Gesund und lange im Beruf: Altersgerechte Arbeitsbedingungen schaffen

Von: M. Erhardt, M.A. Psychologe, Trainer und Berater

 

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Der demographische Wandel ist eigentlich keine Bedrohung, sondern eine Chance. Unsere Belegschaften werden älter, und mit dem Alter kommt Erfahrung, Weisheit und ein unermesslicher Schatz an Fachwissen. Wenn wir es schaffen, die Arbeitsumgebung so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen aller Altersgruppen gerecht wird, könnte dieser Schatz den Unternehmen, der ganzen produktiven Gesellschaft, erheblich länger zur Verfügung stehen. Altersgerechte Arbeitsbedingungen bedeuten, dass wir unsere älteren Mitarbeiter wertschätzen und ihnen die Möglichkeit geben, länger und gesünder im Arbeitsleben zu bleiben. Flexible Arbeitszeiten, vielleicht völlig neue Arbeitszeitmodelle, ergonomische Arbeitsplätze mit Ruhe- und Rückzugsbereichen aber auch kontinuierliche Weiterbildung sind nur einige der Maßnahmen, die hierzu beitragen können.

Die Realität sieht leider oft anders aus. Fast alle Teilnehmer, mit denen ich mich in meinen Seminaren unterhalte, wünschen sich ein Arbeitsende „so schnell wie möglich“. Hat man vor wenigen Jahrzehnten noch sehr deutlich die Begeisterung und Freude für die eigene Tätigkeit, das eigene Unternehmen gespürt, scheint es mittlerweile nur noch darum zu gehen, die vielen Jahre engagierter Arbeitsleistung einfach hinter sich zu lassen. Zum einen liegt dies sicherlich an Arbeitsumgebungen, die zu wenig Rücksicht auf älter werdende Arbeitnehmer nehmen, zum anderen aber sicherlich auch an den Umgangsformen im Unternehmen und dem (fehlenden) Respekt, den man älteren Arbeitnehmern entgegenbringt. So blicken langjährige Angestellte nicht mehr mit Stolz und Zufriedenheit auf ihr Arbeitsleben zurück, sondern wenden sich genervt ab von den Kolleginnen und Kollegen mit denen sie viele Jahre verbunden waren und von den Unternehmen, die durchaus auch Heimat und nicht nur Arbeitsplatz waren.

Besonders durch Dauerstress und psychische Belastungen verlieren Mitarbeitende schon lange vor dem Rentenbeginn ihre Motivation, wie die Gallup-Umfragen das ja in sehr deutlicher Form Jahr für Jahr belegen. Die Folge sind zahlreiche Erkrankungen, die auch wenn sie körperlicher Art sind, sehr oft eine Beteiligung psychischer Aspekte haben. So führen gerade fehlende Wertschätzung, praktisch unerreichbare Zielvorgaben und schlechte Kommunikationsformen zu Frustration, Erschöpfung und einem Nachlassen der körpereigenen Abwehrkräfte. Dabei ist ein gesunder Geist die Grundlage für Kreativität, Produktivität und Innovationsfähigkeit.

Eine Investition in die Gesundheit und das Wohlbefinden (auch) älterer Mitarbeiter ist eine Investition in die Zukunft des Unternehmens. Sie bleiben länger Vorbilder für alle Mitarbeitende, sie verkörpern die Werte des Unternehmens und leben diese Kultur Ihren Kolleginnen und Kollegen vor. Wie wertvoll dieser Aspekt sein kann, wird jeder gut nachvollziehen können, der das Glück hatte, von einem erfahrenen Arbeitskollegen in den Anfangsjahren seiner Tätigkeit begleitet worden zu sein.

Schaffen wir ein Arbeitsumfeld, das durch Respekt, Unterstützung und Offenheit geprägt ist. Fördern wir eine Kultur, in der Stress und Überlastung nicht ignoriert, sondern aktiv angegangen werden. Schaffen wir ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle Mitarbeiter – unabhängig von ihrem Alter – wertgeschätzt und unterstützt fühlen. Lassen Sie uns zeigen, dass wir die Herausforderungen des demographischen Wandels und der psychischen Gesundheit nicht nur annehmen, sondern in Chancen verwandeln können.

Gemeinsam können wir diesen Wandel gestalten. Es liegt in der Verantwortung von Betriebsräten und Führungskräften, die notwendigen Schritte einzuleiten und eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Denn am Ende des Tages profitieren wir alle: die Mitarbeiter, die Unternehmen und die Gesellschaft.