Die Erwerbsminderungsrente bei Depression ist für Beschäftigte ein notwendiger Schritt, wenn die psychische Erkrankung die Arbeitsfähigkeit stark einschränkt oder ganz unmöglich macht. Doch der Weg dorthin ist oft lang, bürokratisch und emotional belastend. In diesem Beitrag erhalten Sie einen fundierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen sowie praxisnahe Tipps zur Antragstellung – insbesondere mit Blick auf die Rolle von Betriebsräten in der Begleitung betroffener Kolleg*innen.
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Psychische Belastungen am Arbeitsplatz IImmer mehr Menschen beziehen eine Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Abhängigkeitserkrankungen. Zwischen 2000 und 2020 ist die Zahl der jährlichen Erstbewilligungen von rund 51.500 auf 73.000 gestiegen – ein Zuwachs von 42 Prozent.
Ein Grund für diesen Anstieg: Psychische Erkrankungen werden heute früher erkannt und offener kommuniziert. Auch durch die Arbeit von Betriebsräten sowie Betriebsärzten und -ärztinnen hat sich das Bewusstsein in den Unternehmen deutlich geschärft.
Eine Erwerbsminderungsrente bei Depressionen kommt dann in Betracht, wenn Betroffene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung dauerhaft nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten können. Entscheidend ist dabei nicht die Diagnose allein, sondern vor allem die Auswirkungen der Depression auf die Erwerbsfähigkeit im Alltag und Berufsleben.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie stark die depressive Erkrankung die tägliche Arbeitsleistung beeinflusst. Um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu haben, muss nachgewiesen werden, dass Betroffene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können.
Liegt die Arbeitsfähigkeit unter drei Stunden täglich, besteht Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente. Zwischen drei und sechs Stunden täglich liegt eine teilweise Erwerbsminderung vor. Entscheidend ist ein aussagekräftiges medizinisches Gutachten, das Diagnosen, Therapieverläufe, Klinikaufenthalte und Einschränkungen dokumentiert.
Neben dem medizinischen Aspekt müssen auch versicherungsrechtliche Bedingungen erfüllt sein. Dazu gehören:
Unter bestimmten Voraussetzungen – z. B. bei Erwerbsminderung infolge eines Arbeitsunfalls oder einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme – kann es Ausnahmen von diesen Regeln geben.
Die Erwerbsminderungsrente ist gesetzlich in § 43 SGB VI geregelt. Sie gilt unabhängig vom erlernten Beruf – entscheidend ist die Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Rentenversicherung prüft die Leistungsfähigkeit durch eigene oder externe medizinische Gutachten. Auch Urteile der Sozialgerichte spielen bei der Bewertung eine wichtige Rolle.
Nicht jede Depression führt automatisch zur Erwerbsminderungsrente. Entscheidend ist, wie stark die psychische Erkrankung die Erwerbsfähigkeit einschränkt und ob diese Einschränkung dauerhaft besteht. Je nach Schweregrad und Verlauf der Erkrankung unterscheiden sich die Erfolgschancen bei der Antragstellung sowie die Dauer der Bewilligung erheblich.
Die Beantragung der Erwerbsminderungsrente bei Depression ist für viele Betroffene eine emotionale und organisatorische Herausforderung. Häufig werden Anträge aufgrund unvollständiger Unterlagen, unklarer Diagnosen oder formaler Fehler zunächst abgelehnt. Die folgenden Tipps helfen Betroffenen dabei, ihren Antrag sorgfältig vorzubereiten und die Erfolgsaussichten zu verbessern:
Führen Sie ein Symptomtagebuch, in dem Sie regelmäßig Ihre psychische Verfassung, körperliche Beschwerden, Behandlungsverläufe und alltägliche Belastungen notieren. Diese persönliche Dokumentation kann als zusätzliche Orientierung für Ärzt*innen, Gutachter*innen oder die Rentenversicherung dienen und die Alltagseinschränkungen nachvollziehbar machen.
Für eine erfolgreiche Antragstellung sind aussagekräftige fachärztliche Stellungnahmen entscheidend. Allgemeinärztliche Atteste reichen in der Regel nicht aus. Suchen Sie gezielt den Kontakt zu Psychiater*innen oder Psychotherapeut*innen, die Ihre Erkrankung über einen längeren Zeitraum begleiten. Bitten Sie um eine klare Einschätzung Ihrer Erwerbsfähigkeit, idealerweise mit Bezug zur Stundenzahl pro Tag.
Füllen Sie alle Antragsformulare sorgfältig aus – insbesondere den Selbstauskunftsbogen, in dem Sie Ihre persönlichen Einschränkungen schildern. Vermeiden Sie es, Symptome aus Scham zu verharmlosen oder zu verschweigen. Seien Sie ehrlich und konkret, z. B. bei Aussagen über Antriebslosigkeit, Konzentrationsprobleme, Angstzustände oder soziale Isolation. Eine glaubhafte und realistische Selbsteinschätzung stärkt die Glaubwürdigkeit Ihrer Unterlagen.
Im Laufe des Verfahrens wird häufig ein medizinisches Gutachten durch den Ärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung veranlasst. Dieses Gutachten kann maßgeblich für die Entscheidung sein. Bereiten Sie sich gut vor: Nehmen Sie Ihre medizinischen Unterlagen mit, schildern Sie offen Ihre Belastungssituation, und bleiben Sie authentisch, ohne zu übertreiben. Auch hier ist es hilfreich, das zuvor geführte Symptomtagebuch zur Orientierung zu nutzen.
Wird Ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt, prüfen Sie die Begründung genau. In vielen Fällen liegt es nicht an der fehlenden Erkrankung, sondern an fehlenden Nachweisen. Legen Sie fristgerecht innerhalb eines Monats Widerspruch ein. Reichen Sie ggf. ergänzende Arztbriefe oder aktualisierte Gutachten nach. Viele Anträge haben im zweiten Anlauf Erfolg, insbesondere wenn professionelle Unterstützung eingebunden ist.
Organisationen wie der VdK, der Sozialverband Deutschland (SoVD) oder andere unabhängige Beratungsstellen bieten qualifizierte Hilfe bei der Antragsstellung, im Widerspruchsverfahren oder vor dem Sozialgericht. Gerade bei rezidivierenden, chronischen oder schweren Depressionen lohnt sich die Begleitung durch erfahrene Sozialrechtsexpert*innen.
Wurde Ihnen zunächst eine befristete Erwerbsminderungsrente bewilligt (in der Regel für drei Jahre), sollten Sie rechtzeitig eine Verlängerung beantragen, falls sich Ihre gesundheitliche Lage nicht verbessert hat. Neue fachärztliche Stellungnahmen und aktuelle Diagnosen helfen dabei, eine weitere Bewilligung zu erreichen.
Eine gute Vorbereitung ist entscheidend. Mit gezielter Dokumentation, fachärztlicher Unterstützung und realistischer Selbsteinschätzung lassen sich die Chancen auf eine erfolgreiche Bewilligung deutlich erhöhen. Betriebsräte können bei der Vermittlung von Beratungsstellen, bei Antragsprozessen oder bei internen Gesprächen eine wichtige unterstützende Rolle übernehmen. Sie sollten Betroffene frühzeitig auf mögliche Reha-Maßnahmen hinweisen oder ihnen helfen, Beratung durch Sozialdienste oder Fachanwält*innen in Anspruch zu nehmen.
Die Höhe der Erwerbsminderungsrente bei Depression variiert stark je nach Versicherungsverlauf und Schwere der Erkrankung. Eine fundierte Beratung durch die Rentenversicherung oder Sozialverbände kann helfen, die individuellen Ansprüche realistisch einzuschätzen und finanzielle Planungssicherheit zu gewinnen.
Gerade in sensiblen Fällen wie psychischen Erkrankungen von Mitarbeitenden kommt Betriebsräten eine wichtige Rolle zu – z.B. bei Gesundheitsgesprächen, Wiedereingliederung oder Beratung zur Antragstellung.
Poko bietet praxisnahe Schulungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz, speziell auf die Anforderungen von Betriebsräten zugeschnitten – als BR-Webinar, Präsenzseminar an unseren Standorten oder als Inhouse-Schulung direkt in Ihrem Unternehmen. So sind Sie gut vorbereitet, wenn es um die Unterstützung erkrankter Kolleg*innen geht.