erforderlich, wenn Ihnen die täglichen An- und Abreise nicht zuzumuten ist. Aber wann ist die tägliche An- und Abreise unzumutbar?
Genaue Zeit- und Kilometerangaben können wir hierzu zwar nicht machen, jedoch gibt es Orientierungsgrundsätze, an die Sie sich halten können.
Das ArbG Bremen/Bremerhaven hat bereits in 2007 in seinem Beschluss dargelegt, dass eine An- und Abreise mit dem PKW oder öffentlichem Verkehrsmittel bei einer Fahrstrecke von 40 km pro Strecke nicht mehr zumutbar ist.
Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder auch des eigenen PKW würde zu einer Überschreitung der täglichen Arbeitszeit führen. Der Arbeitgeber muss auch die Kosten für die PKW-Benutzung tragen. Die mögliche geringe Kostenersparnis steht dann aber in keiner Relation zu den mit der täglichen An- und Abreise verbunden Gefahren und Haftungsproblemen. Deshalb können die Teilnehmer auch nicht verpflichtet werden, Fahrgemeinschaften zu bilden. Dazu kommt auch, dass ein wesentlicher Bestandteil des pädagogisch-didaktischen Gesamtkonzepts in dem abendlichen Gedanken- und Erfahrungsaustausch unter Teilnehmern und Referenten besteht.
- ArbG Bremen-Bremerhaven v. 31.05.2007 – 10 BV 59/07 -
Auch das ArbG Düsseldorf hat bereits in 2004 ähnlich entschieden.
Das BAG hat bei Vorliegen einer betrieblichen Reisekostenrichtlinie entschieden, dass zusätzliche Übernachtungskosten, die nicht von der betrieblichen Reisekostenrichtlinie erfasst sind, nicht übernommen werden müssen.
Das BAG hat zwar auch erkannt, dass der Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit unter den Seminarteilnehmern auch nach Beendigung des eigentlichen Seminarprogrammes fortgesetzt wird. Eine solche Teilnahme ist aber auch möglich, wenn der Teilnehmer in einer günstigeren Unterkunft untergebracht wird oder täglich an- und abreist.
Die Notwendigkeit der Übernachtung in dem Tagungshotel kann nicht allein mit den Besonderheiten von Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG begründet werden.
Es ist ohne Darlegung von besonderen Umständen nicht als erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG anzusehen, dass das Betriebsratsmitglied auch in dem Hotel übernachtet, in dem die Schulung stattfindet.
Der Gedanken‑ und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit unter den Seminarteilnehmern nach Beendigung des eigentlichen Seminarprogramms macht eine Übernachtung des Betriebsratsmitglieds in dem Tagungshotel selbst dann nicht erforderlich, wenn auch der sich an die Beendigung des Seminarprogramms anschließende Austausch in den Räumen des Tagungshotels stattfindet. An der Teilnahme an diesen Zusammentreffen ist das Betriebsratsmitglied nicht gehindert, wenn es an einem anderen, entweder fußläufig oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Hotel am Tagungsort übernachtet. Hierzu muss der Betriebsrat weitere Aspekte zur Begründung darlegen.
Betriebsräte müssen über Grundkenntnisse im Bereich Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit und Unfallverhütung (Grundzüge der Arbeitssicherheit) verfügen, wie sie auch in unserem Seminar Arbeits- und Gesundheitsschutz I vermittelt werden. Sind diese Kenntnisse im Betriebsrat nicht vorhanden, ist eine entsprechende Schulung grundsätzlich »erforderlich« im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG (BAG 28.09.2016 - 7 AZR 699/14).
Außerdem stellt sich die Frage: Wann sind weiterführende Schulungen zu Spezialthemen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz »erforderlich«? Die Erforderlichkeit ergibt sich regelmäßig aus aktuellem Anlass, wenn spezielle Kenntnisse sofort oder demnächst benötigt werden, damit der BR seine Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann. Sie kann sich u. a. auch aus der besonderen Funktion des zu Schulenden (z. B. Mitglied im Arbeitsschutzausschuss) ergeben oder wenn der Betriebsrat zur Prävention initiativ werden muss.
Wegen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats u. a. bei der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (BAG 18.03.2014 - 1 ABR 73/12) und beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) (BAG 13.03.2012 - 1 ABR 78/10; BAG 28.09.2016 - 7 AZR 699/14) erkennt die Rechtsprechung dabei in zunehmendem Maße die Erforderlichkeit von Kenntnissen zu vertiefenden und Spezialthemen im Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Betriebsratstätigkeit an.
Zahlreiche, für die betriebliche Praxis besonders wichtige Gerichtsentscheidungen und Entwicklungen befassen sich mit dem Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz. Nur wer mit den neuesten Urteilen und Beschlüssen vertraut ist, kann zukünftige Tendenzen leichter erkennen und abschätzen, wie sich die Entscheidungen auf den eigenen Betrieb und die Arbeit des eigenen Gremiums im Einzelfall auswirken. Die Kenntnis der neuesten Rechtsprechung ermöglicht dem Betriebsrat, die eigene Situation rechtlich zu beurteilen, seine Strategien hieran auszurichten und unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Hierfür muss sich der Betriebsrat nicht auf ein Selbststudium anhand der ihm zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften verweisen lassen (BAG 18.01.2012 - 7 ABR 73/10; BAG 20.12.1995 - 7 ABR14/95).
Dies gilt insbesondere auch bei einem Wandel der Rechtsprechung zu einem für die konkrete Betriebsratsarbeit wichtigen Gesetz oder Tarifvertrag (BAG 22.01.1965 - 1 AZR 289/64).
Für die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulung zum Thema »Burn-out« nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat darauf verweisen kann, dass ihn Beschäftigte mehrfach auf eine bestehende Überforderungssituation angesprochen haben. Die Existenz einer vom Arbeitgeber eingerichteten telefonischen Beratungsstelle führt nicht dazu, dass eine Schulung des Betriebsrats zu Themen des Gesundheitsschutzes nicht erforderlich ist. Verhandlungen des Arbeitgebers mit dem Gesamtbetriebsrat zu Themen des Gesundheitsschutzes stehen der Erforderlichkeit der Schulung von Mitgliedern des örtlichen Betriebsrats zum Thema »Burn-out« nicht entgegen, (ArbG Essen 30.06.2011 - 3 BV 29/11).
Tipp: Empfehlenswert zur Prüfung der Erforderlichkeit von Schulungen ist der enge Abgleich Ihrer konkreten betrieblichen Situation mit den im Themenplan genannten Veranstaltungsinhalten.
Die in der Rubrik Aktuelle Rechtsprechung genannten Veranstaltungen bieten die Möglichkeit, sich über wichtige Tendenzen, aktuelle Rechtsprechung und deren rechtliche Einordnung auf dem Laufenden zu halten. Daher ist der Besuch dieser Seminare gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG i.d.R. erforderlich, sofern dieses Wissen noch nicht anderweitig erworben wurde.
Gesetzesänderungen und viele Entscheidungen der Arbeitsgerichte haben eine zentrale Bedeutung für die aktuellen, teilweise sehr dynamischen Entwicklungen im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht.
Nur wer mit den neuesten Urteilen und Beschlüssen vertraut ist, kann zukünftige Tendenzen leichter erkennen und abschätzen, wie sich die Entscheidungen auf den eigenen Betrieb und die Arbeit des eigenen Gremiums im Einzelfall auswirken. Die Kenntnis der neuesten Rechtsprechung ermöglicht dem Betriebsrat, die eigene Situation rechtlich zu beurteilen, seine Strategien hieran auszurichten und unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Über die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht – z. B. im Bereich des Kündigungs-, Befristungs- und Schwerbehindertenrechts oder zur betrieblichen Mitbestimmung – muss sich der Betriebsrat informieren, um seine Aufgaben verantwortlich wahrnehmen zu können.
Insbesondere zu Schulungen »Aktuelle Rechtsprechung« gab es in der Vergangenheit eine Reihe einschlägiger Entscheidungen:
Die Erläuterung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und deren Umsetzung in die betriebliche Praxis kann ein im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlicher Schulungsinhalt sein. Hierfür muss sich der Betriebsrat nicht auf ein Selbststudium anhand der ihm zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften verweisen lassen (BAG 20.12.1995 – 7 ABR14/95 und BAG 18.01.2012 – 7 ABR 73/10).
Seminare zum Thema »Rechtsprechung des BAG und des LAG zum BetrVG und deren Umsetzung in die betriebliche Praxis« sind jedenfalls solange als erforderlich anzusehen, als es angesichts der Fülle der Gerichtsentscheidungen zu diesem Gesetz selbst Fachleuten Mühe macht, den Überblick über die Rechtsprechung zu behalten (BAG 20.12.1995 AP Nr. 113 zu § 37 BetrVG 1972 bei besonderen betriebsrelevanten Problemen des Mitbestimmungsrechts bei personellen Einzelmaßnahmen). Dies gilt insbesondere auch bei einem Wandel der Rechtsprechung zu einem für die konkrete Betriebsratsarbeit wichtigen Gesetz oder Tarifvertrag (BAG 22.01.1965 AP Nr. 10 zu § 37 BetrVG).
Der Besuch einer Schulung »Rechtsprechung – aktuell« kann erforderlich sein, wenn ein konkreter betrieblicher Bezug vorliegt (LAG Hessen, 27.1.1994 – 12 TaBV 83/93).
Wenn ein Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben nur dann sachgerecht erfüllen kann, wenn die rhetorischen Fähigkeiten bestimmter Betriebsratsmitglieder durch eine Schulung verbessert werden, ist die Seminarteilnahme dieser Betriebsratsmitglieder in der Regel erforderlich i. S. v. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG (BAG 12.01.2011 - 7 ABR 94/09).
Aber Achtung: Für den konkreten Schulungsanspruch muss der Betriebsrat zwingend und ausführlich darlegen, dass gerade das für die Schulung vorgesehene Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Rhetorikkenntnisse benötigt, damit der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann. Grund hierfür ist, dass Kenntnisse der Rhetorik nicht zum Grundwissen des Betriebsverfassungsrechts zählen. Vielmehr handelt es sich hier um Schlüsselqualifikationen, für deren Erwerb ein aktueller und betriebsbezogener Anlass bestehen muss. Dies können die besondere Funktion des zu Schulenden (z. B. Betriebsratsvorsitzender), aber auch besondere in der Wahlperiode noch anstehende rhetorische Anforderungen sein.
Auch die Rechtsprechung erkennt in zunehmendem Maße die Erforderlichkeit solcher Seminare für die Betriebsratstätigkeit an (vgl. z. B. Arbeitsgericht Bremen 25.02.2000 – 1 BVGa 4/00; Sächsisches LAG 22.11.2002 – 9 TaBV 17/02; LAG Schleswig Holstein 04.12.1990 – 1 TaBV 21/90; LAG Hamm 13.01.2006 – 10 TaBV 65/05; BAG 15.02.1995 – 7 ABR 670/94: schriftliche Kommunikation und BAG 24.05.1995 – 7 ABR 54/94; LAG Schleswig-Holstein 22.07.2009 – 3 TaBV 13/09: Diskussionsführung und Verhandlungstechnik; BAG 12.01.2011 – 7 ABR 94/09; ArbG Hamburg 01.09.2021 – 16 BV 17/20: Teilnahme an einer Resilienzschulung kann erforderlich sein).
Ob ein Seminar für einzelne Betriebsratsmitglieder erforderlich ist, ist demnach in jedem Einzelfall sehr genau zu prüfen!
Ob ein Seminar für einzelne Betriebsratsmitglieder erforderlich ist, ist demnach in jedem Einzelfall sehr genau zu prüfen!
Ihre Argumente gegenüber Ihrem Arbeitgeber könnten sein:
In Ihrem Betrieb stehen wichtige, zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat gemeinsam zu verhandelnde Entscheidungen an. Als Betriebsrat müssen Sie nicht nur wissen, welche Rechte und Pflichten Sie haben, sondern auch, wie Sie sie formulieren und gestalten können. Für eine erfolgreiche Betriebsratsarbeit sind daher auch kommunikative und strategische Fertigkeiten unumgänglich, um die anstehenden Aufgaben gemeinsam sach- und fachgerecht zu erfüllen.
Kommunikative Kompetenz benötigen Sie als Betriebsrat allerdings auch, wenn Sie die für den Betriebsratsalltag typischen Gesprächssituationen bewältigen wollen, z. B. in Sitzungen überzeugend auftreten, Konfliktgespräche führen und mit dem Arbeitgeber verhandeln.
Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung zum Thema »Mobbing« ist nach § 37 Abs. 6 BetrVG in der Regel erforderlich, wenn vom Betriebsrat eine diesbezügliche Konfliktlage dargelegt wird, aus der sich für ihn ein Handlungsbedarf zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgabenstellung ergibt und zu deren Erledigung er das in der Schulung vermittelte Wissen benötigt (BAG 14.01.2015 - 7 ABR 95/12).
Auch direkt vor anstehenden Betriebsratswahlen besteht für Betriebsratsmitglieder ein Schulungsanspruch. Insbesondere für Grundlagenseminare gibt es keine festgelegten zeitlichen Grenzen.
Maßgeblich ist hier das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7.5.2008, Az. 7 AZR 90/07. Im Gegensatz zu älterer Rechtsprechung ist eine besondere Darlegung der Erforderlichkeit der Schulung durch den Betriebsrat nicht mehr notwendig. Nach älterer Rechtsprechung musste man davon ausgehen, dass ein Schulungsanspruch für Betriebsräte i.d.R. nur bestand, wenn es einen konkreten betrieblichen Anlass für den Schulungsbedarf gab.
Nach aktueller Rechtsprechung hat der Betriebsrat nur zu prüfen, ob das in der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit relevant ist. Entscheidend ist also nicht, dass konkrete Situationen absehbar sind, die besondere Kenntnisse aus Schulungen voraussetzen, sondern dass der Betriebsrat bei der Beschlussfassung dies nicht ausschließen kann und die Kenntnisse möglicherweise benötigt. Dies betrifft insbesondere Schulungen, bei denen Wissen zu Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt wird.
Das BAG dazu im Wortlaut: „Für die Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung ist es nicht maßgeblich, ob in der Zeit von der Schulungsveranstaltung bis zur Neuwahl des Betriebsrats vom Arbeitgeber Beteiligungssachverhalte in Angelegenheiten anfallen, für die das Betriebsratsmitglied die auf der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse benötigen würde. Entscheidend ist vielmehr, ob der Betriebsrat bei seiner Beschlussfassung ein Anfallen einer solchen Angelegenheit nicht ausschließen konnte.“
Diese Seminare richten sich an Mitglieder des Wahlvorstands sowie an Mitglieder des Betriebsrats, soweit sie ebenfalls an der Vorbereitung oder Durchführung der Wahlen beteiligt sind. Die Kosten der Veranstaltung müssen nach § 20 Abs. 3 BetrVG vom Arbeitgeber getragen werden, wenn bei den Mitgliedern des Wahlvorstands keine ausreichenden Kenntnisse über die Durchführung der Wahl vorliegen, etwa weil sie erstmals in den Wahlvorstand berufen wurden oder weil die vorhandenen Kenntnisse inzwischen verblasst sind. Der Besuch dieses Seminars ist vom Wahlvorstand und/oder dem Betriebsrat zu beschließen.