Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser - so besagt es ein Sprichwort. Vielleicht hat deshalb der Gesetzgeber dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG als Teil seiner Arbeit auch Überwachungsaufgaben zugewiesen. Aber was ist eigentlich genau unter "Überwachung" in diesem Zusammenhang zu verstehen?
Was sagt das Gesetz?
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG soll der Betriebsrat darüber wachen, dass alle zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Schutzvorschriften durchgeführt werden. Er hat die Aufgabe, zu überprüfen und sicherzustellen, dass diese tatsächlich eingehalten und umgesetzt werden.
Zu den Schutzvorschriften in diesem Sinne gehören sämtliche Rechtsvorschriften, die sich zugunsten der Arbeitnehmer des Betriebs auswirken können. Das können Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge oder auch Betriebsvereinbarungen sein. Bei den Gesetzen und Verordnungen ist insbesondere an solche zum Arbeitsschutz zu denken, wie z. B. das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz oder auch Unfallverhütungsvorschriften.
Von der Überwachungsaufgabe erfasst werden außerdem auch alle durch Richterrecht entwickelten Grundsätze, die zugunsten der Arbeitnehmer anzuwenden sind, wie z. B. der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.
Was ist mit Arbeitsverträgen?
Arbeitsverträge sind anders als beispielswiese Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht explizit genannt. Ein Überwachungsrecht hat der Betriebsrat in diesem Bereich daher auch nur eingeschränkt. So kann er nicht die individuelle Vertragsgestaltung zwischen Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer und deren Einhaltung kontrollieren.
Der Betriebsrat kann jedoch vom Arbeitgeber die Vorlage der von diesem verwendeten Formulararbeitsverträge, also sozusagen der Musterversion der Arbeitsverträge, verlangen und die darin enthaltenen Bestimmungen auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüfen. Insbesondere kommt eine Überprüfung der Klauseln auf ihre Vereinbarkeit mit dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen in Betracht.
Wie weit geht das Kontrollrecht des Betriebsrats?
Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats ist beschränkt auf eine Rechtskontrolle. Der Betriebsrat darf dagegen keine Zweckmäßigkeitsprüfung anstellen. Er muss im Rahmen der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben außerdem stets das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber beachten.
Die dem Betriebsrat vom Gesetzgeber zugewiesene allgemeine Überwachungsaufgabe ist grundlegend für die Betriebsratsarbeit und vom Betriebsrat durchgängig wahrzunehmen, auch unabhängig davon, ob in einer Angelegenheit konkrete Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte bestehen.
Es ist für die Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe auch irrelevant, ob dem Betriebsrat eine konkrete Verletzung von Schutzvorschriften bekannt ist. Er darf auch vorbeugend tätig werden und z. B. ohne Darlegung eines konkreten Verstoßes Betriebsbegehungen durchführen oder die Arbeitsplätze der Mitarbeiter aufsuchen.
Neben routinemäßigen Kontrollen kann der Betriebsrat auch Überwachungsschwerpunkte festlegen, wenn er diese beispielsweise aufgrund konkreter Maßnahmen des Arbeitgebers für erforderlich hält.
Wie sollte sich der Betriebsrat bei einem festgestellten Verstoß verhalten?
Wenn der Betriebsrat einen Verstoß gegen eine zugunsten der Arbeitnehmer geltende Schutzvorschriften feststellt, hat er die Pflicht, den Arbeitgeber zunächst darauf hinzuweisen und ihn zur Abhilfe aufzufordern. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, sollte der Betriebsrat seinen Hinweis wiederholen und gleichzeitig deutlich machen, dass rechtliche Schritte drohen, wenn der Arbeitgeber weiter untätig bleibt.
Wird im Betrieb gegen Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere Unfallverhütungsvorschriften, verstoßen und weigert sich der Arbeitgeber hartnäckig, diesen Verstoß abzustellen, so ist der Betriebsrat berechtigt und ggf. sogar verpflichtet, die zuständigen Aufsichtsbehörden zu informieren (z. B. das Gewerbeaufsichtsamt oder den Träger der Unfallversicherung). Zunächst ist aber natürlich immer eine innerbetriebliche Lösung zu versuchen.
Achtung: Der Betriebsrat darf keinesfalls selbst in die Unternehmensführung eingreifen oder erkannte Verstöße eigenmächtig abstellen. Er hat gegenüber dem Arbeitgeber in der Regel auch kein eigenes, gerichtlich durchsetzbares Abhilferecht, es sei denn es geht um mit dem Arbeitgeber vereinbarte Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden, in denen sich der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat unmittelbar verpflichtet hat.
Der Betriebsrat muss bei festgestellten Verstößen auch die oder den betroffenen Arbeitnehmer informieren. Individuelle Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer können dann nur diese gerichtlich durchsetzen, z. B. die Unterlassung oder Durchführung der entsprechenden Regelung.
Carolin Kopel
Ass. jur.