Der nette Ausbeuter gewinnt. Das ergab eine Studie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie. Konnte der Partner den Egoisten durch mangelnde Kooperation disziplinieren? Nein, im Gegenteil. Im Sinne der Studie ist also der Betriebsrat dem Arbeitgeber ausgeliefert, wenn dieser die Verhaltensstrategie „netter Ausbeuter“ an den Tag legt. Oder doch nicht?
Um den netten Ausbeuter in den Griff zu bekommen, muss ich ihn als solchen zunächst erkennen. Der Ausbeuter ist nett: Er kooperiert in sechs von zehn Fällen. Das macht ihn so „liebenswert“. In vier Fällen ist er aber eben egoistisch, verfolgt sein Ziel knallhart – vor allem, wenn er einen Bonus erhält. Der „ausbeutende“ Arbeitgeber wäre demnach für den Betriebsrat unberechenbar. Die Unberechenbarkeit macht gefügig: Der Betriebsrat will ja so oft wie möglich das Beste rausholen. In diesem Fall hieße das „nachgeben“ – oder dem Egoisten Grenzen setzen.
Der Betriebsrat kann dem „ausbeutenden“ Arbeitgeber Grenzen setzen, wenn er sich seiner Macht bewusst ist: Wie Frans de Waal in „Der gute Affe“ schon vor Jahren aufgezeigt hat, haben wir im Laufe der Evolution Mechanismen gefunden, „unmoralische Gesellen“ in den Griff zu bekommen:
Einen Ranghöheren um Hilfe bitten, zwingt diesen, den Ausbeuter in seine Schranken zu verweisen. Der Betriebsrat könnte also den Vorstand fragen, ob das Ausbeuten die Kultur ist, die im Unternehmen (vor)gelebt werde und junge, neue Bewerber für das Unternehmen begeistern soll.
Koalitionen helfen, Egoisten im Schach zu halten. Der Betriebsrat könnte sich z. B. auch auf GBR- oder KBR-Ebene Verbündete suchen. Innerbetrieblich kann die Belegschaft dem Betriebsrat die Kraft verleihen, die Arbeitnehmerinteressen gegenüber dem Egoisten durchzusetzen.
Auch gesetzliche Verfahren wie die Einigungsstelle sind letztlich nur Mechanismen, um „Betrüger“ zu gewünschtem Verhalten zu erziehen.
Allen voran geht oft die Entrüstung. Dieser erste Mechanismus soll dem Egoisten aufzeigen, dass wechselseitige Verpflichtungen bestehen, deren Einhaltung er mit seinem ausbeuterischen Verhalten bedroht. Doch ist die Entrüstung („Das dürfen Sie nicht!“) - vor allem emotional noch verstärkt („Verdammt noch mal!“) - eine faire Strategie auf Augenhöhe?
Mit einer Entrüstung erhebe ich mich moralisch über den Gesprächspartner: Ich weiß, wie man sich richtig verhält. Will ich der wütenden Reaktion noch mehr Wirkung verleihen, koppele ich diese mit einer Sanktion („Wenn Sie das machen, dann sehen wir uns vor Gericht.“). Doch eine solche Drohung produziert meist Widerstand beim Gesprächspartner: Das moralische Erheben schätzt den Partner als Mensch gering. Die Drohung schränkt seine Entscheidungsfreiheit ein. Wie beuge ich also dem Widerstand vor?
Zunächst: Ruhe bewahren! Dann ist entscheidend, wie ich etwas sage: Ein Vorschlag („Wir könnten…“, „Wie wäre es, wenn…“) ist gefälliger als ein Ratschlag („Ich rate Ihnen…“, „Unterschreiben Sie. Dann sind die Kolleginnen und Kollegen weniger belastet.“). Schließlich gilt es für die Ohren des Partners zu argumentieren, also den Nutzen für den Arbeitgeber zu betonen („Das senkt den Krankenstand.“, „Das steigert die Attraktivität am Markt.“).
Wer sich der Macht der Sprache bewusst ist, kann hart in der Sache verhandeln (selbstbewusst fordern, nichts hergeben, ohne dafür etwas zu bekommen) und fair, also wertschätzend zum Partner bleiben.
Ein letztes Kraut gegen den netten Ausbeuter ist, nach der gewonnenen Kraftprobe auch Frieden schließen zu können.
von Anja Moos